Leila Al Shami
Die Lesart des Aufstandes in Syrien, der vor genau 10 Jahren begann, durch die westliche Linke war von Anfang an durch Desinteresse und eine “antiimperialistische” Perspektive bestimmt, in der “der Feind meines Feindes mein Freund” ist. Die Interventionen von den diversen lokalen und geopolitischen Akteuren in den sich militarisierenden Konflikt in Syrien ließen die eigentlichen Akteure des Aufstandes, ihre Praxen, ihre Wünsche und Träume, ihre gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen “unsichtbar” werden. Gelebte Solidarität durch eine Metropolenlinke waren rahe Ausnahmen, daran hat sich bis heute nichts geändert. Die “kurdische Frage” fand dann wieder Widerhall hierzulande, aber nur einer eindimensionalen “Solidarität”, die die Widersprüche dieses Prozeßes (z.B. die Abkommen mit der syrischen Regierung oder die spätere militärische Zusammenarbeit mit den USA) ausblendeten, sobald sie die eigenen Projektionsbedürfnisse nach der “Reinheit der Revolution” zu beschädigten drohten.
All die notwendigen Reflexionen aus den Erfahrungen mit der “Solidarität mit den antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen” aus den 60er und 70er scheinen vergessen, das Schicksal der Palästinenser*innen in der syrischen Diaspora wurde von einem Großteil der metropolitanen Linken gar nicht mehr zur Kenntnis genommen, das Gemetzel an und das Aushungern der Menschen in Jarmuk, in dem sich zum Schluß sogar noch ISIS breit machen konnte, bewegte praktisch keine Linken mehr. Für die einstigen Verbündeten im “”antiimperialistischen Kampf” gab es keine Verwendung mehr. Es gibt also mehr als genug Gründe, in dieser Ausgabe der Sunzi Bingfa mehrere Artikel zum syrischen Aufstand zu platzieren. Das Original dieses Beitrages findet ihr hier.
„Wir sind nicht anders als die Arbeiter der Pariser Kommune: Sie haben 70 Tage lang Widerstand geleistet, und wir machen seit anderthalb Jahren immer noch weiter.“
Omar Aziz, 2012
Am 18. März 2021 gedenken Menschen rund um den Globus dem 150. Jahrestag der Pariser Kommune. An diesem Tag beanspruchten einfache Männer und Frauen die Macht für sich, übernahmen die Kontrolle über ihre Stadt und führten über zwei Monate lang unabhängig vom Staat ihre eigenen Angelegenheiten, bevor sie in einer blutigen Woche von der französischen Regierung von Versailles niedergeschlagen wurden. Das Experiment der Kommunarden mit der autonomen, demokratischen Selbstorganisation als Mittel zum Widerstand gegen die staatliche Tyrannei und zur Schaffung einer radikalen Alternative zu ihr nimmt einen wichtigen Platz in der kollektiven Vorstellungswelt ein und war Inspiration für Generationen von Revolutionären.
Am 18. März wird sich ein weiterer Jahrestag jähren, aber sicherlich mit viel weniger Beifall weltweit. An diesem Tag vor einem Jahrzehnt kam es in der südsyrischen Stadt Dera’a zu groß angelegten Protesten als Reaktion auf die Verhaftung und Folterung einer Gruppe von Schulkindern, die regierungsfeindliche Graffiti an eine Wand gemalt hatten. Die Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf die Demonstranten, töteten mindestens vier von ihnen und lösten damit eine weit verbreitete öffentliche Empörung aus. In den nächsten Tagen breiteten sich die Proteste über das ganze Land aus und verwandelten sich in eine revolutionäre Bewegung, die Freiheit von der vier Jahrzehnte währenden Diktatur des Assad-Regimes forderte. In den folgenden Jahren, als die Menschen zu den Waffen griffen und den Staat zum Rückzug aus ihren Gemeinden zwangen, führten die Syrer trotz der Brutalität der auf sie losgelassenen Konterrevolution bemerkenswerte Experimente der autonomen Selbstorganisation durch. Bereits 2012 verglich Omar Aziz, ein syrischer Wirtschaftswissenschaftler, öffentlicher Intellektueller und anarchistischer Dissident, die ersten dieser Experimente mit der Pariser Kommune.
