urban resistance
Diese ‘autonome’ Geschichtsschreibung über die anarchistische Bewegung in Griechenland und den Bedingungen unter den sie sich entwickelte, erschien vor einigen Jahren auf ‘urban resistance’, einer der zahlreichen antagonistischen Bewegungsversuche in Berlin, der nach wenigen Jahren, passenderweise mit einem Aufruf zum 1. Mai, wie so viele Versuche vor ihm, wieder aufgegeben wurde. Diese sehr detaillierte Geschichtsschreibung von unten ist es aus unserer Sicht aber auf jeden Fall wert, der Nachwelt erinnert zu werden, weshalb wir die ursprünglich dreiteilige Reihe an dieser Stelle in der Sunzi Bingfa leicht überarbeitet wiederveröffentlichen.
Eine Suche nach den Ansätzen einer anarchistischen Strömung im Widerstand gegen die Junta in Griechenland und die ersten Jahre danach
Prolog:
Im November 2014 trafen sich aus Anlass des 41. Jahrestages der Niederschlagung des Aufstands gegen die griechische Militärdiktatur, zahlreiche Menschen im Athener Polytechnio. Eingeladen hatte die Gruppe Anarchistisches Archiv. Thema der Veranstaltung war der anarchistische Einfluss auf den Protest der Student*innen am 17. November 1973 und die Frage ab welchem Zeitpunkt überhaupt Anarchist*innen die politische Bühne in Athen betreten haben.
Das Durchschnittsalter der Anwesenden war relativ hoch und so entwickelte sich nach dem üblichen Monolog der Veranstalter ein teilweise heftiges Streitgespräch unter Zeitzeug*innen über die Entwicklung der anarchistischen Bewegung seit den 70er Jahren.
Eine Frage, über die gestritten wurde, war ob es überhaupt einen anarchistischen Anteil an den Protesten gegen die Junta 1973 gab und wie es mit der Positionierung der anarchistischen Bewegung damals (PASOK) und heute (Syriza) zu den linken Parteien steht. Insgesamt gibt es über die griechische Geschichte zwischen 1944 und 1974 relativ wenig Material und kein offizielles Gedenken von Seiten des Staates über den Bürgerkrieg und die Diktatur der Obristen, wie auch die Gesellschaft unter einer kollektiven Amnesie zu leiden scheint. Diese Amnesie könnte historische Ursachen haben, die bis in die Antike zurückreichen.
Das jährliche Gedenken am 17. November 1973, dem folgenreichen Tag der Erstürmung des besetzten Polytechnio durch das Militär mit 30 Toten und hunderten Verletzten, bildet hier die absolute Ausnahme.
So ist zum Beispiel bis heute der „Nein Tag“ am 28. Oktober ein Gedenktag, an dem das Nein des faschistischen Diktators Metaxas zum Ultimatum Mussolinis 1940 gefeiert wird und der Widerstand gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg ist nicht komplett aus der Erinnerung gelöscht worden. Der folgende Bürgerkrieg bis 1949 wurde dann aber nur von den rechten Regierungen der 50er und 60er Jahre mit Ritualen aus ihrer Sicht aufgearbeitet, während die Sichtweise der linken und kommunistischen Gruppen aus dem Gedächtnis verbannt wurde. Sind inzwischen allerdings zahlreiche Publikation zur Geschichte der ELAS erschienen, liegt der Widerstand gegen die Junta von 1967 bis 1974 völlig im Dunkeln.
Hier wollen wir beginnen, denn irgendwann in diesem Zeitraum muss die anarchistische Bewegung in Griechenland ihr Erscheinen angekündigt haben, als Splitter zwischen zahlreichen militanten Organisationen, die einige Koordinaten bezüglich der Legitimität von politischer Gewalt festlegten. Wenngleich erste anarchistische Gedanken ab 1860 unter dem Einfluss italienischer Genoss*innen in den meisten griechischen Städten und auf den Inseln Verbreitung fanden, resultierten sie nicht so häufig in der Propaganda der Tat. Eine Ausnahme war Alexandros Schinas, der am 18. März in Thessaloniki den König Georg I erschossen hatte und nach Folterungen aus einem Fenster des Polizeipräsidiums fiel.
Im Dezember 1944 fielen zahlreiche Anarchist*innen den Säuberungen der KKE zum Opfer, die noch schnell ihre Gegner eliminierte bevor sie Athen den britischen Truppen überlies. Weitere Repression führte zum fast völligen Verschwinden der anarchistischen Strömung bis Ende der 60er Jahre.
Erst mit der Rückkehr von Student*innen aus Paris, die dort den Aufstand im Mai 68 erlebt hatten und Übersetzungen von Texten von Guy Debord und anderen Situationisten radikalisierten sich Jugendliche, die oft aus kommunistischen Familien kamen aber die Unzulänglichkeiten der Politik ihrer Eltern erkannten.
Die folgende Aufzählung von Widerstandshandlungen gegen das Regime der Obristen verdeutlicht die Vielfalt der beteiligten Bevölkerungsgruppen und ihre unterschiedlichen Strömungen, die sich nach dem Ende der Diktatur teilweise feindlich gegenüber standen:
Der Widerstand gegen den Putsch der sogenannten Kleinen Junta um Oberst Papadopoulos, dem Chef der Militärpolizei Ioannidis dem General Pattakos und dem Geheimdienstler Makarezos am 21. April 1967 war eine hoch riskante Angelegenheit. Alle, die dem Regime in die Hände fielen wurden gefoltert und diese Folter wurde zum Markenzeichen der Obristen. Verboten war vieles, bestimmte Bücher und Versammlungen. Mit Verordnungen aus der Nazi Besatzung wurden alle Grundrechte außer Kraft gesetzt, bestimmte Kleidung, Musik oder Frisuren waren verdächtig. Die Polizei konnte jede*n ohne Grund beliebig lange festnehmen. Listen von vermeintlichen Kommuniste*innen aus der Besatzungs – und Bürgerkriegszeit wurden abgearbeitet, Ausgangssperren verhängt.
1967 – der Trotzkist Alexandros Giotopoulos und der Maoist Viktoras Anagnostopoulos gehören zu den Gründern der Bewegung 29 Mai (29M). Diese Gruppe hatte Verbindungen zu Leuten, die schon in Algerien gegen die französische Kolonialherrschaft aktiv waren, wie z.B. der trotzkistische Intellektuelle Michalis Raptis, der Kontakte zu Passfälschern und Bombenbauern vermittelte. Raptis unterstützte alle ernsthaften Versuche die Junta zu bekämpfen, auch von bürgerlichen Anhängern der Verfassung, weil er daran glaubte eine soziale Revolution nur mit einer breiten Bewegung auslösen zu können. Die Gruppe verhielt sich für damalige Verhältnisse sehr konspirativ und ihre Mitglieder unternahmen zahlreiche Reisen durch Europa um Papiere und Waffen zu beschaffen sowie Verbündete zu finden. Die griechischen Grenzkontrollen waren allerdings auch eher nachlässig. 1968 wurden dann aber in Thessaloniki die ersten Studenten wegen Mitgliedschaft in 29M verhaftet und Giotopoulos in Abwesenheit wegen Subversion verurteilt. In diesem ersten Jahr des Bestehens hatte 29M mehr als 30 Mitglieder in verschiedenen Zellen in europäischen Hauptstädten organisiert und erreichte mit der Zeitung Kinima hunderte Griech*innen. Sie schafften es aber nicht für die Massen durch einen substantiellen Schlag gegen die Junta sichtbar zu werden.
Während der Unruhen im Mai 68 in Paris besetzten griechische Militante das Studenten Hostel, welches dem griechischen Staat gehörte. Maoistische und trotzkistische Gruppen haben diese Besetzung dominiert, verschwanden aber nach der Neuwahl von De Gaulle.
Ein Teil der 29M Mitglieder ging nun nach Kuba in die Ausbildungslager von Che Guevara. Das kubanische Modell der Landguerilla war jedoch für die griechischen Bedingungen einer Stadtguerilla wenig hilfreich, weshalb ein Handbuch über den Guerillakrieg das wichtigste war, was die griechische Delegation mitnahm, als sie 1969 zerstritten und desillusioniert zurück kehrte. Bauanleitungen für Sprengsätze aus diesem Handbuch dienten vielen Gruppen in Griechenland lange Zeit als Grundlage. Das kubanische Modell scheiterte danach in Brasilien und Bolivien.
Die Bewegung 29M spaltete sich 1969 wegen einem Richtungs- und Führungsstreit. Die Zellen aus Berlin und Mailand gründeten die EKKE, deren größter Erfolg die Bildung der halb klandestinen Studentenorganisation AASPE war, die 1973 eine entscheidende Rolle bei der Besetzung des Polytechnio spielte. Über die Tätigkeit von Alexandros Giotopoulos und seinen Freunden gibt es zwischen 1969 und Juli 1971 keine Hinweise.
3. August 1967, DEA (Demokratisches Komitee des Widerstands) eine trotzkistische Gruppe, zündet einen großen Feuerwerkskörper in einer Mülltonne vor dem Hilton Hotel während einer Rede eines amerikanischen Bischofs dort.
Im Oktober 1967 explodiert ein etwas größerer Knaller der gleichen Gruppe vor einem DX Supermarkt der US Militärmission in der Syngrou Avenue.
Im November 1967 wird ein Sprengsatz an der Truman Statue entschärft.
Alexandros Panagoulis versucht am 13. August 1968 den Diktator Papadopoulos mit einer Bombe zu töten, die neben seiner Wagenkolonne auf dem Weg von Sounion nach Athen explodiert. Der Anschlag scheitert, Panagoulis wird verhaftet, gefoltert, zum Tode verurteilt und auf internationalen Druck zu lebenslänglich begnadigt. Diese Aktion wurde von der Gruppe LAOS (Peoples Liberation Teams of Sabotage) verantwortet. Alexandros Panagoulis war Mitglied der Zentrums-Union. Nach mehreren Ausbruchsversuchen und endloser Folter kommt Panagoulis 1973 durch eine Amnestie frei.
Eine Ausnahme in dem verbreiteten Gefühl der Lähmung und Hoffnungslosigkeit war der 3. November 1968 als der Trauergottesdienst für den verstorbenen Zentrums Politiker Giorgos Papandreou in der Athener Kathedrale stattfand. Obwohl die Teilnahme polizeilich verboten war, erschienen Hunderttausende in der Innenstadt, um dem verehrten ‚Alten‘ die letzte Ehre zu erweisen. Mit ihm starb eine Hoffnung auf Reformen. Die Leute kümmerten sich einfach nicht um die Polizei, und die hielt es für ratsam, das Volk gewähren zu lassen und nicht seinen Zorn zu provozieren. Die Athener Innenstadt rund um die Kathedrale war schwarz von Menschen und sie begleiteten den Trauerzug nach der Aussegnung zum Friedhof. Es war dies das erste Mal, daß das Athener Volk sich über die Anordnungen der Junta hinwegsetzte.
Zwischen Mai und August 1969 explodierten in Athen und Thessaloniki über neunzig Bomben. Es gab Anschläge gegen Autos von amerikanischen Offizieren und Diplomaten und gegen NATO-Einrichtungen. Höllenmaschinen gingen im Gebäude des Premierministers, in der Generaldirektion der Asfalia (Sicherheitspolizei) und der KYP (Geheimdienst) los. Aber nach wie vor galt, dass die Gewalt nur gegen Sachen gerichtet war. Deshalb gab es zwar einige Leichtverletzte, aber keine Toten. Die Anschläge zeigten der Junta, daß man auch ernst machen könnte, und verunsicherten sie so.
Der Student Giorgos Anomeritis bildet mit Freunden aus der Studentenbewegung der Zentrums-Union im Jahr 1968 eine Gruppe unter dem Namen Demokratische Union, die für acht Bombenanschläge im Herbst des Jahres verantwortlich ist. 1969 legen sie unter der Bezeichnung EDK (Griechische Demokratische Bewegung) sechzehn weitere Bomben, in der Hoffnung internationale Aufmerksamkeit zu erlangen. Ziele waren u.a. die Strom- und Wasserversorgung der Mittelmeerspiele. Die Angehörigen der EDK wurden verraten und im Oktober 1969 , nach einem Anschlag auf das Galaxis Hotel, verhaftet.
Zwischen Mai und Oktober 1969 legt KEA (Movement of National Resistance) 16 Bomben weil der Royalist Ippokratis Savvouras verhaftet wurde. Der wird 1972 freigelassen und im Mai 1973 als Führer der EAN (Griechische Anti-Diktatur Jugend) erneut verhaftet. Dieser Gruppe werden weitere 16 Bombenanschläge zugerechnet.
Eine weitere Gruppe organisierte sich in der DA (Demokratische Verteidigung) als fortschrittlicher Flügel der Zentrums-Union mit dem späteren Premierminister Kostas Simitis. Sie platzierten zwischen März und August 1969 in Athen 19 Spreng- und Brandsätze gegen symbolische Ziele wie Olympic Airlines oder Konzerne, die das Regime unterstützten, wie ESSO. Als sich der Professor der Panteion Universität, Sakis Karagiorgas im Juli 69 mit einer Bombe selbst verletzte, wurden die restlichen Mitglieder verhaftet. Die Gruppe wurde auch im Exil von europäischen Behörden überwacht und 1971 wurde einer ihrer Waffenbeschaffer in Bonn verhaftet.
1969 wird erneut ein DX Laden mit einer Bombe angegriffen, ebenso ein American Express Büro, die amerikanische Bücherei und ein Hotel mit US Militär.
5.Januar 1970, eine Putzfrau findet einen Sprengsatz in einer Toilette der US Botschaft.
Alle Bomben richten nur symbolischen Schaden an. Aktivisten der DA stellten nach der Junta viele Minister und Funktionäre in Gewerkschaften, Presse und Universitäten.
