Über Riot.Strike.Riot: Die neue Ära der Aufstände

Achim Szepanski hat – neben diversen musikalischen Aktivitäten – auch immer wieder Theoriearbeit betrieben. Unter anderem hat er im Laika-Verlag ein Buch über „Kapital und Macht im 21.Jahrhundert“ veröffentlicht. Er arbeitet auch zum Thema Aufstände und schaut dabei auf Debatten in den USA, die sich dort um einen Theoretiker entsponnen haben, der sich mit sozialen Kämpfen und Protestformen beschäftigt hat, den Professor Joshua Clover und sein Buch Riot.Strike.Riot: The New Era of Uprisings (Die neue Ära der Aufstände). Im laufe des Jahres wird das Buch auch in deutscher Sprache erscheinen.

Achim Szepanski

Das Buch Riot.Strike.Riot von Joshua Clover behandelt Aufstände wie auch Streiks als historisch auftretende politische Phänomene und weniger als rein spontane, eruptive oder ahistorische Aktionen. Für Clover ist das aktuelle Phänomen des Aufstands immer auch ein Resultat der Transformationen des Kapitals auf globaler Ebene seit den 1970er Jahren, die mit Begriffen wie Finanzialisierung, Globalisierung, globale Lieferketten, Logistik etc. umrissen werden können. Das Kapital befindest sich nun stärker in den Bereichen der Zirkulation, sei es das Finanzsystem, der Transport, Dienstleistungen, Distribution und so weiter. Eine erste These lautet, dass der gegenwärtige Aufstand Teil von globalen Zirkulationskämpfen ist, das heißt, er findet nicht in der Produktion, sondern der Zirkulation statt, die nicht nur als eine ökonomische Relation, sondern als eine soziale Organisation sui generis begriffen werden muss. Von der Seite des Kapitals her umfasst die Zirkulation auf rein empirischer Ebene die Dienstleistungssektoren, kommerzielle Unternehmen wie Walmart oder auch MCDonalds und insbesondere das Finanzsystem. Auf der begrifflichen Ebene gilt es bei der Analyse des Reproduktionsprozesses des Kapitals festzuhalten (der aus dem Umschlag von Geld-. Waren- und Produktivkapital besteht), dass der Produktionsprozess je schon an die Zirkulation gebunden ist, das heißt, die Produktion ist als ein Teil der monetären Gesamtzirkulation des Kapitals zu verstehen (G-w-G`). Es geht in der Zirkulation anders als in der Produktion um die Beschleunigung des Verkaufs von Waren, um die Produktion und Beschleunigung von Informations- und Geldkapitalströmen und damit immer auch um die Erhöhung der Umschlagszeiten des Kapitals, wobei die Finanzialisierung dieser Prozesse die Produktion von Krediten, fiktivem und spekulativem Kapital beinhaltet.

Vielfach werden die Waren heute nicht an einem singulären Ort, sondern entlang von logistischen Räumen produziert, deren Logik in der Organisation von kompletten Lieferketten besteht, die das Design, die Produktion, den Transport, die Lagerung und den Verkauf umfassen. Die Logistik strukturiert auf räumlicher und informationeller Ebene den kompletten Kreislauf von Produktion und Zirkulation und ist damit eben auch nicht nur einfach teil der Zirkulation, sondern sie ist selbst eine Industrie. Diese verfügt über transversale Netzwerke und einen Reihe von Räumlichkeiten wie Städte, Knotenpunkte, Staaten, Grenzen, Bunkern etc., um die effektive Organisation und Berechnung der ökonomischen Räume zu gewährleisten, der durch Korridore, Hubs oder special economy zones gekennzeichnet ist. Die logistischen Industrien vernähen die unterschiedlichsten ökonomischen Räume und erweitern die Grenzlinien zu Grenzräumen, was zu einer neuen Kartographie des Politischen führt, die insbesondere auch die Arbeitsmigration entlang der logistischen Prinzipien der Just-in.time-Produktion und to-the-point-Migration reguliert, wobei eine permanente Überwachung der Migrationsbewegungen stattfinden muss.