Omar Aziz war kein bloßer Zuschauer der Ereignisse, die sich in Syrien abspielten. Er lebte und arbeitete im Exil und kehrte 2011, im Alter von 63 Jahren, in seine Heimatstadt Damaskus zurück, um sich am Aufstand gegen das Regime zu beteiligen. Er engagierte sich in der revolutionären Organisierung und der Unterstützung von Familien, die aus den vom Regime angegriffenen Vororten von Damaskus vertrieben wurden. Aziz wurde durch den Grad der Selbstorganisation der Bewegung in ihrem Widerstand gegen das Regime inspiriert. In Städten und Vierteln im ganzen Land hatten Revolutionäre lokale Koordinationskomitees gebildet. Diese waren horizontal organisierte Plattformen, in denen sie Proteste planten und Informationen sowohl über die Erfolge der Revolution als auch über die brutale Repression, der die Bewegung ausgesetzt war, austauschten. Sie förderten gewaltlosen zivilen Ungehorsam und schlossen Frauen und Männer aus allen sozialen, religiösen und ethnischen Gruppen ein. Die Revolutionäre organisierten auch die Verteilung von Lebensmittelpaketen an Bedürftige und richteten medizinische Zentren ein, um verletzte Demonstranten zu versorgen, die den Gang ins Krankenhaus wegen der Gefahr einer Verhaftung scheuten.
Aziz war der Meinung, dass solche Aktivitäten zwar ein wichtiges Mittel des Widerstands gegen das Regime waren und dessen Autorität in der Tat herausgefordert hatten, aber sie gingen nicht weit genug. Durch ihre Organisation entwickelten die Revolutionäre neue, vom Staat unabhängige Beziehungen, die auf Solidarität, Kooperation und gegenseitiger Hilfe basierten, und waren dennoch in den meisten Belangen wie Arbeit, Nahrung, Bildung und Gesundheitsversorgung vom Staat abhängig. Diese Realität ermöglichte es dem Regime, seine Legitimität aufrechtzuerhalten und seine Macht zu verewigen, trotz der weit verbreiteten Opposition der Menschen gegen es. In zwei Papieren, die im Oktober 2011 und Februar 2012 veröffentlicht wurden, als die Revolution noch weitgehend friedlich verlief und der größte Teil des syrischen Territoriums unter der Kontrolle des Regimes blieb, begann Aziz, für die Einrichtung von lokalen Räten zu plädieren. Er sah diese als basisdemokratische Gremien, in denen die Menschen kollektiv zusammenarbeiten könnten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, volle Autonomie vom Staat zu erlangen und individuelle und gemeinschaftliche Freiheit von Herrschaftsstrukturen zu erreichen. Er glaubte, dass der Aufbau von autonomen, selbstverwalteten Kommunen, die regional und national durch ein Netzwerk der Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe verbunden sind, der Weg zur sozialen Revolution sei. Laut Aziz gilt: „Je mehr sich die Selbstorganisation ausbreiten kann … desto mehr wird die Revolution den Grundstein für den Sieg gelegt haben.“
Aziz ging es nicht darum, die Staatsmacht zu ergreifen, und er trat nicht für eine Avantgarde Partei ein, die die Revolution anführen sollte. Wie die Kommunarden glaubte er an die angeborene Fähigkeit der Menschen, sich selbst zu regieren, ohne die Notwendigkeit einer Zwangsautorität. Seiner Ansicht nach würden die neu entstehenden selbstorganisierten sozialen Formationen „den Menschen erlauben, ihr eigenes Leben selbst zu bestimmen und zu zeigen, dass diese Autonomie das ist, woraus Freiheit besteht.“ Aziz sah die Rolle der lokalen Räte darin, diesen Prozess der Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen zu unterstützen und zu vertiefen. Ihre Priorität wäre es, mit anderen Volksinitiativen zusammenzuarbeiten, um die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Zugang zu Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung zu gewährleisten; Informationen über das Schicksal von Inhaftierten zu sammeln und deren Familien zu unterstützen; sich mit humanitären Organisationen zu koordinieren; Land vor der Enteignung durch den Staat zu verteidigen; wirtschaftliche und soziale Aktivitäten zu unterstützen und zu entwickeln; und sich mit den kürzlich gebildeten Milizen der “Freien Armee” zu koordinieren, um die Sicherheit und die Verteidigung der Gemeinden zu gewährleisten. Für Aziz war die mächtigste Form des Widerstands gegen den Staat die Weigerung, mit ihm zu kollaborieren, indem er in der Gegenwart Alternativen aufbaute, die eine emanzipatorische Zukunft vorwegnahmen.