Der Politiker der Zentrums-Union und spätere Premierminister der PASOK, Andreas Papandreou, rief vom Exil aus im Februar 1968, die Gründung der PAK (Panhellenic Liberation Movement). Diese Gruppe wurde nicht besonders ernst genommen, weil sie de facto nur auf dem Papier bestand. In Proklamationen solidarisierte sie sich mit dem Vietcong und ließ einige Aktivisten von der PLO ausbilden. Am 3. Oktober 1970 besuchte der amerikanische Verteidigungsminister den griechischen Diktator Papadopoulos im Parlamentsgebäude am Syntagma in Athen, als im benachbarten National Garten eine Bombe explodierte. Von einem zivilen Beamten wurde direkt danach der Rechtsanwalt Ioannis Koronaios festgenommen. Schnell wurden weitere PAK Aktivisten ermittelt und verhaftet. Den nächsten Versuch unternahmen der spätere PASOK Innenminister Sifis Valyrakis und Ioannis Kyriazis, die schon seit ihrer Ankunft in Patras im April 1971 observiert und wenige Tage später verhaftet wurden. Vermutlich wurden sie unter der Folter von anderen PAK Mitgliedern vorher verraten.
Papandreou war schon während der Metaxas Diktatur inhaftiert und hatte damals eine Reueerklärung unterschrieben um frei zu kommen. Danach war er von den USA ausgebildet worden. Andere Widerstandsgruppen misstrauten ihm, weil sie wussten, dass er nach einem Ende der Junta wieder die Interessen der griechischen Bourgeoisie vertreten würde.
DA, PAM und PAK waren in den Augen vieler Junta Gegner kompromittiert durch ihre Beteiligung bürgerlicher Politiker. Radikalere Gruppen wurden durch Texte und Aktion der RAF und der Roten Brigaden inspiriert, so zum Beispiel die Gruppe LEP (Revolutionary Popular Struggle).
LEP entstand 1968 in Thessaloniki aus Trotzkisten und dem Maoist Tasos Darveris. Trotz einer gewissen Agitation gelang es ihnen nicht die Massen zu erreichen, so dass sie beschlossen den Innenminister der Junta zu töten. Davon wurde aber wieder Abstand genommen weil auch sein polizeilicher Leibwächter die Bombe nicht überlebt hätte. Stattdessen sollten nun die Olympic Airlines, eine militärische und eine US Einrichtung in Thessaloniki angegriffen werden. Am 5. September 1969, kurz vor den geplanten Anschlägen, wurde Darveris verhaftet und verriet unter Folter den Bombenbauer Katsaros. Auch dieser wurde gefoltert und mit drei weiteren Popular Struggle Aktivisten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Giorgos Tsikouris, ein Student aus Zypern, versucht am 21. August 1970 die Schienen der Eisenbahn von Piräus nach Kifissia zu sprengen aber der Zünder versagt.
Tsikouris und seine Freundin Maria Elena Angeloni gehören zum Aris Team, benannt nach Aris Velouchiotis, die Gruppe ist aus der PAM in Mailand hervorgegangen, der KKE nahen Anti Diktatur Front. In der Nacht des 2. September 1970 wollen die beiden eine starke Bombe mit Zeitzünder hinter der US Botschaft in Athen ablegen. Die Bombe explodiert in den Händen von Giorgos Tsikouris und reißt ihn in Stücke, Maria Elena Angeloni verbrennt in in dem Fluchtwagen. Die Fenster der Botschaft und umliegender Gebäude zerplatzen.
Maria Elena Angeloni war die Tante von Carlo Giuliani und ihr werden Verbindungen zu den Roten Brigaden nachgesagt.
1972 tritt ein weiteres Aris Team aus enttäuschten Mitgliedern der kommunistischen Jugendbewegung Rigas Feraios mit spontanen bewaffneten Aktionen in Athen in Erscheinung.
Sie setzen am 5. Januar eine Granate gegen die Zentrale der Asfalia am Mesogeion Boulevard ein, der Angriff wird durch eine Informationssperre der Pressezensur nicht bekannt.
Am 26. April 1971 zündet eine Bombe in einer Mülltonne vor dem amerikanischen DX Supermarkt in der Syngrou Avenue in Athen später als erwartet. Ein Angestellter wird schwer verletzt. Auch die Zentrale der Gewerkschaft GSEE wird angegriffen. Zu den Anschlägen bekennt sich ein Revolutionäres Team Makrygiannis. Diese Gruppe wird in der zweiten Ausgabe von Epithesi die Verantwortung für Anschläge auf zwei US Autos in Glyfada übernehmen, die am 16. Oktober 1971 im Zusammenhang mit dem Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten in Athen verübt wurden. Das Makrygiannis Team gibt dabei auch ihr Zusammengehen mit LEA bekannt.
Zwischen Februar 1971 und April 1972 bekennt sich die AAA (Unabhängiger Befreiungs-Widerstand) zu 21 kleineren Sprengstoff Anschlägen vor allem gegen US Militärfahrzeuge, für die schließlich der Offizier Tassos Minis verhaftet und gefoltert wird.
Die trotzkistische Gruppe OKDE wurde gleich in der Anfangsphase der Diktatur durch zahlreiche Verhaftungen geschwächt, bis 1970 waren mehr als 100 Mitglieder in Haft, darunter der zentrale junge Kader Giannis Felekis. Ein Teil der jüngeren Kader ging auf eine, wie es der OKDE-Führer Theologos Psaradellis ausdrückte, „spontaneistische Bomber-Linie“ über, während ein anderer Teil den „individuellen Terror“ gegen das Regime ablehnte. Psaradellis gelang eine vorübergehende Flucht aus der Junta-Haft, er wurde dann aber von Bulgarien an Griechenland ausgeliefert.
Mit einer Bombenexplosion im Eingang der Wirtschaftsverwaltung des Präsidialamts der Regierung trat am 6. Juli 1971 eine neue revolutionäre Gruppe an die Öffentlichkeit, Laikos Epanastatikos Agonas (Volksrevolutionärer Kampf – LEA). Zwei Tage später sprengten sie in einem Industriegebiet den Tank eines ESSO Depots und am 14. Juli zündete eine Bombe in einer griechisch-amerikanischen Stiftung. Gründungserklärung und Bekennerschreiben von LEA wurden in der illegalen Zeitschrift Epithesi abgedruckt.
Diese Gruppe war linksradikal und orientierte sich an den Tupamaros in Uruguay. Als strategisches Ziel formulierte die LEA die Übernahme der Macht durch das Volk und die gewaltsame Zerstörung des gesamten Systems. Sie sahen sich damit im Gegensatz zu den meisten anderen Widerstandsgruppen, die Anschläge verübten, um den USA und Europäern zu zeigen, das die Junta die Lage nicht unter Kontrolle hat und deshalb abgelöst werden müsse. Die Übersetzungen von Texten südamerikanischer Stadtguerilla Gruppen spielten eine wichtige Rolle in der theoretischen und praktischen Entwicklung von LEA, die als Vorläufer der Organisation 17. November angesehen wird. Die hierarchischen Konzepte der meisten anderen Gruppen wurden abgelehnt.
Nach der ersten Anschlagsserie reisten einige Mitglieder zurück nach Paris, u.a. Alexandros Giotopoulos, der Sohn des ehemaligen Führers der Archeiomarxist*innen und Anagnostopoulos, wo sie fast verhaftet worden wären.
Nach dem Tod des Dichters und Regimegegners Giorgos Seferis am 20. September 1971 wurde seine Beerdigung zu einem Demonstrationszug gegen die Diktatur. Zehntausende nahmen die Beerdigung in Athen zum Anlass das Demonstrationsverbot zu umgehen, versteckt in der Menge, riefen Leute Anti-Junta Slogans.
Zum fünften Jahrestag des Putsches sprengt LEA am 19. April 1972 in Piräus eine Statue von General Metaxas, dem Diktator von 1936 – 41. In diesem Jahr fühlt sich LEA durch die Schläge der Behörden in Uruguay gegen die befreundeten Tupamaros betroffen.
Die Gruppe 20 O (Bewegung 20.Oktober) nahm sich diese Bezeichnung von dem Datum ihrer ersten Aktion, eine Bombenexplosion 1969 in einem Mülleimer im Stadtteil Kolonaki von Athen. Die Gruppe wurde von Dimitris Psyhogios gegründet, der mit weiteren Genossen Zellen in Athen, Paris und Stuttgart aufbaute. Diese Struktur kann als linksradikal mit anarcho-syndikalistischen Einflüssen beschrieben werden.
Giorgos Votsis, Journalist von Eleftherotypia, wechselte von der PAM zur 20 O, die vor allem Studenten aber auch den Arbeiter Giannis Serifis aus Stuttgart mobilisierte. Im März 1970 zündeten sie eine Bombe anlässlich des Prozesses gegen DA Mitglieder vor der Evelpidon Militär Akademie und am 1. Mai 1970 vor der Zentrale der GSEE Gewerkschaft.
Am 20. Oktober 1971 wurden vier Mitglieder einer Zelle von 20 O verhaftet, als sie versuchten einen elektrischen Verteiler zu sprengen, um die Rede des amerikanischen Vize Präsidenten im Hilton Hotel zu unterbrechen. Alle wurden gefoltert und die griechische Polizei erlangte eine Adresse in Paris, die von der französischen Polizei daraufhin ausgehoben wurde. Auch Giannis Serifis in Stuttgart wurde dadurch bekannt. Als letzte Aktion der Gruppe wurde im Februar 1972 im Zentrum Athens ein Radiosender platziert, über den eine Nachricht an die Bevölkerung ausgestrahlt wurde.
Die Gruppen LEP, 20 O und Aris Teams wurden von der kleinen Organisation AA (Unabhängige Linke) seit 1971 unterstützt. Ihr Theoretiker was Giannis Galanopoulos, ein ehemaliger Partisan der ELAS. Von 1945 bis 1960 inhaftiert, war er 1967 nach Italien entkommen. Galanopoulos propagierte in Texten und Untergrund Zeitungen, wie der Epithesi (Angriff), den autonomen Kampf kleiner Gruppen, die sich ihre Ziele selbst suchen und bei Bedarf mit anderen Gruppen kooperieren. Er lehnte maoistische Führungsprinzipien ab und bot bewaffneten Zusammenhängen logistische Hilfe an.
Bürgerliche und liberale Gruppen arbeiteten ebenfalls zusammen, unter dem Namen EMA ( Greek Militant Resistance) wurden zahlreiche Bomben gelegt, die im Umfeld des Kriegsveteranen Tasos Panagiotopoulos und des Bombenbauers Tasos Minis vorbereitet wurden. Hier bestanden Kontakte zu jüngeren Angehörigen der Oberschicht, die mit sauberen Pässen den Widerstand unterstützten, z.B. eine Aktion gegen die amerikanischen Verbindungsstellen.
LEA konnte im Ausland zahlreiche Unterstützer*innen gewinnen, unter anderem Jean-Paul Sartre und Francois Truffaut.
Die Entwicklung von Massenprotesten im Jahr 1973
Schon in den vergangenen Jahren hatte sich der Unmut der Student*innen vor allem an der Tatsache entzündet, dass ihnen keine demokratische Wahl ihrer Vertretung in den Universitätsgremien erlaubt wurde. Im Wintersemester 1972/73 war dies wiederum verboten und auch über die Lehrinhalte wollten die Studierenden diskutieren. Nach der Zurückweisung kam es zu Protesten. Das Regime reagierte mit dem Polizeiknüppel. Zugleich wurde ein Gesetz erlassen, das es ermöglichte, unbotmäßige Studenten sofort zum Militärdienst einzuziehen. Dagegen kam es am 13. Februar 1973 zu einer Demonstration, die gewaltsam aufgelöst wurde und 37 Studenten wurden sofort eingezogen. Es kam zu weiteren Unruhen und 51 neuen Einberufungen.
Am 21. Februar verbarrikadierten sich etwa 2.000 Student*innen im Gebäude der juristischen Fakultät (Nomiki). Der Senat der Universität versuchte zu vermitteln und die Besetzung wurde beendet. Doch der stellvertretende Premier Stylianos Pattakos blieb hart – die 96 einberufenen Studenten sollten ihren Wehrdienst ableisten. Sechs ehemalige Minister solidarisierten sich mit den Studierenden. Nachdem sich nichts veränderte, folgten Unruhen in Thessaloniki und Patras. In Athen wurde wiederum die juristische Fakultät besetzt und am 20. März 1973 stürmte die Polizei das Gebäude.
Am 4. November 1973 jährte sich zum fünften Mal der Tod von Georgios Papandreou. Zum Gedenken wurde in der Athener Kathedrale ein Gottesdienst abgehalten. Die Partei von Papandreou war die Zentrums-Union, die Ende der 70er Jahre in der PASOK aufging. Durch Mundpropaganda informiert, waren einige Tausend Leute erschienen. Nach dem Ende der Gedenkfeier rief die vor der Kathedrale versammelte Menschenmenge Slogans gegen die Junta und marschierte in das Zentrum von Athen. Die Polizei versuchte, die Menge auseinander zu treiben, doch diese antwortete mit Steinwürfen und errichtete Barrikaden.
Es kam zu einer Straßenschlacht, bei der es auf beiden Seiten Verletzte gab. An den folgenden Tagen wurden von den 100 Verhafteten 17, darunter 3 Studenten vor Gericht gestellt. Die Polizei war vollkommen überrascht und hatte damals noch keine Riot Ausrüstung; durch Schüsse in die Menge und Steinwürfe der Bullen wurden 60 Menschen verletzt. Die Verurteilung der drei Studenten führte zu Protesten zunächst an der Universität Athen, dann aber auch in Patras und Thessaloniki. Um die Spannungen abzumildern, erklärte die Regierung, dass die politischen Führer keine Verantwortung für die Ausschreitungen trügen, die von einer kleinen Gruppe Unruhestifter angezettelt worden seien. Am 14. November besetzten einige tausend Student*innen das Polytechnio. Andere versammelten sich in Instituten der Universität. Alle Student*innen forderten, dass sie ihre Vertretung selbst wählen durften. Die Wahlen sollten am 4. Dezember 1973 abgehalten werden.
LEA verbreitete im Februar 1973 eine Erklärung, in der sie die Studentenproteste begrüßten und im Juli warben sie für ein „Nein“ zum Referendum des Diktators Papadopoulos. Von der Dynamik des Aufstands im November waren alle bewaffneten Gruppen überrascht. Bei den Besetzer*innen des Polytechnio handelte es sich neben Studierenden auch um amnestierte Militante sämtlicher Widerstandsebenen und einige Arbeiter*innen. Radikalisierend sollen trotzkistische und anarchistische Zusammenhänge gewirkt haben, während andere Organisationen vergeblich versuchten ihre Mitglieder von der Teilnahme abzuhalten.
