Jennifer Bennett
In der AMC Serie The walking dead, welche seit 2010 produziert wird, stellt sich im Verlauf der Handlung bald heraus dass die Zombies von den Mensch gebliebenen Protagonist:innen schnell direkt ins Hirn getroffen werden müssen. Andernfalls wird mensch zerfleischt und endet selbst zum Zombie geworden, in der nicht endenden Repetition, Lebendiges töten zu müssen. Mit dem Schreiben dieses Textes bin ich bereits Teil des Zombie Schauspiels, selber zum Zombie gewordene Argumentierende, mich selber und andere zerfleischende Abstrahierende.
Die kollektive Erinnerung ist geprägt durch gruselige Protagonist:innen, projiziert in eine Zeit, die immer auch Gegenwart ist, aber als Metapher im Davor oder Dahinter platziert. Die Deutung der Zeichen kann nur der Geist übernehmen, das materielle Sein bleibt gebunden an das langsame, transformatorische Nagen der Zeit, und nur was trocken und hart, jegliche Elastizität einbüßt, bricht.
Franco Bifo Berardi schreibt in seinem Buch „Futurability“ von 2019: „Der Schizo ist in der Tat die Person, die die Fähigkeit verloren hat, die Grenzen der metaphorischen Äußerung wahrzunehmen und deshalb dazu neigt, die Metapher als Beschreibung zu gebrauchen. Der Schizo ist dann der Agent eines trans-rationalen Experiments, das zum Auftauchen eines völlig neuen Rhythmus führen kann.”
Deleuze und Guattari beschrieben das schizophrene Delirium, als möglichen produktiven politischen Prozess, sich zu de-territorialisieren, Disziplinen zu vermischen, nicht linear zu denken.
Im Film Brazil von 1985 – in dem der Hauptprotagonist unter anderem am Graffiti „This is reality“ vorbei geht – wird selbst das Entkommen aus der Kuppel als bloßer Traum entlarvt. Durch die Vorwegnahme der Utopie in der kulturellen Fantasie und Science Fiction bliebe selbst ihre versuchte Realisierung Teil des durch den Regisseur konzipierten Schauspiels. Zwei Seiten derselben Erzählung.
Ich habe mich in meiner Grundsatz Abwehr gegenüber dem eingeengten Fokus auf die Corona Viren Pandemie gefragt, warum viele mir bei Verstand zu sein scheinende Menschen im Gegensatz zu mir, an der Annahme einer aussergewöhnlichen Gefahrenlage durch (mutierte) Coronaviren festhalten. Thomas Kuhn‘s Buch „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ von 1962 half mir dies besser zu verstehen, denn seine Ausführungen, wie Paradigmenwechsel in der Wissenschaft zustande kommen, scheinen mir auch für die Erfassung der gegenwärtigen Situation aufschlussreich. Ein Paradigmenwechsel wird dann angenommen, wenn die Fruchtbarkeit der neuen Anschauung gegeben ist, wenn das Paradigma also die Erarbeitung von Lösungen für kommende Probleme verspricht, auch wenn dadurch alte Lösungen obsolet werden. Die Menschheit auf der ganzen Welt ist den neuartigen Viren und den durch sie ausgelösten Pandemien nicht mehr gewachsen, so nun die These des neuen Paradigmas, was so neu ja nicht ist und Kuhn schreibt auch, dass einer, der sich zu lange einem von vielen akzeptierten, neuen Paradigma als Wissenschaftler widersetzt, dann folglich auch aufgehört haben müsste, ein Wissenschaftler zu sein.
In der Reaktion der Linken auf Corona waren für mich zwei Dinge auffällig. Zum einen der mich nicht überraschende (Gegen) Reflex, jenes was Rechte nicht gut finden, Beispiel Masken-Mund-Nasenschutz, müssten Linke unterstützen. Dabei bleibt es z.B. aber irrelevant, dass Schweden mit seinem immer noch “anderen” Umgang mit der Pandemie, eine sozialdemokratisch geprägte Regierung hat, oder dass es diesbezüglich ernst zu nehmende gesundheitliche Bedenken gibt, zudem wird die kulturhistorische Bedeutung von Masken und Maskierung in der linken Analyse vollständig ausgeklammert.
