“Diese obsessive Verfolgung ist immer eine Ehre für einen politischen Gefangenen” – Zur Verlegung von Dimitris Koufontinas

Folgende Zeilen erreichten uns aus Athen, wir danken dafür und die Übersetzung der Erklärung von D. Koufontinas. Sunzi Bingfa

Die Regierung Griechenlands verschiebt Menschen und Grenzen. Akte gezielter Willkür und öffentliches zur Schau stellen der Missachtung eigener Gesetze symbolisieren ihre Motive und ihr politisches Selbstverständnis. Dimitris Koufontinas zu seiner Verlegung.

Hunderte Push-Backs an der griechisch-türkischen Grenzen wurden in den letzten Monaten dokumentiert, sowohl im Norden am Fluss Evros wie im Mittelmeer – zumeist vor der Insel Lesbos. Tatsächlich sind es tausende Menschen, die auf ihrem Weg nach Europa alleine an griechischen Grenzen gewalttätig abgehalten oder wieder rausgeschmissen werden. Eine Entrechtung mit tödlichen Konsequenzen, die in diesem Fall in Kooperation mit Frontex, also mit Polizei/Militär-Einheiten der EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wird.

Oder vor zehn Tagen, als ein junger Anarchist mit französischem Pass abgeschoben wurde. Unter dem vagen Vorwurf die öffentliche Sicherheit zu gefährden und unter dem Vorwand des Seuchenschutz wurde er ohne Anwalt oder Angehörige zu informieren an einem Samstagmorgen aus dem geschlossenen Lager Amygdaleza zum Flughafen gebracht. Ihm war erklärt worden, er würde für einen Covid Test ins Krankenhaus gebracht, um ihn aus der Isolationshaft zu entlassen, die jetzt Quarantäne genannt wird. Zwei Tage später wäre sein Gerichtstermin zur Überprüfung der Abschiebehaft gewesen. Erol war in der Tat in den letzten Jahren in zahlreiche Besetzungen und Aktionen verwickelt und hatte einige Anklagen jedoch nicht mal Verurteilungen angesammelt. So wird also an einem umtriebigen Genossen ein Exempel statuiert.

Und nun mal wieder Koufontinas. Zentrale Figur der revolutionäre Organisation 17. November, der sich stellte und die politische Verantwortung übernahm, als die griechische Stadtguerilla Gruppe im Jahr 2002 aufgeflogen war (empfehlenswert seine politische Autobiographie ‚Geboren am 17. November‘, auf deutsch bei Bahoe books).

Die Liste der Schikanen und außergesetzlichen Maßnahmen gegen ihn seither ist lang, egal unter welcher Regierung. Isolationen, Besuchsverweigerung, Kommunikationsblockade für seine Anwälte oder richterliche Ablehnung ihm gesetzlich zustehender Möglichkeiten des Freigangs.

Und nun mal wieder eine unangekündigte Verschleppung in einer Nacht- und Nebel-Aktion. Die Einordnung dieses Manövers überlassen wir dem Genossen selbst und dokumentieren hier seine Erklärung über die Verlegung in das Gefängnis in Domokos:

Nun, ich muss nicht schreien, damit mir geglaubt wird“ ( G. Ritsos) …

Jeder sieht, dass der „Rechtsstaat“ zum „Recht des Staates“ und zu einem Werkzeug der Rache in den Händen der Familie wird, die das Land politisch und wirtschaftlich regiert, als ob es ein privates Unternehmen sei. Simple, reine, primitive Rache. Abrechnung… nach Art sizilianischer Clans. Rache an dem, der keine Reue zeigt und sich weigert, eine Reueerklärung zu unterschreiben. Rache an den 17N Inhaftierten, die zusehen müssen, dass sich ihre Haftbedingungen weiter verschlechtern. Rache an einem steinalten Mann und an einem fast völlig Invaliden, den sie schamlos als Beute der Pandemie übergeben.

Rache auch an allen Gefangenen, die sie, um das rechtsextreme Publikum zufrieden zu stellen, in der Pandemie wie menschlichen Müll in elenden Gefängnissen übereinanderstapeln, abgeschnitten von ihren Familien. Und sie weigern sich, das zu tun, was seit Monaten selbstverständlich zu tun wäre, nämlich die notwendige Leerung der Gefängnisse, damit nicht massiv Menschenleben gefährdet werde, von Häftlingen wie Wachpersonal.

Was mich betrifft, ist das keine Überraschung. Eine Regierung – ein Wirtschaftsunternehmen, das die Pandemie auf obszöne Weise nutzt, um noch reaktionärer die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen umzustrukturieren. Welche ein blutgetränktes Land skrupellos plündern, nach Art eines authentischen Lumpen-Großbürgertums. Eine Klasse, die ihre eigenen Gesetze bricht und umstandslos Staatsanwälte entlässt – und morgen Richter, weil sie ihnen nicht gefallen, zögert nicht einen politischen Gegner zu verfolgen.

Aber diese obsessive Verfolgung, auch wenn sie über die Grenzen der Politik hinausgeht und sich anderen Wissenschaften annähert, ist immer eine Ehre und Rechtfertigung für einen politischen Gefangenen.

Dimitris Koufontinas

23. Dezember 2020

Domokos