Christos Constantinidis hatte 1971 damit begonnen in seiner Buchhandlung die Klassiker der anarchistischen und situationistischen Literatur zu verbreiten. Er gehörte mit seinen Genossen zu den Ersten, die am 14. November mit der Besetzung des Polytechnio begannen. Sie schrieben die Parolen „Nieder mit dem Staat!“ und „Nieder mit dem Kapital!“ an die Eingangstore, wo sie später von linken Studenten mit pragmatischeren Parolen überdeckt wurden.
Die Präsenz anarchistischer Genoss*innen bei den Ereignissen um die Revolte vom November 1973 was bedeutsam, nicht hinsichtlich ihrer zahlenmäßigen Stärke, sondern eher im Hinblick auf ihren außergewöhnlichen Beitrag, da sie sich nicht auf Slogans gegen die Diktatur beschränkten, sondern auf weiter gefasste politische Bestimmungen zurückgriffen, die antikapitalistisch und antistaatlich waren. Sie waren auch – zusammen mit Militanten aus der radikalen Linken – unter den wenigen, die diese Revolte begangen. Und sie waren so sichtbar, dass Repräsentanten der formalen Linken ihre Anwesenheit bei den Ereignissen verurteilten und sie verleumdeten.
KNE, die Jugendorganisation der KKE, verbreitete die Meldung, dass die Besetzung des Polytechnio eine Provokation von 300 bezahlten Agenten des Geheimdienstes sei.
In Wirklichkeit war die formale Linke der Revolte selbst gegenüber feindselig eingestellt, das sie den friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie unterstützte. Und weil sie die spontane Revolte der Jugendlichen und Arbeiter*innen nicht aufhalten konnten, versuchten sie sie zu manipulieren und nach dem Fall der Junta auszunutzen. Der Nachhall dieses Konflikts dauert bis heute an.
Die bewaffneten Gruppen waren sich in der Bewertung der Ereignisse um den 17. November 73 nicht einig, 20 O war unzufrieden mit der eigenen Beteiligung, was aber ihren ständigen Bemühungen ihre Struktur vor dem Zugriff der Behörden zu retten, zugeschrieben wird. Zusammen mit Aris Team, LEP und AA riefen sie zur Rache für die Ermordeten, Verletzten und Gefolterten auf.
Von den Mitgliedern der Organisation 17 November waren viele gar nicht bei der Besetzung der Universitäten dabei. Nach der Stürmung des Polytechnio durch das Militär setzten einige militante Gruppen und Individuen auf den Massenkampf, andere entwickelten ihre Bombenkampagnen weiter.
Wenn wir später zu der Frage kommen, was die Bildung einer anarchistischen Bewegung beschleunigt hat, ist auf die oft völlig falsche Einschätzung der Entwicklungen durch andere Gruppen und Organisationen zu verweisen. Dadurch wurde eine neue Strömung heraus gefordert. Das maoistische Komitee der Griechischen Antifaschisten in Paris zum Beispiel, sah den Aufstand im November 73 als erfolgreich darin, die geplante Transformation der Militärdiktatur hin zu einem parlamentarischen Faschismus zu verhindern. Bekanntlich ist dem System aber später genau das gelungen.
Aris Team verfasste einen Aufruf für die Entwicklung von Kampfkomitees in Nachbarschaften, Schulen und Arbeitsplätzen, die als autonome Gruppen in einer revolutionären Organisation zusammen arbeiten könnten. Dieser Aufruf soll das Gründungspapier von ELA im Jahr 1975 inspiriert haben.
Wenn wir später zu der Frage kommen, was die Bildung einer anarchistischen Bewegung beschleunigt hat, ist auf die oft völlig falsche Einschätzung der Entwicklungen durch andere Gruppen und Organisationen zu verweisen. Dadurch wurde eine neue Strömung heraus gefordert. Das maoistische Komitee der Griechischen Antifaschisten in Paris zum Beispiel, sah den Aufstand im November 73 als erfolgreich darin, die geplante Transformation der Militärdiktatur hin zu einem parlamentarischen Faschismus zu verhindern. Bekanntlich ist dem System aber später genau das gelungen.
Zum Jahreswechsel 73/74 fand in München ein Treffen von Delegierten verschiedener Widerstandsgruppen statt. Hier forderte Andreas Papandreou ein härteres Vorgehen gegen die Junta, inklusive Attentate auf Personen. Damit stand er relativ alleine da und verfügte auch nicht über handlungsfähige Strukturen. LEA, 20 Oktober und Aris Team vereinbarten eine Zusammenarbeit, konnten das aber nach dem Putsch von Dimitrios Ioannidis gegen Papadopoulos kaum umsetzen.
Die PAK von Papandreou half dem Künstler Grigoris Christeas, der aus den USA zurückkehrte, beim Aufbau einer Gruppe unter dem Namen LAOS, dem gleichen Kürzel unter dem Panagoulis 1968 den Anschlag gegen den Diktator verübt hatte. Dieses LAOS stand jetzt für Peoples Organized Liberation Army. Ihre ersten 5 Bomben richteten sich am 22. Februar 1974 gegen die Firma Dow Chemical in Lavrio, eine US Firma die Gifte für den Vietnamkrieg produzierte. Vier Bomben explodierten und richteten Schaden an, bei der Entschärfung der fünften starben zwei Techniker. PAK begrüßte den Anschlag, zu dem sich die 8. Abteilung der LAOS bekannte. Die Gruppe wurde verraten und Christeas gelang die Flucht nach Europa, während andere Mitglieder verhaftet und gefoltert wurden.
Panagoulis, der nach der Amnestie heimlich wieder aus Italien eingereist war, unterstützte diesen Anschlag von LAOS8 nicht, unter der Bezeichnung LAOS1 bombte seine Gruppe eine Bank of America in Piräus und die Comercial Bank am 3. Dezember 73 und zwischen dem 9. und 19. Januar 74 einige US Fahrzeuge.
Grigoris Christeas erhob in Basel den Vorwurf des Verrats gegen eine Person aus dem Umfeld von Papandreou, der diesen Verrat angeordnet haben soll um Märtyrer zu generieren. Dieser Vorwurf hatte keine Konsequenzen, der Verräter gehörte später zu den Gründern der PASOK.
Eine Bombe der Gruppe um Panagoulis beschädigte am 14. April 74 eine Polizeistation in Athen.
Da als Resultat von jahrelangen Bombenkampagnen und eines Aufstands die Junta trotzdem nicht gestürzt werden konnte, sollen angeblich einige Gruppen einen Teil ihrer Mitglieder in Ausbildungslager der PLO geschickt haben, um die Eskalation zu erhöhen. Die angeblich auch gelieferten Waffen kamen allerdings nicht zum Einsatz.
Die als Metapolitefsi bezeichnete Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie legte den Grundstein für das Aufkommen einer anarchistischen Notwendigkeit. Zwar wurde die KKE, Beteiligte am Kampf gegen die deutsche und britische Besatzung, wieder legalisiert, doch ihr Markenzeichen blieben Verrat und Stalinismus.
In Folge des für die Junta desaströsen Verlaufs des Zypern Kriegs stürzten Generäle der Armee am 23. Juli 1974 die Obristen und übergaben die Staatsgewalt an Konstantinos Karamanlis.
Die als Metapolitefsi bezeichnete Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie legte den Grundstein für das Aufkommen einer anarchistischen Notwendigkeit. Zwar wurde die KKE, Beteiligte am Kampf gegen die deutsche und britische Besatzung, wieder legalisiert, doch ihr Markenzeichen blieben Verrat und Stalinismus.
Alexandros Panagoulis wird bei den ersten Wahlen für die Zentrums-Union ins Parlament gewählt, tritt aber wegen Meinungsverschiedenheiten aus der Partei aus. Nachdem er angekündigt hatte, Archive der Militärpolizei ESA veröffentlichen zu wollen, stirbt er am 1. Mai 1976 bei einem vermutlich von Angehörigen der Sicherheitskräfte fingierten Verkehrsunfall. Diese Archive, die anscheinend vor der behördlich angeordneten Vernichtung gerettet werden konnten und nie offengelegt wurden, sollen Informationen über die Kollaboration von wichtigen Politikern mit der griechischen Junta enthalten.
Andreas Papandreou sammelte in der PASOK viele linksradikale und trotzkistische Kämpfer*innen gegen die Junta, um sie im geeigneten Moment zu neutralisieren. Wer nicht im Apparat der PASOK aufstieg, suchte die Rückkehr in ein bürgerliches Leben oder beteiligte sich an einer der unzähligen kleinen Splittergruppen. Viele Bombenleger wurden Journalisten oder Professoren, das gesellschaftliche Klima war erwartungsvoll, Erwartungen die von den Programmen der linken Organisationen nicht erfüllt werden konnten.
In der Umgebung des Polytechnio, in Exarchia ließen sich ehemalige politische Gefangene, aus dem Exil zurückgekehrte Dissidenten und Student*innen nieder. Nach sieben Jahren Zensur waren die Buchläden und Zeitschriften voll mit subversiven Texten. Die Zeit war reif für einen anarchistischen Raum, der nur in den ignorantesten Zonen Europas auf das inflationäre Molli-Werfen reduziert werden wird.
Anarchistische Strömungen während der Metapolitefsi – Griechenland 1974 – 1980
Wie wir im ersten Teil von Gegen das Vergessen festgestellt haben, war der anarchistische Einfluss auf den Widerstand gegen die Diktatur bis 1974 zwar nicht unbedeutend, aber gering. Mit dem Austausch der Junta gegen eine Demokratie unter der Führung des rechten Ministerpräsidenten Karamanlis zogen sich viele Menschen und Gruppen erschöpft aus dem Widerstand zurück, sie hatten ihr Ziel der Rückkehr zum Parlamentarismus erreicht.
Alekos Panagoulis verurteilte gewaltsame Ambitionen von Leuten, die er als „Pseudo-Revolutionäre“ bezeichnete, und wurde Abgeordneter für die Zentrums Union. Die Gründungserklärung der PASOK unter Andreas Papandreou war derart radikal sozialistisch, dass viele Bombenleger der Vergangenheit sich damit identifizieren konnten. Konstantin Karamanlis hatte politische Gefangene freigelassen, als populistische aber wirkungslose Maßnahme, den Austritt Griechenlands aus den militärischen Strukturen der NATO angekündigt und die KKE legalisiert, gleichzeitig spielte er mit Putschgerüchten des Militärs, dem nur eine rechte Regierung Kontra geben hätte können.
Bei den ersten Wahlen 1974 gewann die ND (Nea Demokratia) von Karamanlis. Papandreou säuberte die PASOK von Mitgliedern aus dem Anti-Junta Widerstand.
Viele Gruppen setzten von nun an auf den demokratischen Wandel, linksradikale, trotzkistische und kommunistische Zusammenhänge, Gewerkschaften und Kleingruppen leisteten weiter Widerstand auf der Straße. Ihre Mobilisierungsfähigkeit in sozialen Angelegenheiten war hoch. Die KKE war mit militanten Floskeln unterwegs, bezeichnete aber jede Störung der öffentlichen Ordnung, sogar die Besetzer*innen des Polytechnio 73, als Provokation des Geheimdienstes KYP. Im Stadtteil Exarchia und an den Universitäten entstanden unzählige Splittergruppen, die unter Studierenden für ihre Ziele warben. Diese Gruppen waren zwar relativ klein, bildeten aber das Reservoir der Unzufriedenen, die auf Demonstrationen los schlugen und von denen einige auch später in die bewaffneten Gruppen zogen.
Anarchistische Präsenz in Massenkämpfen
Die erste Wahl nach dem Ende der Junta sollte am 17. November 1974 stattfinden, dem Jahrestag des Polytechnio Aufstands. Viele Linke, Anarchist*innen und sogar die KKE lehnten die Übernahme des Datums durch rechte Parteien ab und demonstrierten dagegen. Auf der Demonstration am 15. November wurden Flugblätter verteilt, in denen die Konterrevolution verurteilt wurde, die Leute wurden als „bezahlte Sklaven“ angesprochen, die von den Lakaien des Staates zu produktiven Robotern und passiven Zuschauern gemacht werden sollen.
Unterschrieben war der Text mit „Anarchistische Gruppe der Extremisten“, worauf die Organisatoren der Demo versuchten diese Gruppe zu isolieren.
Von den kommunistischen, trotzkistischen und maoistischen Gruppen, die Mitte der 70er Jahre ihre Hochphase hatten, fanden viele Enttäuschte den Weg zu anarchistischen Zusammenhängen. Die Anarchist*innen standen im Konflikt zur zentralen Rolle der Arbeiterklasse, den hierarchischen Organisationsformen der Linken, der Idee einer Avantgarde und der Vorstellung einer Machtübernahme.
Bei den schweren Straßenschlachten am 25. Mai 1976, nach einer Demonstration für die Rechte der Arbeiter*innen, kämpften sie gemeinsam mit Gewerkschafter*innen. Dutzende Menschen wurden verletzt und die 67 jährige Straßenverkäuferin Anastasia Tsivika dabei von einem gepanzerten Fahrzeug der Polizei getötet.
Der erste anarchistische Block trat am 17. November 1976 bei einer Demonstration zur US Botschaft auf. Zwei Jahre später wurde diese Route verboten und die Nationale Studenten Union sagte wegen starker Polizeipräsenz die Demo ab. Als viele Leute dennoch vom Polytechnio los marschierten kam es zu Auseinandersetzungen.
Ein wichtiger Moment des sozialen Kampfes Ende der 70er war der Kampf in den Universitäten, ausgelöst vom Versuch der Regierung, eine Bildungsreform durchzusetzen. Hier wurden die Grenzen der Unis überwunden, weiterreichende radikale Bestimmungen entwickelten sich und führten zur Beteiligung von deutlich mehr Menschen. Anarchist*innen konnten ihren Einfluss auf die im Kampf stehenden gesellschaftlichen Bereiche ausweiten.
Alleine führten sie einen weiteren Kampf: Solidarität mit den Gefangenen. Die Frage nach den Gefängnissen galt für die Gesellschaft als Tabu – jetzt wurde deren Abschaffung gefordert.