Zum zweiten bietet dieses Viren Narrativ für die Linke ausreichend Zündstoff, andere verhasste Ausprägungen des Kapitalismus anzugreifen. Angefangen bei der Freude sich nun vermummen zu dürfen und vermeintlich von keinem Gesichtserkennungsprogramm mehr erkannt zu werden, zum Angriff gegen die unmenschlichen Bedingungen in allerlei Arbeitskontexten, bis hin zur Kritik an der Agrarindustrie und Landnutzung, welche solche Zoonosen hervorbringen würde. Das Virus bietet der linken Seite viele Gelegenheiten, mithilfe der allseits propagierten virus- induzierten Gesundheits Katastrophe auch andere systemisch bedingte Katastrophen zurückzuweisen.
Dabei bleibt außer acht, also gänzlich unreflektiert, dass die “Erklärungen” für den „Gesundheitsnotstand“ von den die Katastrophen Verursachenden, mithin die Expertise von den Regierungen und supranationalen Gremien mit ihren Beratern, übernommen und als Argumentationshilfe herangezogen wird.
Auch wird ausgeklammert, dass um diese Bedingungen zu verurteilen, der Fokus auf Corona gar nicht notwendig wäre. Auch ohne Corona liegen die gesundheitlich verheerenden Zustände der Menschheit und ihrer Lebensgrundlage, der Erde, im zeitgenössischen Spätkapitalismus auf der Hand. Aber Zoonosen sind eine der populärsten Argumentationshilfen der Stunde, und anstatt das auf real bekannte Gesundheitsgefährdungen fokussiert würde (wie zu wenige und nicht oder schlecht eingearbeitete Pflegekräfte, Standardisierung, Profitstreben im sog. Gesundheitsmarkt, Umweltgifte, Ernährung etc.), werden Virolog:innen in den Urwald geschickt, zur Erforschung des Unbekannten, was uns noch viel schlimmer krank machen werde und über kommende Pandemien spekuliert.
Das nun aber anstatt des Kapitalismus, die Menschen bis zur beinahen Unsichtbarkeit verschwinden könnten, ist nur eine der möglichen Fantasien.
Y. Harari spricht beim WEF ganz offen über die kommende „Useless Class“, hervorgebracht durch die Automation, welche die Manager Globalisten künftig zu managen hätten. Und auch wenn gern bestätigt wird, dass das ganze WEF nur ein Troll sei,
erlauben es die Plaudereien in globalen Zusammenhängen dennoch, Prognosen für die Zukunft zu treffen. Auch in Bezug auf Gesundheit, genau was ich in früheren Texten schon kritisierte, Global health is getting you und zwar als Wiederaufbauhilfe nach, sowie auch im “grossen Virenkrieg”. Denn es wird sich künftig garantiert etwas an der Gesundheitsversorgung verändern. Insbesondere dann, wenn kritische professionelle Stimmen, von denen es – wie die Impfunwilligkeit beim Gesundheitspersonal zeigt – viele gibt, nichts mehr zu melden haben. Betreut von Gesundheitsfachpersonal, welches rein pharmakologisch geprägte Lösungen anstrebt, wird mensch in Zukunft nach nur einem Muster und Standard behandelt und die Diagnostik vornehmlich auf labordiagnostischen Tools beruhen. Telemedizin wird gerade für Ärmere Realität.
Die gängigen derzeitigen Erklärungsmuster für das Verhindern von Krankheiten wie Covid19 kommen aus der Vakzinologie, das Wortteil Vak stammt von Kuh, daher muss auch nicht verwundern, wenn von Herdenimmunität gesprochen wird und die meiste Erfahrung mit Impfungen gibt es in der Massentierhaltung – und der pharmakologischen Wissenschaft. Die Biotechnologie (ein Wort was eigentlich nicht existieren sollte, da in sich widersprüchlich, denn das Lebendige ist kein Industrieprodukt) soll uns vor den ebenfalls durch sie diagnostizierten Risiken schützen. Kombiniert mit dem Zeitalter der Digitalisierung werden wir nun noch stärker von unserem eigenen Körper abstrahiert. Sein gesundheitliches Wohlergehen kann auf der ganzen Welt nur noch erhalten werden, mithilfe regelmäßig zu verabreichender Vakzine, für alle die gleichen und wer nicht mitmachen will, gefährdet die Gesundheit anderer. Bekommt Mensch nämlich diese pharmakologische (resp. DNA modifizierende oder als Biologika benannte) Hilfe nicht, ist er den Viren der Gegenwart und Zukunft hilflos ausgeliefert und begibt sich durch Kontakt mit fremden Menschen von einer Todesgefahr zur nächsten (so die Erzählung).
