Die Eroberung der Champs-Élysees durch den Konvoi der Freiheit

Anonym

Diese Übersetzung diese Beitrags, der zuerst auf Entêtement erschien, wurde uns freundlicherweise in voller Länge von Gianfranco Pipistrello (auf twitter unter https://twitter.com/desertions_) für diese Ausgabe zur Verfügung gestellt. Wir danken. Sunzi Bingfa

In den letzten Tagen hat sich eine Trendwende abgezeichnet. Das Auto, Symbol der kapitalistischen Moderne, in der der Körper mit der Maschine verschmilzt, und das den isolierten Korper in die Zirkulationssphäre integriert, findet endlich eine revolutionäre Verwendung! Es kehrt seine Funktion im kapitalistischen Apparat um, um ihn besser zu lähmen.

Die Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Autos als ein Bild für kontrollierte Mobilität und jener, in der das Auto einem Bild der Freiheit entspricht, scheint schließlich ihren dialektischen Ausweg in der Rückkehr einer Protest-Praxis anhand dieses verhassten Objekts zu finden. Von Kanada ausgehend, verbreitete sich diese Form über die Grenzen hinaus und erreicht Frankreich in einem Moment, in dem die Präzision der Regierung und der Medien nachlässt. Das Auto steht für alle Formen der Erniedrigung: der überteuerte, umweltschädliche Sprit, die obligatorisch täglich zu fahrenden Wege zum, ebenso versklavenden, Job sowie zum Konsum in den Abgrund hässlicher Gewerbegebieten, den Mangel an Wahlmöglichkeiten auf den von Leitplanken begrenzten Autobahnen, von denen aus kein Ausbrechen oder Entdecken moglich ist.

Diesem alles erstickenden Automobil mussen wir die Freude am gemeinsamen Reisen entgegensetzen, den Rausch einer Macht, mit der Effizienz der Technologie politisch zu handeln, das Glück, das Unbekannte und die Ungewissheit zu entdecken. Man muss die Erfahrung der Ungebundenheit machen! Frankreichs Straßen werden von einer unbekannten „sozialen Non-Bewegung“ bewohnt, die bereits weithin verachtet wird. Die Immanenz dieser Non-Bewegung ist antipolitisch, so wie die einer gewissen anderen Non-Bewegung von 2018.

Dieses Auftauchen der Antipolitik mitten im Präsidentschaftswahlkampf zu sehen, zeigt den Wunsch auf, ohne die Knallchargen der Politik zu leben. Bereits vor Freitag (Gemeint ist der 11.2., der Lektor) hagelte es die erste Kritik am Convoi de la Liberté. Die extreme Linke empört sich und ergeht sich in Beleidigungen auf ihren Smartphones und bestreitet einmal mehr die Singularität des Geschehens auf den Straßen.

Sie zieht es abermals vor, diese Non-Bewegung als aus Faschisten, „ungeimpfte Eugeniker“ und Verschwörungstheoretiker bestehend zu verunglimpfen und zu beleidigen. Es stimmt, es gibt da rechtsextreme Gruppen, aber sie bleiben ziemlich isoliert von den anderen Menschen dieser Non-Bewegung. Und nein! Diese Kräfte sind nicht gegen die Gemeinschaft gerichtet, ganz im Gegenteil, sie verbreiten eine immense Freude am Zusammenleben, am Zusammenhalten einer gemeinsamen Welt, am Heraustreten aus der Isolation des Alltags, um seine gelebten Erfahrungen zu teilen. All diese Bilder des Jubels bei der Durchfahrt der Konvois an den Rastplätzen, diese gegenseitige Hilfe zwischen den Menschen bestimmen die Tonalität dieser Kräfte, dieser Gemeinschaft, die zirkuliert. Man muss sich die metaphysische Leere des hässlichen Frankreichs in den Vorstädten vergegenwärtigen, um in sich selbst die Erleichterung eines Einbruchs zu begreifen. Den Wutbürgern, die weiterhin ewig über die Reinheit jammern, raten wir, Linien in das Nichts ihrer erbärmlichen Existenz zu ziehen.

Die wagemutige Ambition des Convoi de la Liberté ist es, Brüssel mit Hilfe anderer europäischer Konvois zu blockieren. (Dies erinnert ein wenig an den Film „Convoy“, in dem sich Kris Kristofferson und andere Trucker zusammenschließen, um der Strafverfolgung der Polizei durch einen gemeinsamen Grenzübergang zu entgehen.)

Aber vorher war es notwendig, das Symbol der Verachtung selbst anzugreifen, die „Metropole“ anzugreifen, nach Paris zu gehen. Wenn der kühne Versuch des Convoi de la Liberté, Paris und seine Ringautobahn zu blockieren, doch letztendlich ein ziemlich komplizierter Kampf war, so war die Eroberung der Champs-Élysees fur mehr als acht Stunden ein Erfolg.

Es war eine riesengroße Freude, auf diese berühmte Avenue zurückzukehren, diese Inkarnation einer Warenwelt erneut zu blockieren, sich an die Geschichte der dort stattgefundenen Kämpfe zu erinnern, wieder zu spüren, wie sehr die Polizei niemanden mag, und insbesondere nicht die geteilten Gefühle.

Der Polizei gelang es mit ihren Einschüchterungen und ihren Waffen nicht, den gemeinsamen Willen zur Blockade der Champs zu zerstören. Was man auch sagen mag, es war ein moralischer Sieg, nach Paris zu gehen und eines seiner Symbole besetzt zu halten. Der Weg ist zwar noch lang, aber es gibt noch viele Möglichkeiten der Macht einen Schlag zu versetzen. Es gibt Unmengen an zerschlagbaren Zielen, nicht bloß institutionelle, sondern auch industrielle. Denn wenn, wie es scheint, der Konvoi durch die Bewegung der Gilets Jaunes etwas verstanden hat, ist dies, dass die Welt logistisch ist.

Alles, was zu tun bleibt, ist, die in diesem Konvoi der Freiheit gewobenen Bande zu vertiefen, sich weiter zu organisieren, um entschlossen zuzuschlagen. Wie wir am Samstagabend an den Wanden der Champs-Élysees geschrieben stehen sahen: „Die sich Verschwörenden werden triumphieren“!