Die erste Generation der griechischen Anarchist*innen war enttäuscht, als 1981 PASOK in die Regierungsübernahme gewählt wurde und zusammen mit der KKE versuchte die sozialen Konflikte der 70er Jahre zu beenden. Isoliert von allem zogen sich viele Leute nach und nach zurück, der Rückschlag für die anarchistische Bewegung stand auch im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Heroin in Exarchia und umliegenden Vierteln.
Selbstjustiz gegen die Folterer der Junta – Die Entstehung von 17N und ELA
Neben den individuellen Freiheiten waren Arbeitnehmer*innen-Rechte ein zentrales Thema. Ebenso beschäftigte die Aufarbeitung der von den Obristen begangenen Verbrechen die Menschen. Einige Gruppen hatten Rache für die Morde, Entführungen und Folter der vergangenen sieben Jahre geschworen.
Beispiel Alexandros Giotopoulos:
Die Spur von Alexandros Giotopoulos, Gründer von LEA (Laikos Epanastatikos Agonas – Volksrevolutionärer Kampf, Stadtguerilla von 1971 bis 1974, die als Vorläuferin der Organisation 17. November angesehen wird, orientierte sich an den Tupamaros in Uruguay), verlor sich im Schatten, wie es ein amerikanischer Botschafter formulierte. Aus einem Brief, der 1969 aus der Zentrale der Sicherheitspolizei in der Bouboulinas Straße 21 geschmuggelt wurde und an Jean-Paul Sartre gerichtet ist:
„Meine Zelle ist so eng, dass ich nur mit angezogenen Beinen liegen kann. Sie hat kein Licht, keine Belüftung, der Boden ist feucht und wimmelt von Wanzen. Das Guckloch in der Tür ist meine Angst und meine Hoffnung. Oft blicke ich durch das winzige Gitter und versuche etwas zu erkennen. Im Gang unterdrücktes Murmeln: ein Körper wird, in eine Decke gewickelt, vorbeigetragen. Der Mann stöhnt. Schritte nähern sich. Ich fürchte mich. Ein Schlüssel knirscht in meinem Schloss, meine Tür geht auf, man bringt mich hinaus. Und bald, wenn ich erst dieser in die Decke gewickelte blutende Körper bin, werde ich vor Schmerzen nur noch stöhnen können.
Man führt mich eine Etage höher. Das Verhör beginnt. Mallios ist ein Theoretiker, Lambrou dagegen wendet die Methoden dieses ausgeklügelten, perfektionierten Systems an. Ich schreie auf. Sartre! Hörst Du mich? Ich weiß das es Vietnam gibt, ich bin unbedeutend gegenüber den Feuern dieser Hölle, aber ich schwöre Dir, Sartre, unsere Tage in diesem Polizeigebäude sind der Keim eines zweiten Vietnam! Du kannst dieses Gebäude sehen, wenn du einmal in Athen spazieren gehst. Tausende von Leuten laufen täglich an ihm vorbei, ohne den Blick zu heben. Die einen aus Angst, die anderen aus Unwissenheit. Zwei Schritte weiter befindet sich der Park des Nationalen Archäologischen Museums. Unsere Schreie werden von dem Lärm der Stadt übertönt, in der die ausländischen Touristen in der Sonne spazieren gehen….Oft steht vor dem Gebäude ein Motorrad mit laufendem Motor, fährt aber niemals ab. Sein Lärm übertönt die Schreie. Wenn die Henker in der Eckkneipe ein Bier trinken gehen, wird der Motor abgestellt.
Du wirst auf diese Bank gebunden. Ein Reigen von Wilden umringt dich. Sie gehören derselben Henker Rasse an, die in Vietnam meine Schwestern Pham Thi Binh, Nguyen Thi Tho gefoltert haben. Ich kann nicht, ich will Dir nicht sagen, Bruder, wie, womit, wie sehr sie mich gefoltert haben.
Ich schließe die Augen, um meine Henker nicht zu sehen. Lambrou steht etwas abseits, ein Arzt ist neben ihm. Er heißt Kioupis. Sein Name gehört auf die Liste derer, die eines Tages gerichtet werden müssen. Er fühlt meinen Puls. Er befiehlt: weitermachen…anhalten…Ich soll am Leben bleiben, ich soll sprechen, die Namen meiner Genossen nennen. Ich schwöre Dir, ich habe nichts gesagt. Mein Schweigen gibt mir das Recht, Dir zu schreiben.“
Vasilis Lambrou war Oberinspektor der Sicherheitspolizei (Asphalia) und einer der bekanntesten Folterer des Systems. Bekannt wurde ein Zitat von ihm gegenüber Gefangenen:
„Wenn Sie glauben, dass sie irgendetwas tun können, machen sie sich allenfalls lächerlich. Die Welt ist in zwei Hälften geteilt. Es gibt die Kommunisten und die freie Welt. Die Russen und die Amerikaner, sonst nichts. Und was sind wir? Amerikaner. Hinter mir steht die Regierung, hinter der Regierung steht die NATO, hinter der NATO stehen die USA. Ihr könnt nicht gegen uns kämpfen, wir sind Amerikaner.“
Im Verlauf ihrer Untersuchung wollten die von der europäischen Kommission für Menschenrechte beauftragten Ermittler Polizisten und Militärs anhören, die von den gefolterten Gefangenen am häufigsten genannt wurden. Die meisten von ihnen gaben Erklärungen ab, die die Sache der Obristen in verheerender Weise bloß stellte: Sie verloren die Selbstbeherrschung, beschimpften die politischen Gefangenen, behaupteten, dass dieser oder jener Häftling nichts als ein dreckiger Simulant sei, der auf Befehl der Kommunistischen Partei handle und sich selbst verstümmelt habe, um den Anschein zu erwecken, dass die „ehrenhaften griechischen Polizisten“ Wilde seien. Aber in Vasilis Lambrou hatten die Mitglieder dieser Kommission einen anderen Mann vor sich. Elegant, höflich, lächelnd, Nerven und Gefühle beherrschend, eloquent, ohne Fachausdrücke zu benutzen, war er der vollkommene Schauspieler. Er hatte versucht, eine „plausible“ Erklärung glaubwürdig zu machen: dass nämlich unvermeidliche Fehler in der Polizei eines jeden Landes vorkommen und er wies dabei noch auf die „besonderen Umstände“ in Griechenland hin. Später wurde er in die USA eingeladen um dort Vorträge über die Bekämpfung des Kommunismus zu halten.
Aussage der Schauspielerin Kitty Arseni, 34, nach ihrer Ausreise nach Frankreich vor der Menschenrechtskommission des Europarats (diese wurde auf Betreiben von Schweden, Dänemark und Norwegen tätig; die BRD unterstützte die Obristen) am 26. November 1968. Sie war nachts in ihrer Wohnung von den Beamten Lambrou, Babalis und Mallios festgenommen worden:
„Lambrou fragte mich im Auto ob ich bereit wäre Fragen zu beantworten. Sonst würden sie mit mir nach Damaria fahren, ein einsamer Berg in Athen, bei Patissia. Im Auto fingen sie an mich zu beschimpfen und mir gegen den Kopf zu schlagen. Angekommen in der verlassenen Gegend, zogen sie mir die Schuhe aus, Mallios legte sich auf mich und hielt mir den Mund zu, während mir der Fahrer mit einem Rohr auf die Fußsohlen schlug. Sie sagten sie würden mich hinrichten. Danach wurde ich in die Zentrale der Asphalia in der Bouboulinas Straße gebracht wo ich in einer winzigen, leeren Zelle ohne Tageslicht in Isolation gehalten wurde.
Bei weiteren Verhören wurde ich auf dem Dach des Gebäudes u.a. von dem Beamten Spanos geschlagen, sie haben wieder die Falanga angewendet. Sie drohten mich vom Dach auf die Straße zu werfen. Nach drei Monaten wurde ich auf Bewährung entlassen.“
Am 12. März 1969 befragte die Menschenrechtskommission des Europa Rates in Athen die beschuldigten Polizeibeamten. Inspektor Vassilis Lambrou bestritt an der Verhaftung von Kitty Arseni am 23. August 1967 beteiligt gewesen zu sein. Die Verhaftung sei von Inspektor Mallios durchgeführt worden um das subversive Netzwerk des Dichters und Musiker Mikis Theodorakis zu zerschlagen. Letztendlich ging es um die Verbreitung einer Tonbandaufnahme. Lambrou stritt die Foltervorwürfe ab und bezichtigte Kitty Arseni der Lüge.
Inspektor Evangelos Mallios erklärte, zusammen mit Lambrou und Babalis in der Nacht der Verhaftung lediglich einige Fragen an Frau Arseni gestellt zu haben um das Versenden eines Tonbandes in andere Länder zu verhindern. Er bestritt die Foltervorwürfe und sagte, Kitty Arseni sei geisteskrank.
Inspektor Babalis sagte aus, dass er für die Sicherheit der Gefangenen verantwortlich sei und Frau Arseni sei sehr gut behandelt worden.
Als weitere Zeugin vernahm die Menschenrechtskommission Anastasia Tsirka, die am 23. September 1967 von der Asphalia verhaftet wurde. Vor dem Putsch war sie auf einer Friedensdemonstration fotografiert worden, jetzt wurden in ihrer Wohnung Flugblätter mit dem Titel „Autonome Aktion“ gefunden. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war sie sichtbar schwanger.
Auf dem Dach der Asphalia Zentrale in der Bouboulinas Straße wurde sie von Lambrou, Mallios, Babalis, Spanos und Georgantas gefoltert, u.a. mit Schlägen auf die Fußsohlen. Es wurde auch gedroht sie vom Dach zu werfen. In den folgenden Tagen erlitt sie eine Fehlgeburt und wurde nach kurzem Krankenhaus-Aufenthalt ein weiteres Mal der Falanga unterzogen. Sie konnte nicht angeben von wem sie die Flugblätter erhalten hatte, weil sie diese auf der Straße gefunden hatte. Die griechische Regierung bezeichnete die Vorwürfe von Frau Tsirka als Lüge, die Polizei habe alles schon gewusst, so dass gar kein Grund für Folter vorgelegen habe.
Während der Diktatur hatte es bis auf den gescheiterten Anschlag auf Papadopoulos keine wissentlich tödlichen Aktionen gegeben. Ein Mensch war versehentlich durch eine Bombe getötet worden. Politische Tötungen wurden jetzt zur Option der militanten Gruppen, als deutlich wurde, dass die Folterschergen der EAT-ESA (Vernehmungseinheit der Militärpolizei während der Diktatur) und der Sicherheitspolizei Asphalia nicht wirklich zur Verantwortung gezogen werden, und dass die Demokratie eine personelle Kontinuität in den Machtstrukturen des Landes anstrebt.
Ende Juli 1974 fanden Diskussionen von Mitgliedern der Widerstandsgruppen über Aktionen gegen die soeben abgesetzte Junta statt. Militante von LEA, Christos Kasimis von 20 Oktober (20 O) – Bombenleger während der Junta von 1967 bis 1974 – und Kostas Agapiou von Aris Team (Bombenleger*innen Gruppe während der Junta, mit Kontakten zu den Vorläufern der Roten Brigaden in Italien) waren neben wenigen anderen Gruppen aus dem Kampf gegen die Obristen hervor gegangen und berieten die neue Lage. Anfang 1975 gaben 20 Oktober ihre Auflösung bekannt, weil Revolutionäre sich in die Massenkämpfe der Arbeiter integrieren sollten für die sie kein Programm hätten. Weil sie nur für den Kampf gegen die Diktatur entstanden seien, stellten sie ihre Unfähigkeit fest, das Vakuum zu nutzen, welches durch den Fall der Junta entstanden war. Anschläge würden nur den Vorwand für Repression liefern, die Gegengewalt des Volkes dürfe nicht von einer Avantgarde kommen.
Teile von LEA, unter anderen Giotopoulos wollten ihre Untergrund-Strukturen erhalten. Sie sahen das Wahlergebnis als Zeichen personeller Kontinuitäten von Angehörigen der Junta, die jetzt im Apparat von Nea Demokratia weitermachten.
Christos Kasimis und seine Frau Alexandra waren von der Notwendigkeit überzeugt, das griechische Industrieproletariat in die bewaffnete Bewegung einzubeziehen, etwas was während der Junta nie gelungen ist. Die beiden werden beim Plakatieren entsprechender Aufrufe verhaftet, aber auf Intervention von PASOK-Abgeordneten freigesprochen. Diese Gruppe versuchte auch Student*innen zu agitieren.
Militante um Kasimis suchten bei Arbeitskämpfen den Kontakt zu Streikenden, Fabriken wurden besetzt und Streikbrecher zusammengeschlagen. Auch in Nachbarschaftsinitiativen wurde Kontakt zu Schichten gesucht, die für revolutionäre Aktionen offen schienen. In diesen Zusammenhängen wurde zwischen Juli 74 und Februar 75 ein Text geschrieben, zirkuliert und im Dezember 75 in einer korrigierten Version veröffentlicht, der unter dem Tarnumschlag „Outstanding Chemical Fertilizers“ ein Gründungspapier mit dem Namen „Revolutionärer Volkskampf für die Entwicklung der griechischen revolutionären Bewegung“ verbarg.
Mit Revolutionärer Volkskampf (Epanastatikos Laikos Agonas – ELA) betrat eine klandestine, kommunistische Gruppe die Bühne. Ihrem Gründungspapier wird vorgeworfen wenig konkrete Vorschläge zu bieten und mit obsessiver Wiederholung ideologischer Formulierungen zu kaschieren. ELA kündigte an, ihre Erfahrungen aus dem Anti-Junta Widerstand zu nutzen, um die Massen aufzuklären. Sie glaubten „Volksmacht“ und Sozialismus nur durch eine gewalttätige Revolution der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus und Imperialismus erreichen zu können. ELA lehnte den Maoismus ab und distanzierte sich vom Begriff der „nationalen Unabhängigkeit“ früherer Texte von LEA. Ihr Konzept sah autonome Gruppen vor, die aus den einzelnen Konfliktfeldern erwachsen und sowohl den bewaffneten Kampf als auch legale Organisierung praktizieren, während daran gearbeitet wird, die bürgerliche Hinterlassenschaft zu überwinden. Über die Thematik der Löhne sollte eine Mobilisierung der Fabrikarbeiter erfolgen, mit dem langfristigen Ziel, die Lohnarbeit abzuschaffen. Im Jahr 1976 gab es in Griechenland 947 Streiks von 300.000 Beteiligten, was zu über 6 Millionen verlorenen Arbeitsstunden führte.