Im November 2012 wurde Omar Aziz, wie so viele Revolutionäre in Syrien, verhaftet und starb kurze Zeit später im Gefängnis. Doch vor seiner Verhaftung half er, vier lokale Räte in den Arbeiter Vororten von Damaskus zu gründen. Der erste entstand in Zabadani, einer landwirtschaftlichen und touristischen Stadt, umgeben von Bergen, etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die Stadt schloss sich schnell dem Aufstand im März 2011 an und hielt regelmäßige Demonstrationen ab, bei denen Freiheit und die Freilassung von Gefangenen gefordert wurden. Im Juni hatten junge Männer und Frauen ein lokales Koordinationskomitee gegründet, um Demonstrationen zu organisieren und Medienarbeit zu betreiben, um die Geschehnisse in der Stadt nach außen zu tragen. Wie die Pariser Kommunardinnen schufen auch die Frauen von Zabadani ihre eigenen Gremien. Mitte 2011 wurde das Kollektiv der Revolutionärinnen von Zabadani gegründet. Sie nahmen in großer Zahl an Demonstrationen teil und riefen zu friedlichem zivilen Ungehorsam auf. Sie spielten eine führende Rolle beim “Streik der Würde” im Dezember 2011, einem landesweiten Generalstreik, mit dem sie versuchten, wirtschaftlichen Druck auf das Regime auszuüben. Im Januar 2012 gründeten sie das “Oxygen Magazine”, ein zweimonatlich erscheinendes gedrucktes Magazin, das Analysen zur Revolution liefert und zum friedlichen Widerstand aufruft. Die Gruppe entwickelte sich später zum Damma-Frauennetzwerk, das weiterhin daran arbeitet, Frauen beim Aufbau von Widerstandskraft zu unterstützen und die Auswirkungen von Gewalt in konfliktbetroffenen Gemeinden zu lindern, sowie Bildung und psychologische Unterstützung für Kinder anzubieten.
Zabadani wurde im Januar 2012 von lokalen Milizen der “Freien Armee” befreit. Es wurden Barrikaden errichtet und die Stadt wurde unter die Kontrolle der Bewohner gebracht. Ein lokaler Rat wurde gegründet, um das Vakuum zu füllen, das durch den Abzug des Regimes entstanden war. Die sunnitischen und christlichen Bewohner der Stadt kamen zusammen, um die 28 Mitglieder des Rates aus angesehenen Persönlichkeiten der Gemeinschaft zu wählen und einen Bürgermeister zu bestimmen. Dies war die erste Erfahrung mit Demokratie in Syrien seit Jahrzehnten. Der Rat richtete eine Reihe von Abteilungen ein, um das tägliche zivile Leben zu verwalten, einschließlich der Gesundheitsversorgung und der humanitären Hilfe, sowie ein politisches Komitee, das mit dem Regime verhandelte, und ein Gericht, um lokale Konflikte zu lösen. Ein militärisches Komitee beaufsichtigte die Bataillone der “Freien Armee”, um die Sicherheit zu gewährleisten. Während die Vertreter des Rates alle Männer waren, spielte das Kollektiv der Revolutionärinnen von Zabadani eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Aktivitäten des Rates. Wie die Pariser Kommunarden schafften es die Menschen in Zabadani, die von einer freien und gerechten Gesellschaft träumten, ihre Gemeinschaft unabhängig von zentraler staatlicher Kontrolle kreativ selbst zu organisieren.