Daher zurück zur Frage der Kuppel, zur Gegenwelt in der Science Fiction zum bereits vorfantasierten grossen Escape. Wie nun offensichtlich geworden ist, habe ich derzeit die Wahl Soldat zu werden, vereint gegen das Virus oder wie in einem Text auf der ZeroCovid Seite geschrieben, ich kann helfen „eine andere Form der solidarischen Massen Bereitschaft herzustellen“, ich kann mich an die „Impf Front“ (O-Ton Schweizer Fernsehen) begeben und mir eine Impfung holen, gegen eine Krankheit vor der ich keine Angst habe. So weit muss mein Einsatz gehen. Oder ich kann den Kriegsdienst verweigern, denn der offiziell erklärte Feind, deckt sich nicht mit meinem und ich möchte auch in Zukunft das Lachen fremder Menschen ohne Masken vor den Lippen sehen. Das uns das gemeinsame Lachen so sehr vergangen ist, soll aber wohl ein Dauerzustand bleiben. Wenn nun ausgerechnet von Klaus Reinhardt in die Diskussion gebracht wird, dass durch die Maskierung auch die Ansteckung mit anderen infektiösen Krankheiten besser verhindert wird, dieses neue Accessoire also ein bleibender Begleiter werden könnte und wenn wir nun schon über unterschiedliche Zonen sprechen, dann sollten wir vielleicht solche einrichten für Jene, die keine Angst vor ansteckenden Krankheiten haben? In brave new world ist es das Reservat der Savages. Leben mit dem immerfort präsenten Risiko krank zu werden und zu sterben.
Viele haben zu mir gesagt, sie fühlten sich wie in einem schlechten Science Fiction Film oder sogar, sie hätten sich damit abgefunden, in einem solchen Szenario zu leben. Wenn die EU Kommission eine „Social Observatory for Disinformation and Social Media Analysis“ (SOMA) finanziert, kann es niemandem verübelt werden, wenn Realität und Science Fiction in der Wahrnehmung zunehmend durcheinander geraten (und der Satz „hide in plain sight“, auf den ich nicht näher eingehen will, bekommt eine irgendwie reale Dimension).
Komischerweise wird aber auf diese Scripts vertraut, im Prinzip eine Rolle darin übernommen, anstatt sich eingestanden, dass wir in einer ganz realen, sensuellen, eben nicht zerstückelten Welt gemeinsam leben, die durch mehr als Science Fiction, Modellrechnung und die Monomanie der zwei Seiten der gleichen Erzählung definiert ist. Zur sich entwickelnden menschlichen Welt dazuzugehören, bleibt niemandem erspart, aber worauf mensch fokussiert und daraus Schlüsse für sein sich darin bewegen und interagieren zieht, kann ein entscheidender Sprung sein.
Noch einmal Franco Bifo Berardi: “„… without totalization there is no history, in Hegel‘s view: the potency of action comes from the consistency of the actors project and the self fulfilling historical reason.“
Diese Totalisierung des bereits Vorab Konzipierten, bewusst zu verlassen, indem die „historische Vernunft“ als das was sie ist, eine Festschreibung der Macht, die sich in die Zukunft dehnen will, zurückgewiesen wird. Ein Sprung heraus, nicht an ein Ende der Geschichte, sondern auf einen ganz anderen Schauplatz. Einen den es immer gab – ausserhalb der Repräsentation. Andere nannten es minoritär werden, vom Modell abweichen, sich nicht limitieren (lassen) und sich der Normalisierung, Territorialisierung und Kodierung durch den „ökonomischen und ideologischen Staat“ und „die wissenschaftliche und administrative Inquisition“ entziehen.
Vielleicht können Sprünge vorbereitet werden, erfahrungsgemäß ergeben sie sich aber situativ und werden möglichst vermieden. Denn wie Pferde sind wir, keiner mag es gern zu springen. Vielleicht muss sich auch der Abstand zum Boden noch etwas mehr verringern.