Als Zugeständnis an Anhänger Guevaras sollten aufständische Hot-Spots geschaffen werden, mit einem Schwerpunkt in großen Städten. Der während der Junta verbannte Historiker Nikos Psyroukis soll mit seinen Texten großen Einfluss auf ELA Mitglieder gehabt haben.
Einer der ersten Leser der Gründungserklärung von ELA war Christos Tsigaridis, der als kommunistischer Student des Polytechnio mit den Dogmas der KKE aneinander geraten war. Er wurde von Kasimis überzeugt, ELA beizutreten und äußerte sich nach seiner Verhaftung 2003 zur Strategie von ELA. Es sollten kleine Bombenanschläge symbolischer Natur verübt werden, bei denen Verletzung von Menschen ausgeschlossen seien müssten. Dieses Vorgehen beruhte auf der politischen Taktik, keine Distanz zwischen Aktionen einer organisierten, revolutionären Kraft und den Aktionen kleiner, militanter Teams oder der Massenmilitanz aus der Bevölkerung entstehen zu lassen.
ELA wollte verhindern, dass Zuschauer ihrer Anschläge entstehen. Vielmehr sollte eine revolutionäre Gegengewalt zur Praxis der Arbeiterschicht werden. Nicht materielle Zerstörung sondern die Ausstrahlung einer widerständigen Nachricht war das Hauptziel.
Die Gruppe begann mit einfach nachzuahmenden Brandanschlägen. Die während der Diktatur beschafften Schusswaffen wurden jedoch behalten. Ab Mai 1975 produzierte und verbreitete ELA eine illegale, zweimonatliche Broschüre mit Gegeninformationen unter dem Titel Antipliroforisi, die auch an einigen Kiosken offen auslag.
Am 21. April 1975, dem achten Jahrestag des Obristenputsches, zogen zehntausende Demonstrant*innen zur US Botschaft in Athen, durchbrachen Polizeiabsperrungen und warfen Scheiben der Botschaft ein.
Die maoistische Gruppe E.K.K.E. reklamierte diesen Erfolg für sich und wurde dafür von Papandreou und der KKE der Provokation im Auftrag ausländischer Mächte beschuldigt. Ehemalige Mitglieder von LEA und spätere Aktivisten von 17N bezeichneten das Gebaren von EKKE als „folkloristisch und kindisch“; den Erfolg in der Auseinandersetzung mit den Bullen vor der Botschaft hatten kleine, autonome Gruppen ermöglicht, die linken Organisationen versagten beim Schutz der Demonstration, deren friedlicher Teil anschließend von der Polizei mit Gas und Schlagstöcken auseinander getrieben wurde. ELA-Militante waren bei diesem Riot anwesend und zündeten am 29. April im Hafen von Elefsina acht Fahrzeuge der US Marine an.
Am 14. Oktober fand in Athen ein Prozess gegen drei Mitglieder des Zentralrats E.K.K.E („Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenland“) sowie gegen einen 17 jährigen Schüler statt. Letzterer war angeklagt, wegen „Zerstörung fremden Eigentums und Beschimpfung einer Behörde“. Er war am 21. April 1975 in der US-Botschaft verhaftet worden und soll einen Knüppel in der Hand, den Polizeidirektor Karathanassis mit den Worten „Faschist Karathanassis, damit wirst du sterben“ bedroht haben, wofür er fünf Monate Knast bekam. Die Mitglieder der E.K.K.E. erhielten 18 Monate Gefängnis, da sie in einem Flugblatt die Aktionen gegen die US-Botschaft unterstützten.
Am 23. Juli 1975, ein Jahr nach dem Machtwechsel, kam es bei einem Generalstreik zu heftigen Straßenschlachten in Athen. Ein Supermarkt der amerikanischen Armee wurden am 10. November in der Sygrou Avenue von ELA angezündet. Der Presse war das nur eine kleine Randnotiz wert, das Bekennerschreiben „einer unbekannten Gruppe“ wurde nicht wiedergegeben.
Hinrichtung eines Agenten – 17N betritt die Bühne
Im November 1975 wurden sieben CIA Agenten durch eine Zeitung geoutet, darunter der Chef der CIA Station, Richard Welch, 46. Dieser diente seit 1951 beim CIA, von 1952 bis 1960 in Athen, danach auf Zypern während des Terrors türkischer und griechischer Faschisten gegen die Zivilbevölkerung, 1965 wurde er nach Guatemala zur Aufstandsbekämpfung geschickt, dann in Guyana zwecks Wahlmanipulation eingesetzt. 1972 war er Chef der CIA-Station in Lima, wo er im Februar 1975 verschwinden musste nachdem sein Name in der Zeitung als Organisator einer Verschwörung genannt wurde.
Welch wurde seit seinem Eintreffen in Athen am 15. Juni 1975 observiert. Vermutlich hat Welch diese Observation bemerkt, aber die Leute dem Schutz durch den griechischen Geheimdienst KYP zugeordnet. Er übernahm den Posten des Leiters der CIA-Station in Athen.
Am 23. Dezember 1975 wurde Richard Welch im elitären Viertel Psychiko von einem Kommando aus vier Leuten bei der Ankunft vor seinem Haus gestellt. Zwei Kugeln aus einem Revolver trafen ihn tödlich, sein Fahrer wurde verschont. Das Fluchtfahrzeug war einige Tage zuvor in Pangrati besorgt worden.
Mit ihrem Bekennerschreiben trat die Revolutionäre Organisation 17. November (17N) erstmals in Erscheinung. Sie propagierten eine Volksmacht und den Sozialismus. Diese Erklärung unterlag einer Nachrichtensperre, wurde aber in Exarchia verteilt. Über den Zeitpunkt der ersten Hinrichtung eines für Folter und Mord Verantwortlichen wurde spekuliert, vermutlich handelte 17N erst als das Versagen der Justiz bei der Verfolgung von Verbrechen der Diktatur offensichtlich war. Die Adresse von Welch hatten sie jedenfalls schon vor dem Outing herausgefunden. Die KKE und die Presse bezeichneten das als Provokation fremder Mächte.
Die CIA nutzte den Anschlag um Kritik an den im Zusammenhang mit Watergate aufgedeckten Skandal mundtot zu machen. Der US Geheimdienst in Athen überlegte als Vergeltung gegen 35 bis 40 Menschen vorzugehen, die im Zusammenhang mit dem Aufstand am 17. November 1973 den Behörden bekannt geworden waren.
Verschiedene Quellen weisen auf eine gelegentliche Zusammenarbeit von ELA und 17N hin, auch wenn beide Gruppen oft unterschiedliche Positionen vertraten. ELA startete eine ganze Serie von Brandanschlägen, die zwar wenig Beachtung in der Presse fanden, aber in der Bevölkerung auf Zustimmung stießen.
Die ersten Toten der „Demokratie“
Am Abend des 30. April 1976 verbreitete der 16jährige Schüler Isidoros Isidoropoulos am Omonia Platz Flyer seiner kleinen, leninistischen Gruppe. Deswegen von der Polizei gejagt, lief er vor ein Auto und wurde getötet.
Einen Tag später wurde Alekos Panagoulis von Elementen des „tiefen Staates“ in einem fingierten Verkehrsunfall ermordet, kurz bevor er verschollene Dokumente der ESA (Militärpolizei) veröffentlichen konnte, die eine Verwicklung von demokratischen Politikern in Verbrechen der Junta bewiesen hätten.
Mit diesen beiden Morden wurde die Wut in der Bevölkerung weiter angeheizt, die bereits durch Gesetzesänderungen aufgebracht war, mit denen das Parlament auf Druck der Industrie das Streikrecht im Interesse der Arbeitgeber einschränkte.
Im Jahr 1976 griff ELA neun Banken und Firmen mit Bomben an, auch Busse wurden angezündet.
Ein Folterspezialist wird hingerichtet
Der oberste Ermittler der Sicherheitspolizei (Asphalia) während der Diktatur, Evangelos Mallios, war im September 1975 in einem ersten Prozess in Athen von Foltervorwürfen freigesprochen worden, später zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein neuer Prozess brachte ihm eine kurze Haftstrafe, die er nicht antreten musste weil sich das Berufungsverfahren auf unbestimmte Zeit verzögerte. Mit ihm auf der Anklagebank saß sein Kollege Petros Babalis.
In Haft waren hingegen der Anarchist Christos Konstantinidis und drei weitere Genoss*innen wegen Ausschreitungen bei einer Demonstration für Rolf Pohle, (der von der Bewegung 2. Juni aus deutscher Haft freigepresst wurde und wegen Mitgliedschaft in der RAF verurteilt ist), der im Juli 1976 in Athen festgenommen wurde. Konstantinidis hatte bereits während der Diktatur anarchistische Publikationen verbreitet.
Der gesellschaftliche Hass gegenüber der Straffreiheit, mit der die Folterer davon kamen, drückte sich in einer Reihe von Sprechchören vor Gerichten und bei Demos aus, wie „Die Faschisten von Goudi“, „Volksprozesse gegen die Folterer“, „Vergiftet die Hunde der ESA“, „Das Volk vergisst nicht, erhängt die Faschisten“, usw.
Am 14. Dezember 1976 parkte der suspendierte Beamte Mallios sein Auto bei der Polizeistation im Athener Vorort Faliro. Seine ehemaligen Kollegen sollten verhindern, dass sein Auto angezündet wird. Die letzten Meter zu seinem Haus legte er zu Fuß zurück, als ein dunkles Fahrzeug von hinten kam und jemand Mallios mit zwei Kugeln tötete. Aus dem Fluchtfahrzeug wurden noch Blätter mit einem Kommunique geworfen.
In diesem nahm 17N Bezug auf die ermordeten Isidoropoulos, Panagoulis und Tsivika, mit denen der Staat die Bevölkerung terrorisiere. Außerdem ging es im Schreiben um den Unwillen der Justiz, die Folterer zu bestrafen und darum, dass Karamanlis ein Faschist im Dienst der USA sei. Das Volk müsse sich mit friedlichen und gewaltsamen Mitteln von den Amerikanern, von ausländischen und heimischen Kapital befreien. KKE und PASOK bezeichneten die Hinrichtung als Provokation ausländischer Mächte. Selbst ihre Mitglieder glaubten jedoch nicht an diese Verschwörungstheorie.
Es gab nicht wenige, die die Aktion des 17. November begrüßten. Zum Beispiel hat einige Tage nach der Hinrichtung von Mallios die Gruppe „Proletarische Linke“ eine Solidaritätserklärung mit 17N veröffentlicht, in der es heißt: „Unter den gegeben Umständen hat die Organisation des 17. November im Namen des Volkes gehandelt. Die Pistole die Mallios hinrichtete, wurde von den Hunderten, die durch die Diktatur getötet wurden, von den zehntausenden Gefolterten, vom ganzen Volk gehalten. Deshalb war dies der vereinte Widerstand eines ganzen Volkes.“
Bei der Beerdigung von Mallios kam es zu Salutschüssen und Pro-Junta Rufen durch uniformierte Polizisten und Ausschreitungen, ausgehend von Ultrarechten, Unterstützern der Diktatur. Unter ihnen Georgalas, Agathangelou und Michaloliakos, späterer Chef der Chrisi Avgi (Goldene Morgenröte, Golden Dawn). Die Anwesenden riefen antikommunistische Parolen und schlugen unter den Augen der Polizei auf Journalisten ein. Wenig später begann eine zweijährige Serie von 74 Bombenanschlägen gegen linke Ziele, zu der sich eine faschistische Organisation als Rache für Mallios bekannte. Damit war die These des 17N vom Parastaat bewiesen.
Kommen wir zu einem Aktivisten, der heute als Verantwortlicher von 17N im Knast sitzt: Dimitris Koufodinas.
Als 15 jähriger war Dimitris Koufodinas Augenzeuge der gewaltsamen Niederschlagung der Polytechnio Revolte 1973 gewesen. Seitdem las er aufmerksam alle politischen Publikationen und durchlief verschiedene linke Gruppen, sogar die Jugendgruppe der PASOK, als er 1977 auf ein umfangreiches Manifest der Organisation 17N stieß. 17N schlug darin kleine Zellen von Militanten vor, die bewaffnete Strukturen zur Selbstverteidigung des Volkes aufbauen sollten, die, wenn es an der Zeit wäre, in einer revolutionären Partei des Volkes aufgehen sollten. Die Hinrichtungen von Welch und Mallios waren Ausdruck dieser Strategie. Die liberale Zeitung Eleftherotypia druckte dieses Manifest ab, warnte aber davor mit solchen Hinrichtungen eine Repression zu provozieren, wie sie in Deutschland nach ähnlichen Anschlägen statt fand.
Koufodinas fand zunächst Kontakt zu ELA, deren Text „Outstanding Chemical Fertilizers“ ihn überzeugte. ELA baute damals kleine Untergruppen auf und in einem dieser Teams unter dem Namen LAS (Laiki Agonistiki Syspeirosi) startete Koufodinas eine Serie von 40 Brandanschlägen, meistens auf Fahrzeuge, beginnend mit dem Auto eines US Militärs in Exarchia. In Thessaloniki wurden vier junge Anarchisten bei einer ähnlichen Serie verhaftet.
Die Ermordung der RAF-Gefangenen in Stammheim am 18. Oktober 1977 löste in Athen und Thessaloniki Straßenschlachten mit Molotov Cocktails durch Hunderte, öffentlich als Anarchisten bezeichneter Menschen aus. Als Reaktion auf die Morde in Deutschland machten sich am 20. Oktober vier Aktivisten von ELA, darunter Christos Kasimis, in das Industrieviertel Rendis zwischen Athen und Piräus auf, um dort ein Lager der deutschen Firma AEG zu sprengen.
Bei den Vorbereitungen auf dem Firmengelände wurden sie von zwei Zivilfahndern überrascht, die Christos Kasimis überwältigen wollten. Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem Kasimis von den Bullen erschossen wurde, den drei anderen gelang, teilweise verletzt, die Flucht. Auch beide Bullen wurden angeschossen. Auf Seite der ELA war auch Christos Tsoutsouvis, der später eine Abspaltung der ELA, die Gruppe Anti-Staats Kampf, anführen sollte, an der Aktion beteiligt.