Die Globalisierung zog die Verlagerung der industriellen Produktion aus dem Norden in den Süden nach sich und führte dort einerseits zu einer quantitativen Aufstockung des Proletariats, andererseits aber auch zum Wachstum einer globalen Surplusbevölkerung, die immer noch kontinuierlich in die Städte drängt, aber dort keinen direkten Zugang zur Produktion und zum Lohn besitzt und sich deshalb in den informellen Sektoren der Wirtschaft um ihre Reproduktion kümmern muss.

Clover bezieht sich an dieser Stelle auf das Marx`sche Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, nach dem sich im Kapitalismus eine industrielle Reservearmen permanent an den Rändern des offiziellen Arbeitsmarktes bewegt. Marx bezeichnet die relative Übervölkerung rein funktional als »industrielle Reservearmee«, die das Kapital zur Regulation des Arbeitsmarktes benötigt; das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation ist das einer (virtuellen) Tendenz und es ist zugleich zyklisch zu verstehen, das heißt, es bleibt immer auch auf die Schwankungen der Beschäftigung bezogen. (MEW 23: 640ff.) Gleichzeitig unterstellt Marx eine langfristige Tendenz zum relativen Wachstum der industriellen Reservearmee – gemessen an der gesamten Arbeitsbevölkerung. Wenn die Reservearmee langfristig wächst, dann kann sie aber auf Dauer kaum noch den Charakter einer Reservearmee beibehalten. Und diese Entwicklung finden wir in der gegenwärtigen Situation auf globaler Ebene vor, in der Teile der Bevölkerung selbst bei Konjunkturaufschwüngen nicht mehr produktiv in die kapitalistischen Produktionsprozesse absorbiert werden können. Es ist also eine Surplusbevölkerung entstanden, die jenseits der Lohnarbeit in informellen Arbeitsverhältnissen zu Niedriglöhnen, Sklavenarbeiten, Teilzeitjobs und illegalen Tätigkeiten irgendwie ihre Reproduktion zu sichern versucht oder in Slums vor sich hin vegetiert. Das globale Proletariat umfasst heute neben der lohnabhängigen Arbeiterklasse und dem Prekariat also auch die Surplusbevölkerung, der jeder Zugang zu den offiziellen Arbeitsmärkten untersagt bleibt, um als akkumulierte Leichenhaftigkeit zu existieren.

Es sind also die total Abgetrennten, die Massen von Arbeitslosen, die Tagelöhner und die unter protoindustriellen Bedingungen vernutzten asiatischen und afrikanischen Wanderarbeiter, das postkoloniale Heer von Sklaven, die Alten und Kranken, aber auch die überflüssigen Jungen, die von einem Bildungssystem, das sich vor allem auf die alltägliche Evaluation von jedem durch jeden konzentriert, für Jobs ausgebildet werden, die es in Zukunft gar nicht geben wird – alles in allem das globale Lumpenproletariat, das außerhalb der offiziellen Arbeitssysteme bleibt. Die Surplusbevölkerung vegetiert heute auf dem schmalen Grat zwischen Überleben und Liquidierung. Und sie wird, wenn sie sich auf den Straßen politisch artikuliert, ist sie nicht mit Agenten der Produktion, sondern direkt mit dem Staat und der Polizei konfrontiert. Für den Aufstand heißt dies: Egal, ob es sich um Unterbrechungen, Blockaden oder kurzfristig geplante Aktionen handelt oder ob es darum geht, die Konsumbedürfnisse durch bestimmte Aktionen irgendwie befriedigen zu können, der Aufstand ist an die Zirkulation gebunden. Man denke hier aber nicht nur an das temporäre Ereignis des Aufstands, sondern auch an andere Aktionsformen wie Schuldenstreiks, Diebstahl, durchorganisierte Blockaden oder das Hacken von Algorithmen. Man könnte hier fünf Formen von Kämpfen erwähnen: Die Aufstände der Ausgeschlossenen, die massenhafte Okkupation von öffentlichen Plätzen, Konflikte am Arbeitsplatz. Aktionen gegen die zunehmende Verschuldung sowie das Hacking in der Cyberspähre, wobei sich diese Kämpfe überlappen oder kombinieren, aber auch wieder voneinander trennen können.

