Anarchist Fox
Die repressiven Beschlüsse, die am 28.Oktober in der “Schalte” von Bundesregierung und Landesregierungen gefasst worden sind, waren ja schon seit Tagen abzusehen. Wir haben in der Sunzi Bingfa Redaktion in letzter Zeit darüber diskutiert, ob es sinnvoll wäre, eine gemeinsame Erklärung von dissidenten linken Gruppen und Zusammenhängen, die das offizielle Narrativ zu Corona schon länger nicht mittragen und die sich auch schon im Frühjahr entsprechend positioniert haben, zu verfassen und breit unter die Leute zu bringen.
Leider sind wir dabei an unseren eigenen Ansprüchen und dem Gefühl, dass alles kritische dazu eigentlich schon geschrieben ist, hängen geblieben. Nichtsdestotrotz halten wir es angesichts der Staats-Faschisierung, die sich im Pandemie Ausnahmezustand entfaltet, für notwendig, eine antagonistische Koalition aufzubauen, aus der sich dann hoffentlich auch irgendwann Handlungsmöglichkeiten ergeben. Vorerst bitten wir Euch die folgenden Zeilen, die wir vom anarchistischen und antiautoritären Netzwerk Schwarzer Pfeil übernommen haben, weiter zu verbreiten. Wir als Sunzi Bingfa sind auch weiterhin offen für uns zugesandte oder zugespielte Beiträge, die sich fundamental kritisch mit der offiziellen “Pandemie Politik” auseinandersetzen. See you in the streets. Sunzi Bingfa 28.10.2020
Schon seit dem Frühjahr lässt sich beobachten wie die Regierungen den Ausbau eines Überwachungsstaats vorantreiben – was auch immer nötig ist um die Bevölkerung vermeintlich vor der Pandemie zu schützen. Und während die Infektionszahlen in die Höhe schießen, sehnen sich nicht nur normale Bürger:innen nach einem starken Staat, der hart durchgreift. Nein, auch viele Linke und Antiautoritäre lechzen geradezu nach einem neuen Lockdown und weiteren harten und repressiven Maßnahmen. >>Oh please, Big Daddy! Bitte unterdrück mich, sperr mich ein, mach alles was nötig ist um mich und meine Mitmenschen zu schützen.<<
Wir steuern geradewegs in einen Pandemie-Totalitarismus zu und vermeintliche Radikale offenbaren ihre absolute Hilflosigkeit mit der Situation umzugehen. Zur Arbeit gehen, zur Schule gehen, heimkommen, fressen, schlafen. Wiederholen. Eine schöne neue Welt. Die Vorstellung, dass unsere Welt nach Corona unfreier, ärmer und undemokratischer sein wird, ist kein Horrorszenario, sondern Realität.
Schon früh warnte Edward Snowden davor, dass ein Überwachungsstaat aufgebaut wird, welcher das Virus überstehen wird. Die Regierungen aller Länder nutzen die Pandemie um eine Architektur der Unterdrückung zu errichten. Und einen solchen Ausbau autoritärer Strukturen und Massenüberwachung wird man so schnell nicht wieder los.
Es ist zutiefst unheimlich was überall auf diesem Planeten vor sich geht. Wir erleben Einschnitte in unserem alltäglichen Leben, unseren vermeintlichen Grundrechten und unseren Freiheiten, die bis vor kurzem niemand für möglich gehalten hätte. Von Ausgangsbeschränkungen bis hinzu Ausgangssperren, Kontakt- und Versammlungsverboten, sowie allen möglichen Formen der Überwachung und Repression.
In China werden Passant:innen mit Wärmebild-Kameras gescannt und eine App zeigt den Bürger:innen ob sie sich weiter frei bewegen dürfen. In Amerika werden High-Tech-Drohnen getestet, die mithilfe von Sensoren Körpertemperatur, Puls und Atmung der Bevölkerung messen können. Diese Drohnen sollen zudem überprüfen ob jemand hustet oder niest. In vielen Ländern Europas kontrollieren Drohnen Ausgangssperren und Kontaktverbote. In Deutschland hat die Polizei vereinzelt Tests von Drohnen während des ersten Lockdowns ausgeweitet, nur damit die Polizei in NRW einige Monate später bekannt gibt, dass ab nächstem Jahr 100 Drohnen dauerhaft die Bürger:innen überwachen sollen – sorry, schützen sollen.