Der griechische Polizeiapparat, unverändert von der Junta-Zeit übernommen, entnahm seinen Akten, dass neben Christos Kasimis auch ein Giannis Serifis bei der Gruppe 20 O gewesen war, die damals in der militanten Opposition gegen die Diktatur aktiv war. Damals zwar freigesprochen, wurde Serifis nun für 15 Monate in Untersuchungshaft gehalten. Der lächerliche Vorwurf war: Mord am von Asphalites erschossenen Kasimis, Beteiligung an dem Anschlag auf AEG und Mitgliedschaft bei ELA oder 17N. Giannis Serifis würde für Jahrzehnte der „übliche Verdächtige“ für jeden Anschlag sein.
Von 1977 bis 1980 wurden zahlreiche Brand- und Bombenanschläge von ELA gegen Behörden, Firmen und Banken, Polizeistationen und Fahrzeuge durchgeführt. Bei einem Angriff auf die Polizeistation Zografou im Dezember 1977 unter dem Namen Christos Kasimis Revolutionary Team wird auch ELA als Ausführende vermutet.
Die ELA nahe Zeitung Antipliroforisi radikalisierte sich nach dem Tod von Kasimis. Ein Grund könnte der sinkende Einfluss linksradikaler Gruppen in den Arbeitskämpfen sein. Wo weniger Arbeiter agitiert werden können, muss auch keine Rücksicht auf die spezielle Situation in den Fabriken genommen werden – die Sprache wurde militanter.
Die griechische Regierung kündigte jetzt neue Anti-Terror Gesetze an, mit Verweis auf die Situation in Italien und Deutschland. Dagegen demonstrierten im April 1978 25.000 Menschen. Bei einer Durchsuchung in einem Gebäude wurde ein Benzinkanister, leere Flaschen und ein Buch gefunden; die Anarchisten Filippas und Sophia Kyritsis erhielten dafür neun und fünf Jahre Knast, Strafen die dem Innenminister zu gering erschienen.
Der nächste Folterer wird hingerichtet
Über die Urheberschaft einer weiteren Hinrichtung rätselten die Behörden lange Zeit.
Im Oktober 1977 wurde der Chef der Überwachungsabteilung der Sicherheitspolizei (Asphalia) während der Diktatur, Petros Babalis, nach kurzer Haft wegen der Folter von Regimegegnern freigelassen. Nach der Hinrichtung seines Kollegen Mallios durch 17N war er wachsam und trug eine Waffe bei sich. Trotzdem erwartete ihn am 31. Januar 1979 der Tod: zwei Männer vor seiner Garage richteten ihn mit acht Schüssen hin.
Ein Bekennerschreiben verwies auch auf seine fortgesetzte Tätigkeit als Berater der Polizei hin, eine faschistische Kontinuität also. Unterschrieben war diese Erklärung mit „Juni 78 Team“. Spuren in Richtung 17N wurden nicht gefunden und ELA beging unter ihrem Namen keine Hinrichtungen. Erst im Jahr 1985 würde ELA erklären, dass das Juni 78 Team ein eigens gegründetes Kommando der Gruppe war.
Bei den Straßenschlachten hatte sich besonders die 1976 gegründete MAT mit Brutalität hervorgetan. Den Aktivisten vom 17N war besonders Pantelis Petrou aufgefallen. Er hatte auch schon unter der Junta sein Handwerk verrichtet. Der Direktor der MAT hatte am Rande der Studentendemos gestanden und über sein Funkgerät Befehle zur Misshandlung von Studierenden gegeben. Am 16. Januar 1980 wurde er in der Nähe seiner Wohnung zusammen mit seinem Fahrer von einem Kommando des 17N erschossen.
Im Sommer 1979 zündete ELA zahlreiche Bomben gegen Ziele, die Bezug auf Arbeitskämpfe nahmen: Busse der Verkehrsbetriebe, Gerichte und Finanzämter, Ministerien und Arbeitgeberverbände waren betroffen. Die ebenfalls ELA zugehörige LAS, zündete derweil weiter Fahrzeuge von amerikanischen Militärangehörigen an.
Bildungsproteste erweitern den anarchistischen Raum
Am 9. August 1979 eskalierte im Zentrum Athens eine Demonstration von Arbeitern, die von der Polizei eingekesselt wurde, als Arbeiter, Studierende und Mitglieder von Parteien die Sperren durchbrachen; bei den folgenden Riots brachen die Bullen das Uni-Asyl, drangen auf das Gelände der Juristische Fakultät ein um Leute zusammenzuschlagen und festzunehmen. Am 25. Oktober besetzten Anarchisten die Chemische Universität, weitere Besetzungen führten zur Annullierung des Semesters und zur Rücknahme von Regierungsplänen einer Bildungsreform.
Bei den Straßenschlachten hatte sich besonders die 1976 gegründete MAT (Polizei-Einheit zur Wiederherstellung der Ordnung) mit Brutalität hervorgetan. Den Aktivisten vom 17N war besonders Pantelis Petrou aufgefallen. Er hatte auch schon unter der Junta sein Handwerk verrichtet. Der Direktor der MAT hatte am Rande der Studentendemos gestanden und über sein Funkgerät Befehle zur Misshandlung von Studierenden gegeben. Am 16. Januar 1980 wurde er in der Nähe seiner Wohnung zusammen mit seinem Fahrer von einem Kommando des 17N erschossen, mit der gleichen Waffe wie Welch und Mallios.
In ihrer Erklärung bezog sich 17N auf die faschistische Unterdrückung der Unruhen an den Universitäten durch die MAT und ihre aus Junta Zeiten übernommene Doktrin. Der KKE warfen sie vor, die Demonstration im Stich gelassen zu haben, als die Polizei angriff. 17N solidarisierte sich auch mit spontanen Ausschreitungen in Aghia Barbara wegen dem Rausschmiss eines Schülers und dem Abstieg einer Fußballmannschaft. Revolutionäre Gruppen müssten solche Revolten unterstützen, es sollte eine antiautoritäre Gesellschaft erkämpft werden ohne Bullen, mit bewaffneten Arbeitern und Kommunisten.
Es folgte eine Welle der Repression gegen Studierende und Publizisten linker Literatur. Und auch Namenslisten aus der Diktatur wurden erneut abgearbeitet.
Ein sehr wichtiges Ereignis dieser Zeit, das die politische und gesellschaftliche Dynamik der Subjekte des Widerstands ebenso zeigt wie die Grausamkeit der politischen Machthaber, war die Demonstration am 17. November 1980, dem siebten Jahrestag der Revolte im Polytechnikum, also dem Ereignis, das eigentlich die politischen Entwicklungen dieser Zeit definierte. In jenem Jahr hatte die Regierung verboten, dass die Demonstration zur US Botschaft zieht. Die Jugendorganisationen wie auch die Studentenorganisationen, die von den kommunistischen und sozialistischen Parteien kontrolliert wurden, hielten sich an das Verbot; linksradikale Organisationen, die zu der Zeit sehr stark waren, entschieden sich jedoch für den Versuch, die Demonstration weiter zur US Botschaft zu führen.
Am Abend des 17. November 1980 sahen sich also Tausende von Demonstranten in der Straße neben dem Parlament, die zur Botschaft führt, einem äußerst starken Polizeiaufgebot gegenüber. Die Versuche der ersten Reihen, bestehend aus Linksradikalen, zur Botschaft durchzubrechen, wurden mit einem massiven Angriff der Sicherheitskräfte beantwortet, der die Menge zerstreuen sollte. Doch trotz der Polizeiangriffe gab es starken und dauerhaften Widerstand von mehreren Tausend Menschen, Jugendlichen und Arbeiter, Anarchisten und Autonomen, die im Athener Stadtzentrum Barrikaden errichteten – Barrikaden die von den Bullen mit gepanzerten Fahrzeugen geräumt wurden. Vor dem Parlament erschlugen Polizisten den 26 jährigen Iakovos Koumis und mit achtzehn Knüppelhieben die 20 jährige Stamatina Kanelopoulou, beides Mitglieder von linksradikalen Organisationen. Hunderte wurden verletzt, zwei Menschen wurden von den Bullen angeschossen. Zum Schluss flüchteten die Menschen in den Schutz des Asyls auf dem Polytechnio.
Während der Ausschreitungen wurden viele kapitalistische Ziele angegriffen und geplündert, darunter Kaufhäuser, Juweliere und dergleichen. Diese Art von Angriffen, die eine der ersten Äußerungen einer großstädtischen Gewalt waren, die sich nicht nur auf die Polizei richtete, sondern auch gegen Symbole von Wohlstand, wurden sogar von den Linken verurteilt, deren politische Kultur nur die Polizei als legitimes Ziel anerkannte. Doch eine neue Form metropolitaner Gewalt hatte sich gezeigt. Neben der Beteiligung an den Konfrontationen mit der Polizei zerstörten und plünderten Demonstrant*innen kapitalistische Ziele, und genau das wurde von den Linken verurteilt.
Nach dieser Phase wurde die Folter während der Junta verdrängt, im Gegensatz zu lateinamerikanischen Diktaturen. Das könnte daran liegen, dass in Griechenland weniger Menschen ermordet wurden und daran, dass die Überlebenden, von denen alle gefoltert wurden, oft der Folter nicht standgehalten und ausgesagt hatten. Daran wollten die wenigsten später erinnert werden. In Chile sah die Sache anders aus. Pinochet kam mit Hilfe der CIA an die Macht, als sich schon die Krise der griechischen Obristen abzeichnete. Als Lehre aus dem Widerstand in Griechenland und anderen Diktaturen ermordeten die chilenischen und z.B. auch die argentinischen Regime die Menschen nach der Folter und ließen sie verschwinden. Es blieben Angehörige auf der Suche nach den Opfern. Das Trauma, unter Folter Aussagen gemacht zu haben kollektivierte sich nicht so sehr in einem Verdrängungsprozeß.
Zwischen Stadtguerilla und Punk – Die anarchistische Bewegung im Athen der 80er Jahre
Gegen Ende der 70er Jahre war Christos Tsoutsouvis eine zentrale Figur bei ELA. Nach einem Studienaufenthalt in Österreich war er 1975 nach Griechenland zurückgekehrt und dann von der Bildfläche verschwunden. Im Oktober 1977 gehörte er zu dem Kommando, welches als Reaktion auf die Morde an den Gefangenen in Stammheim einen Bombenangriff auf AEG in Athen durchführen wollte, dabei war der ELA – Mitbegründer Christos Kassimis erschossen worden (s.o.).
Tsoutsouvis war an der Zeitung Antipliroforisi beteiligt und an zahlreichen Kommandoaktionen. Im Gegensatz zu vielen anderen ELA Mitgliedern vertrat er eher anarchistische Positionen. Seine Vorschläge zur Finanzierung der Gruppe, nämlich Banküberfälle durchzuführen, konnten sich nicht durchsetzen weil die eher marxistisch orientierte Mehrheit dadurch eine Entfremdung von den Massen befürchtete. Diese Meinungsverschiedenheiten spiegelten sich auch in Antipliroforisi wieder, wo dem Milieu der anarchistischen Drop-Outs und kriminellen Gegenkulturen als Basis revolutionären Potentials, mehrere Artikel gewidmet wurden.
Im Januar 1980 verließ Christos Tsoutsouvis ELA und formierte ein neues Team, wobei er viele Aktivisten mit zog. Dimitris Koufondinas, zu diesem Zeitpunkt beim ELA Ableger LAS aktiv, verabschiedete sich auch, nicht ohne vorher drei Siemens Lastwagen zu verbrennen. Seine neue Gruppe, Revolutionäre Linke, griff Energieversorger und Fahrzeuge der US Militärbasen an, sie wollten die bewaffnete Bewegung durch polymorphe, militärisch-politische Aktionen upgraden.
Die Erklärungen von Revolutionäre Linke endeten mit einem Slogan den auch die Gruppe 17. November benutzte: „Für Volksmacht und Sozialismus.“
Im Dezember 1980 wurden im Zentrum Athens die beiden größten Kaufhäuser durch Brände zerstört, verantwortlich erklärte sich das bis dahin unbekannte Revolutionäre Team Oktober 80 (O80). Christos Tsoutsouvis wird von einigen Quellen die Gründung dieser Gruppe zugeschrieben, die in ihrer Erklärung zu den Brandanschlägen ausführte:
„Lasst uns alles was wir nicht enteignen können oder wollen zerstören, es dient nur dem Profit der Bosse.“
Der Anschlag war nicht unumstritten, weil er 1300 Angestellte arbeitslos machte, die Bullen holten sich zahlreiche Anarchist*innen dafür zum „Verhör“.
Oktober 80 verstand sich nicht als traditionelle bewaffnete Organisation und erklärte nach weiteren Bombenanschlägen: „Niemand wurde je durch Aktionen von anderen befreit.“ Die Gruppe soll sich durch Texte von Alfredo Bonanno inspiriert gefühlt haben, die damals ins Griechische übersetzt wurden.
Auch das Jahr 1981 wurde von zahlreichen Bomben- und Brandanschlägen in Athen geprägt, die einen hohen Druck auf die Polizeiführung auslösten.
ELA hatte sich zu einigen bekannt, aber sich auch von anderen, insbesondere auf Anschlagsserien gegen Supermärkte, distanziert. Kopien von Oktober 80 Erklärungen zirkulierten im anarchistischen Milieu und wurden auch zwei Schwestern und befreundeten Anarchisten zum Verhängnis, bei denen diese Papiere gefunden wurden. Sie landeten für mehrere Wochen in Untersuchungshaft.
Auch die Gruppe 17. November kritisierte Brandstiftungen an aus ihrer Sicht nicht vermittelbaren Zielen. In den Blättern der Bewegung und der bürgerlichen Presse wurde dieser Diskurs ausgetragen. Kleine Zusammenhänge zündelten ebenso in Athen, wie zum Beispiel im Mai 1981 im Viertel Pangrati einen Bus der Firma Grundig als Reaktion auf den Tod von Sigurd Debus nach seinem Hungerstreik im Hamburger Knast.
