Black to Life – Black to Reality – diese Zeilen sind für Alexis

Ein zugesandter Beitrag aus Athen

Am 6. Dezember 2008 wurde der fünfzehnjährige Alexis in Exarcheia von Bullen erschossen. Es folgten Wochen der Aufstände. Athen brannte, ganz Griechenland brannte. Die Geschichte ist oft erzählt und kann anderswo nachgelesen werden. Festzuhalten bleibt, dass sich an diesem Ereignis mindestens eine ganze Generation politisierte. Der Grundkonsens: ACAB.

Dreizehn Jahre später. Der Grundkonsens steht, weit über den Horizont anarchistischer und linker Bewegungen hinaus. Vielleicht vertieft durch die Corona-Politik, die während der Lockdowns durch polizeiliches Überwachen und Strafen geprägt war. Hunderte Cops wurden eingestellt und Millionen für Equipment ausgegeben, kein halber Euro ins Gesundheitssystem investiert.

Auf der Straße jedoch manifestiert sich der Grundkonsens nicht mehr. Die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben. Zweieinhalb Jahre law-and-order Politik der Regierung der neuen faschistischen Demokratie haben ihre Spuren hinterlassen. Noch von ’sozialen Bewegungen‘ zu sprechen, scheint relativ unangemessen. Treffender wäre vielleicht ‚gesellschaftliche Schockstarre‘.

Frustration und Apathie der letzten Phase unter Syriza sind im Laufe der Pandemie lähmenden Angstzuständen und steten Panikattacken gewichen. Die Linken waren schon vorher paralysiert. Die Desillusionierung durch das gescheiterte Parteiprojekt unverdaut quer im Rachen steckend. Die anarchistischen Strömungen schwer gebeutelt durch massive Repressionen und fehlgeschlagene Mobilisierungen.

Seit gestern, dem 6. Dezember 2021, schimmert wieder ein schwarzer Funke Zuversicht am schweren, mit Depressionswolken verhangenen Horizont. Die jährliche Gedenkdemo für Alexis geprägt durch einen massiven black bloc. Etwa dreieinhalbtausend Menschen waren den verschiedenen anarchistischen und antiautoritären Aufrufen gefolgt. Zum ersten Mal seit langer Zeit war nicht diese Angst zu spüren, die uns zuletzt so häufig begleitete. Obwohl hunderte Riot Cops unseren Teil der Demo in einen Wanderkessel verwandelt hatten.

Und entschlossen zog ein Großteil noch nach Exarcheia, obgleich auch der gesamte Stadtteil von Bullen aller Einheiten abgeriegelt war. Und einige hundert lieferten sich im Laufe des Abends auch noch das ein oder andere Scharmützel mit den Bullen. Brennende Barrikaden und Steinhagel wurden mit Tränengas und Flashbang Granaten beantwortet. Kein Vergleich zu den Schlachten vergangener Jahre aber immerhin: der Wille war da, trotz der absoluten Übermacht der Bullen.

Es ist nicht alles schwarz, was glänzt. Die grobschlächtigen Impressionen sollen nicht überdecken, dass die zurückhaltende Bullentaktik uns in die Karten spielte. Doch das war nur teilweise vorhersehbar. Weniger als die Auseinandersetzungen mit den Cops, die selbst in der Bewegung seit jeher unterschiedlich bewertet werden, ist die erfolgreiche Mobilisierung das ungeheuer Ermutigende. Nachdem lange Zeit kaum die organisierten Teile zusammengefunden hatten.

Die Charakteristik dieses Tages spiegelt eben den Grundkonsens wider. Die ganze Welt hasst die Polizei. Darüber hinaus könnte ein anderer Faktor entscheidend gewesen sein. Die sogenannte vierte Corona Welle führt mit den nie dagewesenen Infektionszahlen nicht nur vergangene und jetzt ausbleibende Maßnahmen ad absurdum. Auch individuell vorsichtiges Verhalten ist wie verschwunden, was nicht nur auf Impfungen zurückführbar ist.

Die Existenzängste bleiben und überblenden vielleicht. Die forcierte wie vorauseilende Selbstisolierung jedenfalls hat ihren Tiefpunkt überschritten. Längst ist offensichtlich, dass ‚Schwarzmalerei‘ eine verwirrende Lösung für eine realistische Beschreibung des Ist-Zustands ist. Der Nekropolitik von oben könnte ein Schwarzwerden von Unten entgegengesetzt werden. Leben schwarz, Realität schwarz und schwarze Aussichten. Aber schwarz bedeutet hier nicht mehr schlecht oder böse. So könnte das alte Projekt der Umwertung aller Werte die Fluchtlinie markieren, auf der obskure Bewegungen die Übermacht der Herrschenden untergraben.

ACAB: A Nursery Rhyme

for “I love you” say fuck the police

for “the fires of heaven” say fuck the police,

don’t say “recruitment” don’t say “trotsky” say fuck the police

for “alarm clock” say fuck the police

for “my morning commute” for “electoral system”

for “endless solar wind” say fuck the police

don’t say “I have lost understanding of my visions”

don’t say „that much maligned human faculty”

don’t say „suicided by society” say fuck the police

for “the movement of the heavenly spheres” say fuck the police

for „the moon’s bright globe” for “the fairy mab” say fuck the police

don’t say “direct debit” don’t say “join the party”

say “you are sleeping for the boss” and then say fuck the police

don’t say “evening rush-hour” say fuck the police

don’t say „here are the steps I’ve taken to find work” say fuck the police

don’t say “tall skinny latté” say fuck the police

for “the earth’s gravitational pull” say fuck the police

for „make it new” say fuck the police

all other words are buried there

all other words are spoken there

don’t say “spare change” say fuck the police

don’t say “happy new year” say fuck the police

perhaps say “rewrite the calendar” but after that,

immediately after that say fuck the police

for “philosopher’s stone” for „royal wedding”

for “the work of transmutation” for “love of beauty” say fuck the police

don’t say “here is my new poem” say fuck the police

say no justice no peace and then say fuck the police

von Sean Bonney (1969 – 2019)