Und während sich Big Daddy immer neue und weitere Maßnahmen ausdenkt, feiern viele Menschen – und erschreckenderweise auch viele, die sich als radikale Linke oder Antiautoritäre bezeichnen – das harte Durchgreifen des starken Staates. Schließlich diene es ja dem Gemeinwohl und in einer Pandemie gelten nun mal andere Regeln. Die Hilflosigkeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Die Vorstellung, dass die Menschen für sich selbst denken und handeln können, und nicht auf eine Macht über ihnen angewiesen sind, schwindet immer mehr. Ein staatlich angeordneter Lockdown soll es richten. Ein Lockdown, der die Freizeit der Bevölkerung aufopfern soll, während wir zur Arbeit gehen und anschließend gefälligst bis zum nächsten Tag zuhause hocken sollen. Bis wir wieder das Glück haben, dass wir am nächsten Tag unseren Job machen dürfen.
Obwohl selbst das RKI bestätigt, dass die Gastronomie eine geringe Infektionsquelle ist, wird es sie wieder zuerst treffen. Der Einzelhandel – der praktisch keine Infektionsquelle ist – folgt als Nächstes. Und auch wenn die meisten Infektionen am Arbeitsplatz oder zuhause stattfinden, soll der Bereich Freizeit stark eingeschränkt werden. Der Großteil der Arbeit kann nun mal nicht eingeschränkt werden, denn das Aufrechterhalten der Wirtschaft ist wichtiger als die Gesundheit. Es ist mehr als offensichtlich, dass ein Lockdown und all die Maßnahmen willkürliche Repressionen sind und nicht dazu bestimmt sind das Infektionsgeschehen tatsächlich unter Kontrolle zu bringen. Während ein Teil der Bevölkerung die Arbeit zwangsweise einstellen muss (natürlich mit entsprechenden Lohneinbußungen), steckt der andere Teil sich munter gegenseitig an und trägt das Virus in bisher weniger belastete Kreise.
Der Lockdown wird es auch erst „notwendig“ machen, dass strenge Überwachungsmaßnahmen zunehmen. Nicht wenige werden sich den Einschränkungen widersetzen und einen Teil ihrer Freiheiten und Freizeit zurückhaben möchten. Und so verabreden sie sich heimlich in geschlossenen, privaten Räumen. Der Politiker Lauterbach (übrigens kein Epidemiologe, auch wenn das viele fälschlicherweise behaupten) hat das erkannt und gab folgenden Kommentar von sich: „Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.“
Die Menschen haben es heute umso mehr in der Hand die Gesellschaft und die Politik grundlegend umzugestalten. Die Arbeiter:innen können inmitten der Pandemie Massenstreiks und Massen-Sickouts organisieren, sodass die Wirtschaft tatsächlich zum Erliegen kommt. Doch stattdessen warten sie darauf, dass ein starker Staat alles richten wird und opfern bereitwillig ihre Freizeit und ihre Freiheiten.
Wenn der Ausbau des Pandemie-Totalitarismus weiter wie bisher seinen Lauf nimmt, sind wir wohl tatsächlich nicht mehr lange davon entfernt, dass die Schwurbelkaiser:innen Recht behalten und ein Impfen gegen den Willen der Bürger:innen zur Debatte steht. Wenn man der Bevölkerung Angst macht, kann man alles mit ihr machen.
Mir fällt es schwer zu verstehen, wie nicht nur normale Bürger:innen, sondern auch vermeintliche Radikale, nicht für sich selbst Lösungen finden können und weiter nach dem starken Staat lechzen. Die Regierung wird uns nicht retten. Das war nie ihr Ziel. Ihr Ziel ist die Aufrechterhaltung des Kapitalismus um jeden Preis.
Du sorgst dich um deine Kinder? Schick sie nicht in die Schule!
Du möchtest deine Familie nicht infizieren, aber ein Streik liegt dir auch nicht? Mache einen Sickout!
Lass dir nicht einreden, dass du und deine Freizeit das Problem sind!
Nur wenn das mal genug Leute machen, zwingt man den Staat in die Knie, trägt zu Veränderungen bei und hält den Ausbau des Überwachungsstaates auf. Sonst werden sie uns noch überrollen.
Mir hat mal ein „Genosse“ einreden wollen ich sei einfach nur nicht bereit mich „dem Gemeinwohl zu opfern“ – mich betrifft ein Lockdown nicht. Ich arbeite in einem systemrelevanten Beruf und pflege ein sehr ruhiges Leben. Mein Leben hat sich seit der Pandemie, mit Ausnahme einer Infektion im Frühjahr/Sommer, nicht geändert. Doch ich weiß um die Gefahren des immer näher kommenden Pandemie-Totalitarismus und der Maßnahmen, die unverhältnismäßig vor allem die ärmere und migrantische Bevölkerung treffen werden. In einigen Ländern haben es die linke und die antiautoritäre Bewegung erkannt und gehen auf die Straße. In Italien oder Spanien kommt es zu Ausschreitungen von links. In Slowenien gehörte die Straße zu Beginn der antiautoritären Bewegung. Doch in Deutschland sitzen „wir“ stattdessen zuhause rum und drehen Däumchen. Big Daddy ist doch noch für uns da.