In dieser Phase von öffentlichen geführten Richtungsstreitereien zwischen 17N und ELA sowie O80, fiel der Wahlsieg der PASOK mit ihrem Kandidaten Andreas Papandreou. Der kündigte ein Kabinett an, in dem viele Posten von ausgewiesenen Gegnern der Obristen Diktatur (1967 – 1974) besetzt wurden. Der Erziehungs- und der Marineminister hatten bei den Attentatsplänen von Panagoulis gegen Junta Chef Papadopoulos eine Rolle gespielt, Landwirtschaftsminister Kostas Simitis hatte 1969 an der Bombenkampagne einer demokratischen Gruppe teilgenommen. Der Innenminister hatte Militante vor den Gerichten der Junta verteidigt. Die neue Regierung erlaubte exilierten Kommunist*innen des Bürgerkriegs die Rückkehr und liberalisierte einige Punkte im Bildungsbereich. Die anarchistischen Gefangenen Filippas Kyritsis, Kyriakos Moiras und Giannis Skandalis wurden freigelassen. Allerdings stürmte die MAT den Knast in Korydallos um eine Revolte niederzuschlagen und brach auch im Januar 1982 die Waffenruhe in Exarchia, indem sie Häuser räumte und einen bekannten Anarchisten für das Schlagen eines Zivilbullen verhaftete.
Außenpolitisch hatte PASOK den Wahlsieg mit einer starken Rhetorik gegen NATO und EU-Richtlinien gewonnen. Zwar stimmte Griechenland in einigen Gremien zur Wut seiner Verbündeten nicht konform, hinter den Kulissen änderte sich aber nichts an der Bündnistreue.
17N erklärte, ihre Operationen wegen dem anti-imperialistischen und demokratischen Regierung-programm von PASOK auszusetzen.
ELA zündete zunächst noch einige Bomben, verstummte dann aber. Ihre Zeitschrift Antiplirofsiri wurde eingestellt, es erschien aber noch eine lange Abhandlung u.a. über Bombenbau, Erste Hilfe Techniken und Riot Taktiken. Auch Texte der anarchistischen Gefangenen Bouketsidis und Pisimisis wurden abgedruckt, die ein Abrücken der Soligruppen von Unschuldskampagnen für die Freilassung der Gefangenen forderten.
1989 würde ELA die politische und organisatorische Mitverantwortung für ein halbes Dutzend kleinerer und temporärer Zusammenschlüsse übernehmen, die Anfang der 80er Jahre in Athen und Thessaloniki zu verschiedensten Themen aktiv waren.
Punk und Anarchie als Jugendbewegung im Stadtteil
Zwischen 1978 und 1980 entstand die Bewegung der Hausbesetzungen in Griechenland vom Athener Stadtteil Exarchia ausgehend. Grund genug für die Zeitung Rizospastis, Zentralorgan der KKE (Kommunistische Partei Griechenlands), das Viertel als Raum von Angst und Schrecken zu verunglimpfen, in dem Anarchisten ihre Gesetzlosigkeit mit Drogen und einem american way of life ausüben würden, als Provokateure im Auftrag der abwesenden Polizei die Platia besetzen würden.
Galten die 70er Jahre als Vorboten einer Revolution, waren die 80er in Exarchia von ständigem Aufstand geprägt. Zunächst hatte sich Viele der erste Generation der Anarchist*innen zurückgezogen, frustriert von den Befriedungsstrategien von PASOK und KKE. Die nächste Generation war aggressiver und gewalttätiger, plötzlich lungerten Punks auf den Plätzen herum. In dieser Phase wurde der exzessive Gebrauch von Molotow Cocktails auf Demonstrationen populär.
Außer den Kommunisten glaubte niemand diesen Lügen, stürmten doch die Bullen am 8. April 1980 eine bekannte Taverne im Viertel, verhafteten 100 Menschen und beendeten das Musikprogramm wegen kritischen Texten. Zu diesem Zeitpunkt startete die Regierung eine „Anti-Terror“ Kampagne, die sie mit der Verbreitung von Heroin begleitete, was unter den Jugendlichen nicht wirkungslos blieb. Ein Versuch, anarchistische Gruppen aus Athen, Thessaloniki, Patras, und Agrinio in einer Föderation zu organisieren, scheiterte.
Galten die 70er Jahre als Vorboten einer Revolution, waren die 80er in Exarchia von ständigem Aufstand geprägt. Zunächst hatte sich Viele der erste Generation der Anarchist*innen zurückgezogen, frustriert von den Befriedungsstrategien von PASOK und KKE. Die nächste Generation war aggressiver und gewalttätiger, plötzlich lungerten Punks auf den Plätzen herum. In dieser Phase wurde der exzessive Gebrauch von Molotow Cocktails auf Demonstrationen populär. Als im September 1981 Rory Gallagher sein legendäres Konzert in Athen gab, wollten 40.000 Menschen in das Fußballstadion im Viertel Nea Filadelphia. Die Bullen hatten mit viel weniger Besucher*innen gerechnet und reagierten hektisch. Anarchist*innen waren involviert als stundenlange Krawalle ausbrachen, die sich gegen die Bullen und Shops richteten. Mit dem Erzwingen freien Eintritts entstanden Verbindungen zu „unpolitischen“ Leuten und eine längere Phase kostenloser Konzerte begann.
Punks waren die neuen Feinde für die Presse und die Medien propagierten eine Säuberung der Gegend, was auch angeblich die „normale“ Bevölkerung fordern würde. Einer dieser besorgten Bürger war Makis Voridis, der 1984 von der Vereinigung der juristischen Studierenden ausgeschlossen wurde und die Führung der faschistischen EPEN Jugendbewegung übernahm. Später wurde er Minister einer ND-Regierung.
Im Vorfeld des jährlichen Gedenken an den Polytechnio Aufstand wurde im November 1983 das Büro von Rizospaszis, das Sprachrohr der KKE von Anarchist*innen angegriffen und zerstört, aus Solidarität mit dem Widerstand von Arbeitern in Polen gegen das stalinistische Regime. Am Folgetag demolierten sie die Kammer für Technische Beratung der Regierung.
Exarchia wird Experimentierfeld für Aufstandsbekämpfung – neue Bulleneinheiten und Bürgerwehren aus Blockwarten werden von PASOK (sozialistische Regierungspartei) ins Rennen geschickt. Der Säuberungsplan für Exarchia beginnt am 28.9.1984 – hundert uniformierte Bullen und Zivis marschieren ein, verhaften wahllos Punks und Jugendliche auf den Straßen und Plätzen Exarchias. Diese Einsätze finden nun praktisch täglich statt und am 1. Oktober 1984 fangen die Leute an sich zu wehren. Mit der Razzia beginnt auch eine Straßenschlacht als die Bullen das VOX Kino angreifen.
Am 17. November 1984 sollte ein Konzert „against state repression“ auf dem Gelände des Polytechnio stattfinden, welches im letzten Moment vom Rektor verboten wurde. Ähnliches war auch schon auf Betreiben der KNE in der ASOEE Universität passiert und hatte dort zu Auseinandersetzungen mit Stalinisten und Bullen geführt. Auch jetzt kam es wieder zu massiven Ausschreitungen.
Ein Höhepunkt der anarchistischen Bewegung war im Dezember 1984 der Sturm auf das Caravel Hotel im Zentrum Athens. Dort wurde eine Konferenz der europäischen Rechten ausgetragen, zu der auch Le Pen aus Frankreich eingeladen war. Zum ersten Mal formierte sich eine Demonstration ausschließlich aus Anarchist*innen. Es waren Tausende, die das Hotel angriffen und damit die Absage der Konferenz erzwangen. Für die Demonstrierenden war es ein Aufbruch in eine neue Phase weil sie bewaffnet und gut ausgerüstet auftraten und das nicht spontan sondern geplant.
Die folgenden zwei Jahre, nachdem die MAT (Einheit zur Wiederherstellung der Ordnung) so auf der Platia Exarchia erschienen ist, war die Gegend geprägt von Zusammenstößen und einem Klima der Gewalt; eine Zeit in der kein Stein fest an seinem Platz blieb, Molotows flogen als das Viertel durch seine Menschen leidenschaftlich verteidigt wurde. Ständige Angriffe auf die Busse der MAT in der Stournari Str. und Harilaou Trikoupi Str. (die gleichen Orte wo sie auch heute noch stationiert sind und angegriffen werden) durch kleine, gut organisierte Gruppen. Im Frühjahr 1985 ist der vorläufige Höhepunkt der Repression erreicht, am 27. April 1985 regnet es Molotovs auf die Bullen, als diese wieder im Viertel wüten, Menschen in Shops zusammenschlagen und acht Personen verhaften.
Eine anarchistische Zeitung ruft für den 9. Mai zu einer Demo auf, Motto: Die Bullen sollen aus Exarchia verschwinden. Trotz Demoverbot sammeln sich die Leute und werden von der MAT zerschlagen. Vierzig Menschen flüchten darauf in die Chemische Universität und besetzen diese bis zum 13. Mai.
Ein Großaufgebot der Bullen belagert das Viertel und riegelt es ab, Faschisten tauchen am Rand auf und unterstützen die Bullen. Nach einer großen Demonstration antiautoritärer Gruppen zur Chemischen Fakultät, kommen die Besetzer*innen heraus.
Die Ermordung von Michalis Kaltezas
Ein weiteres Ereignis sollte für den Stadtteil und seine Bewohner*innen prägend werden. Wie jedes Jahr fielen am 17. November 1985 Bullen in das Viertel ein, um Proteste anlässlich des Jahrestages des Polytechnio Aufstands zu unterdrücken. In diesem Jahr nahmen daran nicht so viele Anarchist*innen teil, diese zerstörten aber das Büro der South African Airlines aus Protest gegen die dortige Apartheidsregierung. Es entwickelten sich Zusammenstöße mit Bullen Einheiten um das Polytechnio herum. Dabei wurde der 15-jährige Michalis Kaltezas in der Stournari Straße ermordet.
Er wurde während der Auseinandersetzungen vom Polizeibeamten Melistas erschossen. Sofort wurde die Chemische Universität besetzt, zu deren Erstürmung durch die Bullen der Unipräsident am nächsten Tag die Erlaubnis gab. Wer den Bullen in die Hände fiel wurde misshandelt, einige Leute konnten durch die Kanalisation entkommen. Es folgten tagelange Unruhen mit den Spezialeinheiten des demokratischen Regimes, auch in Thessaloniki.
Zum ersten Mal seit 1976 wurde ganz Athen von der MAT im Tränengas erstickt. Die Zusammenarbeit von Bullen und Faschisten wurde überdeutlich und die Leute verloren jedes Vertrauen in PASOK.
Als Vergeltung griff die Revolutionäre Organisation 17. November am 26.11.1985 einen Konvoi von MAT-Bussen an, der sich von der Station der Spezialeinheiten in Kaisariani auf den Weg nach Exarchia machte. In Höhe des Caravel Hotels schickten drei Männer die Passanten weg, dann explodierte eine ferngezündete Autobombe neben dem Polizeikonvoi. Ein MAT Bus wurde völlig zerstört, wobei einer der Bullen getötet und 15 weitere verletzt wurden.
Ein Auszug aus dem Bekennerschreiben von 17N:
„Der Mord an dem 15jährigen Schüler Michalis Kaltezas enthüllte die tragische Wahrheit der heutigen griechischen Gesellschaft, ihre politische und gesellschaftliche Schläfrigkeit. Er zeigt, dass die dem Faschismus immer näher kommende PASOK schlimmer ist, als wir dachten.
So passierte das Tragische, dass eine Gesellschaft einen 15jährigen Schüler durch ihre eigenen Leute ermordet – eine der schlimmsten Gewalttaten – es gibt nicht nur keine Reaktion aus breiten Teilen der Bevölkerung, sondern verschiedene Regierungsorgane und Parteien verbreiten auch Mythen, um den Mord zu entschuldigen. Mythen, die zum gesellschaftlichen Faschismus führen.
Der Schüler kann kein Anarchist gewesen sein, auch kein Kommunist oder Linker, weil man in seinem Alter noch keine festgesetzte Meinung hat. Er war ein Jugendlicher, der sich Gedanken macht. Er war unschuldig – und eine Gesellschaft, die statt Lösungen für seine Probleme zu suchen, ihn erschießt, ist keine Demokratie. Die Einzigen, die sonst noch 15 jährige ermorden, sind Pinochet und Südafrika.
Michalis soll einen Molotov Cocktail geworfen haben. Zeugen sagen, dass es nicht stimmt, sondern dass der Polizist ihn einfach so erschossen hat und auf ihn gezielt hat. Was bestätigt wird, wenn man weiß, dass er zu den besten Schützen der internationalen Mannschaften gehört.
Aber dieser Mythos funktioniert nur zusammen mit der Theorie, dass die Aufgabe der Polizei nicht darin besteht, die Gesetzesbrecher festzunehmen und sie der Justiz zu übergeben, sondern dass ihre Aufgabe die direkte Strafe ist. Der Mord an dem 15jährigen ist kein Zufall. Er kommt nach den Morden an Koumis und Kanelopoulos im November 1980, den zehnfachen Schießereien von Seiten der Polizei gegen motorradfahrende Jugendliche, der Verletzung von 3 Jugendlichen im Mai 83 bei einem Rockkonzert, der schweren Magenverletzung eines 16jährigen durch Schüsse, der von der Polizei angehalten wurde und weiter fuhr,den Schüssen auf einen 14jährigen, der aus einem Heim abgehauen war, den Schüssen auf einen 17jährigen, der versucht hatte, eine Apotheke zu beklauen, und der Ermordung einer englischen Touristin während einer Personenkontrolle.
Die Regierung ist verantwortlich für die Methoden der Polizei, die nicht davor zurückschreckt, Jugendliche für kleine Straftaten zu erschießen. Und diejenigen, die unsere Tat erschreckend finden, sollten uns sagen, was sie gemacht haben, um die Verhältnisse zu ändern.
Aber dieser Mord war ein Manöver, um von den Auseinandersetzungen am 17.11. abzulenken, um die brutalen Einsätze von Polizei und Militär zu decken. Diese Auseinandersetzungen sind nicht durch den Mord entstanden, aber genau wie in England sind die Ausgangspunkte immer Kleinigkeiten wie Personalienfeststellung usw. Der wahre Grund sind die großen gesellschaftlichen Klassenunterschiede in Griechenland, die Wirtschaftskrise, die neuen Maßnahmen, die Arbeitslosen und die aussichtslose Zukunft der Jugend.