Der Aufstand steht historisch und logisch in einem ganz bestimmten Verhältnis zum Streik: Der Streik ist eine kollektive Aktion, die sich um a) díe Höhe des Preises der Arbeitskraft und um bessere Arbeitsbedingungen dreht, b) in der sich die Arbeiter rein in der Position des Arbeiters (nicht in der Position eines das System überwindenden Proletariers) befinden, und die c) im Kontext der kapitalistischen Produktion stattfindet, während der Aufstand a) den Kampf um die Preisfestsetzung an den Märkten (Zirkulation) inkludiert, b) seine Teilnehmer zunächst nicht vereint, außer dass sie ökonomisch meistens ganz enteignet sind, und c) im Kontext der Zirkulation stattfindet. Um den Aufstand zu analysieren, bedarf es a) der exakten Definition des Aufstands und des Streiks, b) einer Begründung der Rückkehr des Aufstands (nach dem frühen Aufständen des 17. und 18. Jahrhunderts) seit den 1970er Jahren, und c) der Darstellung der Beziehung zwischen der Logik der (zukünftigen) Aufstände und den globalen Transformationen des Kapitals. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Streik von den Gewerkschaften und der traditionellen Linken gegen den Aufstand formalisiert wurde (entlang eben formeller Regeln, was zu tun und was zu lassen ist). Entsprechend muss der Aufstand seinen Inhalt nun in der Form finden. Aber dies bleibt paradox, denn seine Form ist die Unordnung, die nun sein Inhalt wird.

Um es zu betonen, Aufstand und Streik werden von Clover nicht bezüglich der gegebenen Aktivitäten der Beteiligten bestimmt, sondern um das Problem herum, in welcher Art und Weise die Arbeiter oder enteigneten Massen ihre ökonomische und soziale Reproduktion sichern können, das heißt bezüglich ihrer Positionen innerhalb der gegebenen Produktionsverhältnisse, der ökonomischen Positionen, in die sie gedrängt werden, und der Plätze (Fabrik oder Straße), an denen sie und ihre Antagonisten sichtbar und an denen sie auch verwundbar werden. Aufstände sind komplexe politische Ereignisse, die von verschiedenen Formen des politischen Protests und der direkten Aktion durchzogen und stets auf das Ökonomische, das Affektive, Politische und Ideologische bezogen bleiben. Sie sind aber, um es in den Worten von Clover zu sagen, letzten Endes durch die Ökonomie überdeterminiert. Die Aufstände können sich aber, und das ist kein Widerspruch, an einem Stromausfall in einer Wohnsiedlung, am Mord an einer Person durch die Polizei, an einer symbolisch legalen Aktion entfachen oder von langen Hungerwellen in der Bevölkerung herrühren (Das berührt die Frage ihrer Kontingenz). Was man hier begreifen muss, ist eine Form der Notwendigkeit in der Kontingenz und die Kontingenz in der Notwendigkeit in den Aktionen der Aufstände zu finden, die immer unter den Bedingungen der strukturalen Notwendigkeiten stattfinden.

Der Aufstand besitzt also eine notwendige Korrelation zur gegenwärtigen Struktur der Ökonomie, er ist durch das Abjekt gekennzeichnet – er erfasst insbesondere diejenigen, die von jeden Produktivitätszuwächsen der kapitalistischen Ökonomie oder der Lohnarbeit ganz ausgeschlossen und zudem rassistischen Exklusionen ausgesetzt sind. Die Aufständischen finden sich auf den Straßen mit einem für sie unerreichbaren Ensemble von Waren konfrontiert, während für sie die kapitalistische Ökonomie mit ihrer planetarischen Logistik und einer kaum fassbaren abstrakten Finanzindustrie weitgehend unsichtbar bleibt. (Hier die Frage, wie eine Abstraktion bekämpfen?) Direkt können die Auftständischen auf den Straßen nur die Polizei an jeder Ecke sehen, das heißt durchtrainierte und militarisierte Einsatzgruppen, zur Gewaltanwendung konditioniert wie andere zur Fließbandarbeit, beherrschen heute selbst bei Demonstrationen den im öffentlichen Raum materialisierten Staat in einem Maße, dass jeder dort artikulierte politische Dissens von vorneherein nur den Charakter des Geduldeten und der Absurdität besitzt.