Lokale Autonomie und Basisdemokratie wurden vom Regime als seine größte Bedrohung angesehen. Wie die Regierung in Versailles, die sich geweigert hatte, gegen die Preußen zu kämpfen, ihre Waffen gegen die Kommunarden richtete, so richtete das syrische Regime seine ganze Macht gegen die Menschen in Zabadani. Die Stadt wurde vom Regime und seinen Verbündeten, der vom Iran unterstützten Hisbollah, belagert, und tägliche Bombardements führten zu einer dramatischen Verschlechterung der humanitären Bedingungen. Innerhalb der Stadt sahen sich die Revolutionäre auch mit Herausforderungen durch extremistische islamistische Bataillone konfrontiert, die im Laufe der Zeit an Bedeutung gewannen und schließlich 2014 dem Gemeinderat die Kontrolle entrissen. Nach einer Reihe von gescheiterten Waffenstillstandsvereinbarungen erlangte das Regime im April 2017 wieder die Kontrolle über Zabadani, woraufhin viele der Bewohner zwangsevakuiert wurden.
Die Erfahrung von Zabadani war bemerkenswert, aber nicht einzigartig. Im Laufe der syrischen Revolution wurden Gebiete in einem solchen Ausmaß befreit, dass das Regime bis 2013 die Kontrolle über etwa vier Fünftel des Staatsgebiets verloren hatte. In Abwesenheit des Staates war es die Selbstorganisation der Menschen, die die Gemeinden am Laufen hielt und es ihnen ermöglichte, dem Regime zu widerstehen, in einigen Fällen über Jahre hinweg. Hunderte von lokalen Räten wurden in den neu geschaffenen autonomen Zonen gegründet, die wichtige öffentliche Dienstleistungen wie Wasser- und Stromversorgung, Müllabfuhr und die Aufrechterhaltung des Betriebs von Schulen und Krankenhäusern sicherstellten. In einigen Gebieten bauten sie Lebensmittel an und verteilten sie. Die Menschen arbeiteten auch zusammen, um humanitäre Organisationen, Zentren zur Überwachung der Menschenrechte und unabhängige Medienverbände zu gründen. Frauenzentren wurden gegründet, um Frauen zu ermutigen, politisch und wirtschaftlich aktiv zu werden und patriarchalische Sitten in Frage zu stellen. Ein Beispiel ist das Mazaya-Zentrum in Kafranbel, Idlib, das Frauen berufliche Fertigkeiten vermittelte, Diskussionen zu Frauenrechtsfragen führte und sich gegen die Bedrohung durch extremistische islamistische Gruppen wandte. Es wurden Gewerkschaften für Studenten, Journalisten und Gesundheitspersonal gegründet. In der nördlichen Stadt Manbij gründeten Revolutionäre die erste freie Gewerkschaft Syriens, die sich für höhere Löhne einsetzte. Kulturelle Aktivitäten blühten auf, darunter unabhängige Filmkollektive, Kunstgalerien und Theatergruppen. In der befreiten Stadt Daraya, in der Nähe von Damaskus, schufen Revolutionäre eine Untergrundbibliothek aus Büchern, die sie aus den zerstörten Häusern der Menschen retteten.