Diese Arbeitslosen sind keine Anarchisten, es sind unorganisierte Linke. Die organisierten Anarchisten glänzen durch ihre Abwesenheit. Sie verbrachten ihre Zeit mit verbalen Auseinandersetzungen im Gebäude des Polytechnio und versuchten, die Kämpfe zu verhindern.
Unsere Bombenanschlag gegen den Bus ist eine Antwort auf den Mord, eine Antwort auf die milde Strafe für den Mörder, eine Antwort auf die Tatsache, dass die einzigen, die auf den Mord regierten, zusammengeschlagen und festgenommen wurden.
Für die Volksmacht und den Sozialismus! Der Kampf geht weiter!
Athen, den 26.11.1985“
Die Bedeutung der Demonstration am 17. November schwankte in den nächsten Jahren ständig, 1986 war es einer der größten anarchistischen Blöcke, in diesem Jahr wurden neue Versuche unternommen die anarchistische Bewegung zu einigen. Das scheiterte aber und der anarchistische Raum blieb fragmentiert. 1987 begannen dreitägige Unruhen schon mit der versuchten Kranzniederlegung von Regierungsvertretern auf dem Unigelände und 1989 beteiligten sich nur wenige Anarchist*innen an diesem Block.
Zum Jahreswechsel 85/86 schrieben die Zeitungen vom „Staat von Exarchia“, der als Ort der Prostitution, Kriminalität und Drogen dargestellt wird, wofür Anarchisten verantwortlich wären.
Als am 17. Februar 1986 Anarchisten eine Gruppe von Heroindealern vom Exarchia Square vertreiben, werden sie von Bullen verhaftet, die auf die Hilfe der Dealer bei der Zerstörung der sozialen Beziehungen angewiesen sind.
Konfusion bei Bombenkampagnen
Nachdem vielen Militanten klar wurde, dass eine PASOK Regierung nicht ihre Wahlversprechen umsetzen wird, stieg die Zahl der Bombenanschläge rapide an. Für Verwirrung sorgt, dass viele neue, kleinere Zusammenschlüsse aktiv wurden, aber sowohl 17N als auch ELA unterhielten Bomben Teams, die unter anderem Namen operierten. Teilweise wurde sich später dazu bekannt oder entsprechende Behauptungen der Presse zurückgewiesen. Dadurch wurde immer wieder Spekulationen über False Flag Operationen neue Nahrung gegeben. Die meisten Stadtguerilla Gruppen dieser Zeit waren marxistisch und anti-imperialistisch orientiert, sie glaubten an die zu gewinnende Volksmacht und besonders 17N und ELA griffen regelrecht in den Wahlkampf 1989 ein, als Papandreou wegen Korruption abtreten musste. Doch am Horizont schien bereits der verstärkte Einfluss der Anarchie auf, diese hatte bei der Massenmilitanz die Bedeutung von Maoisten, Trotzkisten und sektiererischen Linken zurückgedrängt. Daraus ergibt sich auch das Bedürfnis von 17N in ihrer Erklärung zum Anschlag auf den MAT Bus im November 1985 gegen die Anarchisten zu schimpfen. Allerdings war es auch die marxistische Gruppe 17. November, die im Februar 1985 den Zeitungsherausgeber Nikos Momferatos liquidierte, der während der Junta als Industrieminister diente.
ELA verdächtigte ihren Dissidenten Christos Tsoutsouvis hinter der Gruppe Anti-Militär Kampf zu stehen, die sich im März 1983 zur Erschießung des Herausgebers einer rechten Zeitung bekannte. Tatsächlich war Tsoutsouvis in verschiedensten Bomben Teams aktiv und überfiel auch zu deren Finanzierung Banken.
Mit Sicherheit gehörte Christos Tsoutsouvis zur Gruppe Anti-Staats-Kampf, die am 1. April 1985 den Staatsanwalt Theofanopoulos erschoss. In ihrer Erklärung schrieben sie dazu:
„Heute übernehmen wir die Verantwortung für die Hinrichtung des Staatsanwaltes Theofanopoulos.
Die Hinrichtung was für ihn das traurige Ende einer noch traurigeren und schädlichen Lebensbestimmung, die er selbst getroffen hat und so sich auch für sein Ende entschied. Er war keine x-beliebiger Staatsanwalt. Gedeckt durch die Sicherheit, die ihm der Schutz der Polizeirevolver und die Gesetze gewähren, wurde er in einem solchen Maße dreist und überheblich, dass er auch Abscheu in einem Teil des Justizapparates hervorgerufen hat. Er war ein Söldner, der nicht zögerte, andere Menschen mit absoluter Kälte ins Gefängnis, unter die Folter und sogar in den Tod zu schicken. Er hat sich das Recht herausgenommen, über Leben und Schicksal anderer Menschen zu entscheiden, ein Recht, das wir ihm heute geraubt haben. Er forderte und nahm die Urteile im Namen des öffentlichen Interesses und versuchte so, davon zu überzeugen, dass die Interessen aller identisch seien mit denen der Arbeitgeber und des Staates, dem dieser Elende diente.
Ihr alle, Bullen, Richter, Zeitungen, Parteien und Minister, werdet morgen schreien, dass die Demokratie ins Wanken gerät, die Terroristen vernichtet werden müssen, die Spitzel ihre Arbeit nicht gut genug machen und dass die gesellschaftliche Ruhe gestört ist.
Wir werden auch nicht auf die gesellschaftliche Ruhe Rücksicht nehmen, die sowie so nie bestand. Wir werden uns nicht an sie halten, weil wir an dem Krieg teilnehmen wollen, der euren Schlaf in einen Alptraum verwandeln wird, außerhalb der Gesetze und gegen die Gesetze der Unternehmer und des Staates. Wir werden unser Schicksal und unsere Leben in die eigenen Hände nehmen.“
Diese Gruppe wurde auch beschuldigt, wenige Wochen später beim Überfall auf einen Geldtransport, einen Bullen und einen Security erschossen zu haben. Am 15. Mai 1985 observierten Fahnder aus einem Auto heraus im Stadtteil Gyzi ein gestohlenes Motorrad. Als zwei Verdächtige auftauchten, kam es zu einem Schusswechsel bei dem alle drei Bullen getötet wurden und ein Verdächtiger entkam. Christos Tsoutsouvis blieb tödlich getroffen liegen. Der lebte seit 1981 im Untergrund und war in Exarchia ein angesehener Kämpfer. Ihm zu Ehren kam es in den folgenden Tagen in den größeren Städten Griechenlands zu schweren Ausschreitungen.
ELA gab eine Woche später folgende Erklärung ab:
„Am 15. Mai um 16.30 hat in der Amfikiliastraße im Stadtteil Gyzi ein Gefecht zwischen einer Gruppe Kämpfer und den Organen der innerstaatlichen Unterdrückung, B. Bura, G. Degeni und G. Georgou, stattgefunden. Die bewaffnete Auseinandersetzung entstand aus einer den Kämpfern gestellten Falle und aus der hinterhältigen und verbrecherischen Frechheit der Sicherheitsorgane heraus, als sie versuchten, die beiden Kämpfer zu ermorden.
Der Kämpfer Christos Tsoutsouvis wurde im Alter von 32 Jahren getötet – von den frevelhaften Kräften, welche die bewaffneten Staatsapparate des kapitalistischen-imperialistischen Systems einsetzen, um sich vor dem Klassen- und revolutionären Kampf zu schützen, der gegen sie geführt wird. (…)
Der Kämpfer Christos Tsoutsouvis wurde 1976 Mitglied des Revolutionären Volkskampfes – ELA – und nahm über mehrere Jahre an seiner gesamten revolutionären politischen Praxis teil. 1980 trat er aus dem ELA aus, um seinem eigenen Ziel zu folgen, dessen politischer Charakter nicht mit der ideologischen und politischen Praxis des ELA zusammen ging.
Vor dem politischen Wechsel von der Junta-Regierung zur Regierung von Karamanlis am 27.7.1974 und den letzten zwei bis drei Jahren der Junta – Diktatur (seit er 19 Jahre alt war), beteiligte er sich an der Aktivität einer politischen Gruppe des revolutionären Widerstands, die ganz sicher auf keinen Fall eine Gruppe der damaligen ‘Gesamtgriechischen Befreiungsbewegung’ (PAK) gewesen ist, weil PAK im Wesentlichen bloß ein oppositioneller Apparat einer innenpolitischen Partei war. (…)
Nach der Diktatur setzte der Kämpfer Christos Tsoutsouvis seine politische Praxis unter den neuen politischen Verhältnissen fort und arbeitete in verschiedenen politischen Initiativen mit, welche die Neugestaltung der Volks- und revolutionären Bewegung in unserem Land zum Ziel hatten. Er nahm direkt und indirekt an vielen Aktionen der revolutionären Volksgewalt gegen das kapitalistische – imperialistische Regime teil. Er arbeitete an vielen verschiedenen Punkten vom Gruppen mit politischer Initiative mit und half bei der publizistischen Tätigkeit sowie in der übrigen politischen Praxis von Gegenöffentlichkeit in den Jahren 1977 – 1980. In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1977 war er Teil der ELA – Gruppe, die das Fertigwarenlager und die Büros der multinationalen Firma AEG in Brand setzten versuchte. Das Ziel dieser Aktion war die Unterstützung der deutschen revolutionären Kämpfer, welche die westdeutsche Regierung ermordet hatte, und zugleich ein konkreter Schlag gegen eine der wichtigsten Stützen des kapitalistisch – imperialistischen Regimes, was die multinationale Firma ist. Während dieser Aktion kann es zu einem bewaffneten Zusammenstoß mit den Organen der staatlichen Unterdrückung, K. Plessa und I. Stergiu, der den Tod des Gründungsmitglied der ELA, Christos Kassimis, zur Folge hatte.“
Tsoutsouvis stand für eine Verschiebung inhaltlicher Schwerpunkte der Stadtguerilla Gruppen von einer anti-imperialistischen zu eher sozialrevolutionären Praxis. Das wurde nicht von allen Militanten unterstützt, ein Brandanschlag am 15. Juni 1986 auf das Büro der Regierungspartei PASOK, zu dem sich eine Anarchistische Aktion bekannte, war die Ausnahme.
Der üblichen Tradition entsprechend, sich nach getöteten Genossen zu benennen, bekannte sich zu den Bombenanschlägen auf das Ministerium für soziale Ordnung und das Polizeirevier in Gyzi am 25.8.87 eine Gruppe ‚Christos Tsoutsouvis‘. Die Erklärung, die sie in einem Papierkorb in der Patisionstraße hinterließen, hatte folgenden Wortlaut:
„Der Mord an G. Stamatopoulos macht deutlich, daß selbst der letzte Bulle das Recht hat, über Tod oder Leben zu entscheiden. Da er und seinesgleichen mit den Wertevorstellungen des provinziellen Kleinbürgertums und Cowboy Allüren gesäugt wurden und beeinflußt sind von den amerikanischen Serien wie Hillstreet , Kojak, Kid, glauben sie, daß sie die Ungeheuer und Verbrecher der griechischen Unterwelt zähmen könnten, diejenigen, die mit 15 Jahren die Umerziehungsanstalten schwänzen, Kuluri Verkäufer , Kleinhehler, Bettler, Rocker, kleine Einbrecher.
Treu der Traditionen von Mallios , Babalis und Karathanasis zögern sie nicht, auf Demonstrationen zu schießen, Bürger zu verfolgen und überhaupt jeden erdenklichen Menschen zu terrorisieren. Die neurotischen Würmer mit dem Dienstrevolver repräsentieren nicht nur den Charakter der Sicherheitsbehörden sondern auch den persönlichen Charakter des neuen Menschentyps den sie herziehen: Den Bullen.
Die Gesellschaft, die sich die Herrschenden ausmalen, kann sich nur auf solche Menschen stützen. Die Bullen sind die Leute, die sich mit der Brutalität der Menschenunterwerfungsmechanismen Identifiziert haben. Sie sind in Ihrer Barbarei die Menschenwärter der morgigen Dachaus, die Hunde der Bouboulinastraße , die heutigen Folterer in den Polizeirevieren. (…)
Wir sind nicht nur gekommen, um die Morde der Bullen an den Bürgern zu rächen, sondern auch um den letzten Bullen davon abzuhalten, die Pistole zu ziehen, denn wir kennen keine höheren oder niederen Bullen, weder Bullenfrauen noch Bullenfamilien, da sie bewiesen haben, daß sie wie Furien in Häuser eindringen, Kinder, Frauen und Alte foltern und töten.
Bewaffnete Organisation Christos Tsoutsouvis“
Im Milieu dieser Militanten bewegte sich Michalis Prekas, ein Anarchist und Unruhestifter aus der Unterschicht. Am 1. Oktober 1987 wurde er im Viertel Kalogreza bei einem Schusswechsel mit Bullen getötet als er sich auf der Flucht vor einer Spezialeinheit in einem Haus verbarrikadierte. Seine Begleiter Christoforos Marinos und Klearchos Smyrna wurden festgenommen. Danach behaupteten die Bullen ihn als Beteiligten an verschiedenen Anschlägen unterschiedlicher Gruppen identifiziert zu haben, u.a. am Bombenanschlag auf eine AEG Niederlassung in Solidarität mit Gefangenen der RAF in Deutschland. ELA gab später eine Erklärung für Prekas ab, die eine Verbindung zu anarchistischen Strukturen nahe legt.
Der korrupte Premierminister Andreas Papandreou (PASOK) wurde nach etlichen Skandalen vom Parlament aus dem Amt gedrängt, vorgezogene Neuwahlen sollten die Nachfolgepartei der Junta, Nea Demokratia, an die Macht bringen. Diese bediente sich dafür der KKE, die im Wahlbündnis Synapsismos der ND zur Regierungsübernahme verhelfen wollte. Das Wahlergebnis im Juni 1989 ließ nur eine absurde Koalition aus ND, KKE und PASOK zu, so dass die Demokratie weiter an Ansehen verlor. ELA und 17N hatten im Wahlkampf mehrere Richter, Staatsanwälte und Politiker getötet oder verletzt und Bomben gegen Behörden gerichtet. Ihre Erklärungen plädierten für Wahlboykott, korrespondierten aber mit den Artikeln einer empörten Zeitungslandschaft und stellten dadurch eine Art Wahlbeteiligung der Stadtguerilla dar.