Die Aktionen und Taktiken der Aufstände umfassen Barrikaden (Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols und seines absoluten Zugriffs auf den öffentlichen Raum), Plünderungen (Umverteilung des allgemeinen Reichtums, in den 1970er Jahren hieß dies beispielsweise in Italien noch proletarischer Einkauf) und Sachschäden (eine Form der Eigentumskritik); verweisen die Aufstände auch auf keine explizite Strategien, so bringen sie doch immer eine politische Artikulation ins Spiel, und zwar als Negation. (Taktiken müssen zugleich mit einer bereits vorgegebenen Raum- und Zeitordnung rechnen und deren jeweilige Lücken, Unwägbarkeiten und Inkonsistenzen auszunützen versuchen) Meistens verfügt der Aufstand über keine explizit politischen Forderungen, sondern er kennt scheinbar nur die negative Sprache des Vandalismus, der Zerstörung und des Planlosen. Aber dennoch mangelt es ihm nicht an Determination; Clover spricht zunächst von der Überdeterminierung des Aufstands durch die historischen Transformationen des Kapitals, die den Antagonismus, im speziellen die Kämpfe in der Zirkulation, notwendig machen, aber der Aufstand besitzt auch selbst eine eigene Dynamik. Die neuen Aufstände müssen dabei nicht unbedingt von Arbeitern getragen werden, sie betreffen ja insbesondere die Jugendlichen und die Surplusbevölkerung und so kann im Prinzip jeder einen Marktplatz befreien, eine Straße schließen oder einen Hafen blockieren. Die Aufständischen mögen Arbeiter sein, aber sie fungieren während des Auftsands nicht als Arbeiter, denn die Beteiligten werden hier nicht durch ihre Jobs, sondern in ihrer Funktion als Enteignete innerhalb der gesamten sozialen Reproduktionsprozesse unifiziert.

Gewöhnlich wird der Aufstand, was das Politische angeht, im Kontext von Deprivation, Mangel und Defizit gefasst, während er doch in sich selbst das gelebte Moment des Surplus anzeigt, Surplus-Gefahr, Surplus-Instrumente. Suprlus-Lerneffekte und Surplus-Affekte, ja Surplusmomente der Überschreitung des Alltäglichen, des Legitimen und des Legalen selbst. Der wichtigste Surplus ist aber die aktiv negierende, die widerständige Bevölkerung in den aufbrechenden Momenten einer Massenmobilisierung, die sich zu einem Ereignis verdichten, bei dem der Aufstand das polizeiliche Management einer konkreten Situation sprengt und sich zugleich vom alltäglichen Leben radikal entkoppelt. Diese Art der aufständischen Surplusproduktion bleibt jedoch stets mit den Bedingungen sozio-ökonomischer Prozesse und Transformationen konfrontiert, die auf Krisen antworten oder diese erst konstituieren. All dies zeigt den Aufstand keineswegs als eine rein kontingente, sondern auch als eine notwendige Form des politischen Kampfes an. Angesichts der Existenz einer riesigen Surplusbevölkerung und der aufständischen Politik des Surplus kommt Clover zu folgender Schlussfolgerung: Der Aufstand ist die Modalität, durch die der befreiende Surplus gelebt wird. Primäre Zirkulation ist heute primärer Aufstand, der das Surplusleben – wie kurzfristig auch immer – selbst ist, letzteres als das Subjekt der Politik und damit aber auch als das Objekt der staatlichen Gewalt. Die staatliche Polizeigewalt wird nun selbst Teil des Aufstands, oder, um es anders zu sagen, die aufblitzende Koalition des aufständischen Surplus existiert in einer Ökonomie der staatlichen Gewalt.

