„Wenn nötig, werde ich meinen Hungerstreik bis zu meinem letzten Atemzug fortsetzen“. Ein Brief von Cesare Battisti aus dem Gefängnis von Rossano

Cesare Battisti

Es gibt Texte, die übersetzt man nicht ohne Tränen in den Augen, ohne dieses Gefühl von Beklemmung in jener Region, in der das Herz angesiedelt ist. Cesares Situation im Trakt ist unerträglich, seine Haltung, diese Situation nicht länger hinzunehmen, ist so entschlossen wie man es sich nur vorstellen kann. Er wirft sein ganzen Leben in die Waagschale, das letzte Mittel was ihm noch geblieben ist. Wir hatten ja schon einige Beiträge von ihm im Heft, alles was es zu seiner Entführung nach Italien, seiner Isolation im Hochsicherheitstrakt inmitten von islamistischen Faschos zu sagen gibt, kann nachgelesen werden. Was es jetzt braucht, ist gelebte Solidarität und Aktionen, die Druck auf den italienischen Staat aufbauen. Wir alle werden im historischen Gedächtnis der Klassenkämpfe auch immer danach beurteilt werden, wie wir es mit unseren in die Hände des Feindes gefallenen Genoss*innen gehalten haben. Dimitris hat uns und unsere Liebe und Wut gebraucht, jetzt braucht Cesare Battisti uns. Sunzi Bingfa

Ich wende mich an meine geliebten Kinder, meinen Reisegefährten, meine Brüder und Schwestern, meine Enkelkinder, meine Freunde und Weggefährten, meine Arbeitskollegen und an alle, die mich von Herzen geliebt und unterstützt haben.

Die verheerenden Auswirkungen des Streiks

Ich bitte Sie alle um eine letzte Anstrengung, nämlich darum, die Gründe zu verstehen, die mich dazu treiben, bis zur letzten Konsequenz im Namen des Rechts auf Würde für jede inhaftierte Person, für jeden Menschen, zu kämpfen.

Die Würde, sich seiner Verantwortung zu stellen und dabei man selbst zu bleiben.

Meine ist eine radikale Wahl, wenn man Wahl sagen kann, wenn sie die einzige annehmbare Möglichkeit bleibt, die eigene Selbstachtung zu verteidigen, die menschlichen und gerechten Werte, die Sie bisher mit mir geteilt haben, die Bewahrung des historischen und emotionalen Gedächtnisses.

Am 2. Juni 2021 begann ich meinen Hungerstreik, wohl wissend, dass ich nicht zurückkehren würde, und daher im Bewusstsein, dass ich Ihnen große Schmerzen bereiten würde.

Aber mit der Gewissheit, dass die Zeit den Biss des Schmerzes lindern würde, würden Sie mir zustimmen, dass dies die würdigste Tat war, die ich tun konnte, um nicht auf den Knien zu sterben, nachdem ich ausgepresst und für jeden schändlichen Zweck der Macht benutzt worden war.

Es wäre ein Verrat an den Werten einer Vergangenheit, an die ich geglaubt habe, sogar bis hin zum bewaffneten Kampf. Ich habe mich damals nie wie ein Verbrecher gefühlt, und ich fühle mich auch heute nicht wie einer, auch wenn ich weiß, dass ich im Unrecht war. Ich folgte, wie so viele andere, grundlegenden Werten des Rechts für das Individuum, ich kann es mir nicht leisten, sie einfach so zu verraten.

Deshalb bitte ich Sie ein letztes Mal, mir zu helfen, ich selbst zu sein und mir den Schmerz zu verzeihen, den ich Ihnen zufüge.

Ich möchte, dass Sie sich darüber im Klaren sind, dass mein Kampf ein Kampf des Protestes ist, des Einforderns unveräußerlicher Rechte.

In meiner Entscheidung ist kein Platz für ein psychologisches Abdriften. Ich habe objektiv präzise, klar formulierte Forderungen an die zuständigen Behörden…

Es wird also keine Beschönigungen irgendwelcher Art geben, keine unbewussten Handlungen, keine psychiatrischen Vorwände. Wenn nötig, werde ich meinen Hungerstreik bis zu meinem letzten Atemzug fortsetzen.

Ich bin kein Schwachkopf, ich kämpfe um das Leben.

Sie sind wunderbare Menschen, die sich immer für Freiheit und Respekt einsetzen.

Ich werde für immer mit Euch leben

Rossano 09. Juni 2021