Der Text ist erschienen in Lundi Matin am 11. Juli 2022, wir haben ihn für diese Ausgabe der Sunzi Bingfa übersetzt.
Seit mehreren Jahren organisieren sich Exilanten der syrischen Revolution in Frankreich, um dem treu zu bleiben, was sie erlebt haben, und um das, woran sie glauben, weiter zu tragen. Sie haben uns diese Aufforderung übermittelt, einen Internationalismus der Kämpfe zu konstituieren und „die revolutionäre Zirkulation zwischen Territorien und Kontinenten zu intensivieren“. Wir sollten von dort ausgehen, wo wir stehen, ohne jemals den Horizont aus den Augen zu verlieren, vor dem wir alle stehen. (Vorwort Lundi Matin)
Wir, die Teilnehmer, Kinder und Freunde der syrischen Revolution, haben uns mit einem Wunsch für die Zukunft getroffen: nie wieder, unabhängig von der Geografie, die Aufgabe des gerechten Aufstandes eines Volkes zu akzeptieren.
„Die Regierungen haben uns verraten, wo sind die Völker?“, fragten die syrischen Revolutionäre.
Aus der Wut und der Bitterkeit unserer Erfahrungen, aber auch aus dem Bedürfnis, uns weniger allein zu fühlen, entstand der Wunsch, einander kennenzulernen und sich zu verbünden. In unseren Exilen und auf unseren Reisen haben wir uns mit den Revoltierenden getroffen. Wir trafen uns an den Schnittstellen einer kranken Welt. Wir haben verstanden, dass wir Teil eines transnationalen Kampfes sind. Dass wir einer international organisierten Elite mit ihren Netzwerken der Unterdrückung und Ausbeutung gegenüberstehen.
Auch wenn wir unterschiedlich leiden, sind unsere Feinde dieselben. Manchmal verstehen wir nicht, woran ein anderer leidet, oft sprechen wir nicht die gleiche Sprache, aber das hindert uns nicht daran, uns verständigen zu wollen.
Seit einigen Jahren sind wir von einem Kontinent zum anderen gezogen, um uns in den Bewegungen für das Leben und die Würde zu engagieren. In den „ersten Reihen“ der Aufstände haben sich unsere Sehnsüchte widergespiegelt – von Chile bis zum Libanon, von Hongkong bis zum Sudan, vom Irak bis Kolumbien, von Syrien bis Frankreich. In den Fußstapfen der zapatistischen und feministischen Kräfte begannen wir, ein Netz aus weltweiten Verbindungen zu knüpfen. Nicht als abstrakte Ethik, sondern als Überlebensstrategie. Da wir uns nicht mit Antworten auf Ausnahmezustände oder Krisen begnügen können, schmieden wir von dort aus, wo wir leben, Beziehungen der gegenseitigen Hilfe, des Lernens und der Komplizenschaft, die über Staatsgrenzen hinausgehen. Wir weben, was uns verbindet, und zeichnen unsere eigenen Kartografien.
In Paris, dem Herzen einer Metropole des Kapitals, aber auch dem großen Knotenpunkt des Exils, haben uns unsere Schritte dazu geführt, einen Ort der Begegnung zwischen Revolutionären aus aller Welt aufzubauen.
Wir wissen, wie sehr wir aus unterschiedlichen Gebieten mit ihren eigenen Dynamiken, Komplexitäten und Geschichten kommen. Aber wir wissen auch, wie unsere Kämpfe widerhallen, wie unsere Revolten die gleichen Schreie ausstoßen, wie wir uns in unseren Zweifeln und in unserer Wut wiedererkennen. Wir haben keine Angst vor Meinungsverschiedenheiten; wir pflegen die Vielfalt unserer Erfahrungen.
Wir versuchen, neue Wege zu beschreiten, aber aus vergangenen Versuchen ziehen wir unsere entschlossensten Lehren. Wir sind ständig auf der Suche, unsere Fragestellungen bleiben weit offen, angetrieben von einer einzigen Gewissheit: Nur die Völker retten die Völker.
Wir treten für einen Internationalismus ein, der die Grenzen von Nationen und Körpern überschreitet. Ein Internationalismus von unten, der in unzähligen Räumen und Gebieten verankert ist, die sich dazu entschließen, sich selbst zu regieren. Ein Internationalismus der Völker, die davon träumen, dass immer mehr Gebiete vom Kapital und von Tyrannen befreit werden.
Von denen unter uns, die aus dem Süden kommen, haben wir gelernt, allen Imperien zu widerstehen: den westlichen, aber auch den russischen, türkischen, chinesischen, iranischen oder israelischen.
Wir träumen immer noch vom Sieg. Vom Sieg der lokalen Räte in Syrien, vom Sieg der Widerstandskomitees im Sudan und der territorialen Versammlungen in Chile, vom Sieg eines Frankreichs, das sich durch seine 150.000 Kreisverkehre selbst regiert. Und um die Geister von Daraya, Kronstadt oder Shanghai wiederzubeleben, können wir, wie unsere chilenischen Freundinnen sagen, auf das Gedächtnis der Zukunft zählen.
Auf den langen und schwierigen Wegen der Kämpfe, die wir überall führen, wollen wir gemeinsam neue Horizonte aufzeigen. An alle, die oft lange vor uns damit begonnen haben, diese gegenseitige Unterstützung der Völker aufzubauen, an alle autonomen Kräfte, die sich für die Befreiung aller Menschen ohne Unterschied einsetzen, richten wir eine Einladung:
Wenn Sie können, kommen Sie zu unserem Treffen auf dem internationalistischen Festival „Les Peuples Veulent“ (الشعوب تريد) am 21., 22. und 23. Oktober 2022 in Paris, unserem Beitrag zur Schaffung von Räumen für die Begegnung und den Austausch zwischen Revoltierenden auf globaler Ebene. Wenn Sie es nicht können, schreiben Sie uns, erzählen Sie uns von Ihren Versuchen. Schließen wir uns auf dem Weg zusammen.
Wir, die wir diese Welt in Brand setzen wollen, um sie wieder blühen zu sehen, haben keine andere Wahl, als uns zu treffen, uns zu vernetzen und Seite an Seite zu kämpfen.
Wir werden auf jedes Echo dieser Einladung hören.
Bis bald hier oder anderswo.
WAS IST ‚LES PEUPLES VEULENT‘ (الشعوب تريد)?
Das internationalistische Treffen „Les Peuples Veulent“ (Die Völker wollen) findet seit drei Jahren in Montreuil, einem Vorort von Paris, statt. Ursprünglich von der ‘Cantine Syrienne de Montreuil’ im Zuge der Aufstände von 2018-2019 angeregt, sind diese Treffen ein Vorschlag, um revolutionäre Zirkulationen zwischen Territorien und Kontinenten zu intensivieren. Im Oktober 2022 wird unsere vierte Auflage rund dreißig Kollektive aus Osteuropa, Lateinamerika, dem indischen Subkontinent, Afrika und dem Nahen Osten für drei Tage zu einem öffentlichen Festival mit Filmvorführungen, Konzerten, Diskussionsrunden und Ausstellungen zusammenbringen. Es wird eine Ausstrahlung und Übersetzung in verschiedenen Medien geben.
Schreiben Sie uns: lespeuplesveulent@proton.me
oder
https://www.instagram.com/lespeuplesveulent/?hl=fr