Der Aufstand muss immer auch als eine spontane Artikulation gegen diese Strukturierung des Alltags verstanden werden, als eine Artikulation, die Lefebvre Anfechtung nennt, die eine absolute Ablehnung der alltäglichen, der erahnten und erfahrenen Demütigungen intendiert, und diese Anfechtung ist eine im Negativen und aus der Verneinung geborene Bewegung, eine Subtraktion, eine Unterbrechung der Legitimität des Staates und der gewöhnlichen Kommunikation; die Anfechtung verweist auf das Unwahrscheinliche. Dabei ist hier die Spontaneität als Teil eines Ereignisses, das dem Institutionellen entgeht, zu verstehen, sie ist sogar konstitutiv für den Widerstand und infolgedessen ist die Spontaneität in diesem Fall der Feind der Macht. Aufstände sind gewissermaßen aus der Spontaneität heraus entstandene urbane Kämpfe um die Kontrolle, die Durchgänge und die Aneignungen des Raumes; sie sind um Gebäude, Passagen, Straßen und Plätze organisiert. Es sind diese für einen kurzen Zeitraum nicht-institutionalisierten urbanen Räume, die auf die politische Leere der Räume der staatlichen Apparate und der Büros der Unternehmen verweisen. Es gibt also etwas eminent Urbanes in den Aufständen und etwas Architektonisches, um nicht zu sagen etwa Räumliches. Die Barrikade, eines der wichtigen Instrumente des Aufstands, hatte in Paris ihren Ursprung in der Abschottung der Nachbarschaften gegen die feindliche Angriffe der Polizei, bis die breiten Boulevards und das industrielle Wachstum diesem Instrument erst einmal eine Ende bereiteten.

Der Aufstand scheint nichts zu erhalten oder zu affirmieren, vielleicht einen geteilten Antagonismus, eine geteiltes Elend und eine geteilte Negation. Er stellt letztendlich keine Forderungen, sondern er zeigt den Bürgerkrieg an, so schlussfolgert Clover im Gleichklang mit Tiqqun. Der Aufstand muss sich absolut setzen, um wie im frühen Aufstand eine Reproduktion jenseits des Lohns und des Marktplatzes und um zudem eine Bewegung hin zur Commune, die vom Bürgerkrieg nicht zu trennen ist, zu finden; heute ist er in dieser Setzung auf den Straßen ständig mit dem Staat und der Polizeigewalt konfrontiert, die solch eine Absolutsetzung zu blockieren versucht. Wie der Marktplatz und Hafen der Ort des frühen Aufstands war, so sind die Plätze und die Straßen heute die Orte des primären Aufstands.

Für Clover beinhaltet der Aufstand die Krise, sogar diejenige einer Community oder einer Stadt, einer Stunde oder die von Tagen. Der Aufstand dokumentiert zwar nicht unbedingt die Zusammenkunft von häretisch-kritischem Diskurs und objektiver ökonomischer Krise, dwaqs sich dann etwa in einem revolutionären Programm äußern könnte, das den Common Sense aufbrechen will, um das Unbenennbare zu benennen, er stellt keinen Übergang von der praktischen zur instituierten Gruppe dar, die sich als die Repräsentanz der Klasse begreift, obgleich er doch für eine kurze Zeitphase radikal mit dem politischen Konsens bricht, er ist, um es in den Worten von Stuart Hall auszudrücken, ein Modus, durch den der Klassenkampf gelebt wird.

Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die Prozesse der Deindustrialisierung insbesondere in den USA eine rassistische Komponente hatten und haben, so ist die Arbeitslosigkeit in der schwarzen Bevölkerung in den USA seit den 1960er Jahren bis heute immer höher als die der weißen Bevölkerung geblieben. Gleichzeitig bewegten sich die von Schwarzen getragenen militanten Aktionen beispielsweise in Detroit meistens in einer gewissen Distanz zu den offiziellen Arbeitsmärkten, es waren oft Kämpfe um bessere Reproduktionsbedingungen außerhalb der Sphäre der Produktion. In Regionen, in denen man eine hohe Arbeitslosenrate gerade auch bei schwarzen Jugendlichen, die durch staatliche Kontrollinstrumente und -apparate ständig überwacht und schikaniert werden, vorfindet, scheint heute die einzige Antwort des Staates auf die Existenz der schwarzen Surplusbevölkerung das Gefängnis zu sein. Somit ist dem Aufstand auch der Widerstand gegen die Einkerkerung eingeschrieben. Er ist die radikale Antwort auf das Regime des Ein- und Ausschlusses, auf die geforderte Superfluidität der Arbeitskräfte, auf das Prekär-Sein, den Mangel an Kaufkraft und auf die staatliche Überwachung und Gewalt. Im Verhältnis zur Ökonomie und zu Staat und Gesetz erscheint Blackness hier als ein Surplus, der die Überschreitung der Regulation der schwarzen Bevölkerung verspricht. Der Aufstand ist eine Instanz des schwarzen Lebens, das als totale Exklusion gekennzeichnet ist, aber er ist zugleich eben auch der Surplus in der rauschigen Atmosphäre der Zirkulation; er kann nur in seiner eigenen Modulation expandieren, er ist eine kollektive Aktion, durch die der Kampf passieren muss, er ist eine soziale Modalität. In diesem Kontext stellen auch die schwarzen Widerstandsbewegungen ihre Verbindungen zu den antikolonialen Bewegungen her, wobei es letztendlich, und das bleibt entscheidend, die globale Klasse der Gefährlichen ist, die nicht durch ihre Rolle als Produzentin, sondern durch ihre gemeinsame Relation zur staatlichen Gewalt vereinheitlicht wird. Dies ist die Basis der Surplusrebellion.

Die Produktion der Surplusbevölkerung beschreibt Clover als eine Produktion der Nicht-Produktion, welche in den USA die schwarze Bevölkerung zuallererst und am härtesten trifft. Und trotz des Ausschlusses von der Lohnarbeit, ist es der Surplusbevölkerung nicht möglich, das System der Lohnarbeit vollständig zu verlassen, da sie immer noch Löhne und damit Arbeit benötigt, um irgendwie überleben zu können. Die Surplusbevölkerung wurde schon in vielen Variationen beschrieben: Das Lumpenproletariat für die Marxisten, die Kolonialisierten für Fanon, der Sklave für Wilderson. Während diese Autoren in ihrer Analyse divergieren, beschreiben sie doch übereinstimmend die Surplusbevölkerung als solche, die ohne Reserven leben und als die Negation des Gesellschaftlichen agieren muss. Clover wiederum generalisiert gegenüber diesen Autoren einen ökonomischen Trend und definiert die Nicht-Arbeitenden als Surplusbevölkerung. Zugleich verlinkt er diese mit den Kolonialisierten, den Sklaven und dem Lumpenproletariat und macht sie zusammen zu einer Gruppe, die durch die gemeinsame Erfahrung als Objekt der staatlichen Gewalt gekennzeichnet sind. Der alltägliche Kontakt mit der Staatsgewalt ist dein wichtiger Grund für den Widerstand gegen diese Gewalt. Clover teilt mit den anderen Theoretikern den Hass gegen die Polizei als Repräsentantin der Staatsgewalt. Für Clover haben die Kämpfe in Watts letztendlich ihren Ursprung eher in den Sklavenaufständen als in den europäischen Arbeitskämpfen gegen das Kapital. Das hat auch mit Clovers Öffnung hin zum Afropessimismus zu tun. Er findet damit einen Weg, die multiplen Grammatiken des Leidens verschiedener Klassen und Gruppen in seine Analyse einzubeziehen, wobei die rassifizierte Produktion der Surplusbevölkerung in den USA dem bekannten Axiom von Stuart Hall entspricht, dass die Rasse eine Modalität ist, in der die Klasse gelebt wird, oder Gilmores Definition der Rasse als die einer staatlich sanktionierten Ausbeutung von Verletzlichkeit, die oft genug zum Tod führt. Insofern ist der Aufstand das Andere der Einschließung, der Unmöglichkeit ihres Managements.