Nach 2011, bevor die Konterrevolution sie niedermachte, lebten Gemeinden in ganz Syrien in Freiheit von der Tyrannei des Regimes. Die Macht wurde auf die lokale Ebene übertragen und die Menschen arbeiteten zu ihrem gegenseitigen Nutzen zusammen, oft unter extrem schwierigen Umständen, um eine pluralistische, vielfältige, inklusive und demokratische Gesellschaft aufzubauen, die das genaue Gegenteil des staatlichen Totalitarismus war. Sie waren weder von großen Ideologien motiviert, noch wurden sie von einer bestimmten Fraktion oder Partei angeführt. Sie wurden von den Notwendigkeiten angetrieben. Ihre bloße Existenz stellte den vom Staat propagierten Mythos in Frage, dass sein Überleben notwendig sei, um die Erfüllung der Grundbedürfnisse und Stabilität zu gewährleisten. Die Syrer zeigten, dass sie mehr als fähig waren, ihre Gemeinschaften in Abwesenheit einer zentralisierten Zwangsautorität zu organisieren, indem sie egalitäre soziale Strukturen aufbauten und eine soziale Bande der Solidarität, Kooperation und des gegenseitigen Respekts wiederherstellten. Es gab nicht das eine Modell oder die eine Blaupause. Jede Gemeinschaft organisierte sich nach ihren eigenen Bedürfnissen, einzigartigen lokalen Gegebenheiten und Werten – die Essenz der Selbstbestimmung, die in einem Land, das sozial und kulturell so vielfältig ist wie Syrien, unerlässlich ist. Was sie teilten, war der Wunsch nach Autonomie vom Regime und das Bekenntnis zu dezentralen, selbstverwalteten Organisationsformen.
Während die Erfahrung der Pariser Kommune im Westen gut bekannt ist und gefeiert wird, müssen wir fragen, warum ähnliche Experimente in unserer Zeit in Syrien nicht ähnlich rezipiert werden – warum sie in der Regel nicht einmal die grundlegendsten Formen der Solidarität anziehen. Während ein Großteil der radikalen Theorie den Anspruch auf Universalismus erhebt, schenkt sie anderen, nicht-westlichen Kontexten oder Kulturen oft wenig Aufmerksamkeit. Wenn Linke im Westen an Syrien denken, denken sie oft an die Intervention ausländischer Staaten, extremistische islamistische Gruppen und zahlreiche bewaffnete Brigaden, die um Macht und Territorium ringen. Wenig Aufmerksamkeit wird den einfachen Männern und Frauen und ihren mutigen Taten des Widerstands gegen ein tyrannisches, völkermörderisches Regime geschenkt. Diese Menschen bildeten das Rückgrat des zivilen Widerstands in Syrien. Sie leisteten nicht nur Widerstand gegen das Regime, sondern bauten eine lebensfähige, schöne Alternative zu ihm auf. Ihr Kampf wurde vielschichtig. Sie verteidigten ihre hart erkämpfte Autonomie gegen das Regime und später gegen zahlreiche ausländische Kräfte und extremistische Gruppen, die ihre Existenz als größte Bedrohung ansahen. Sie wurden von der internationalen Gemeinschaft gemieden und oft verleumdet, auch von Leuten, die sich als Teil der antiimperialistischen Linken verstehen. Ihre Existenz wurde zu einer Unannehmlichkeit für die großen Erzählungen, denen man sich in Bezug auf die Revolution und den konterrevolutionären Krieg in Syrien hingeben wollte. Der erkenntnistheoretische Anti-Imperialismus ließ wenig Raum für die gelebten Realitäten der Syrer.
Ähnlich wie bei der Pariser Kommune gibt es viel aus der revolutionären Erfahrung Syriens zu lernen. In Zeiten des Aufstands oder der Krise entstehen oft neue Formen der Organisierung, die Alternativen zu den hierarchischen, zwanghaften und ausbeuterischen Systemen bieten, die sowohl vom Kapitalismus als auch vom Staat praktiziert werden. Durch dezentralisierte Selbstorganisation, ohne die Notwendigkeit von Führern oder Bossen, sondern durch freiwillige Vereinigung, Kooperation und das Teilen von Ressourcen, können Menschen soziale Beziehungen transformieren und radikalen sozialen Wandel bewirken. Sie zeigen uns, dass emanzipatorische Zukünfte im Hier und Jetzt aufgebaut werden können, sogar im Schatten des Staates.