„Wenn nötig, werde ich meinen Hungerstreik bis zu meinem letzten Atemzug fortsetzen“. Ein Brief von Cesare Battisti aus dem Gefängnis von Rossano

Cesare Battisti

Es gibt Texte, die übersetzt man nicht ohne Tränen in den Augen, ohne dieses Gefühl von Beklemmung in jener Region, in der das Herz angesiedelt ist. Cesares Situation im Trakt ist unerträglich, seine Haltung, diese Situation nicht länger hinzunehmen, ist so entschlossen wie man es sich nur vorstellen kann. Er wirft sein ganzen Leben in die Waagschale, das letzte Mittel was ihm noch geblieben ist. Wir hatten ja schon einige Beiträge von ihm im Heft, alles was es zu seiner Entführung nach Italien, seiner Isolation im Hochsicherheitstrakt inmitten von islamistischen Faschos zu sagen gibt, kann nachgelesen werden. Was es jetzt braucht, ist gelebte Solidarität und Aktionen, die Druck auf den italienischen Staat aufbauen. Wir alle werden im historischen Gedächtnis der Klassenkämpfe auch immer danach beurteilt werden, wie wir es mit unseren in die Hände des Feindes gefallenen Genoss*innen gehalten haben. Dimitris hat uns und unsere Liebe und Wut gebraucht, jetzt braucht Cesare Battisti uns. Sunzi Bingfa

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Bio-Politik – Die Regulierung der Körper

Gerald Grüneklee

Wir bringen in dieser Ausgabe einen weiteren Auszug aus dem Buchprojekt von Gerald Grüneklee, von dem wir hoffen das es bald in Gänze gedruckt vorliegt. In der Sunzi Bingfa #18 hatten wir ja bereits ‘Zero Covid – Eine Polemik’ als Auszug aus dem Buchmanuskript veröffentlicht. Wir danken dem Autor aufs herzlichste für die Gelegenheit, diesen Text vorab vorzustellen. Sunzi Bingfa

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Das Konzept der Revolution durch die syrische Erfahrung überdenken

Charlotte Al-Khalili

Eine Anthropologie der syrischen Revolution

Kann man zehn Jahre nach den ersten Protesten in Syrien immer noch von einer „syrischen Revolution“ sprechen, zumal sich der Begriff „Syrienkonflikt“ spätestens seit Mitte der 2010er Jahre als bevorzugter Begriff zur Beschreibung der Ereignisse vor Ort durchgesetzt zu haben scheint? Vielleicht erscheint es utopisch, von einer syrischen „Revolution“ zu sprechen, wenn die Zahl der Toten und Verschwundenen in den Gefängnissen des Assad-Regimes in die Hunderttausende geht und die Zahl der gewaltsam Vertriebenen 13 Millionen übersteigt. Kein Wunder, dass man jetzt häufiger von einer humanitären Krise und einem endlosen Konflikt hört.

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Fiat im „Heißen Herbst“: Arbeitergemeinschaft

Die autonomen Arbeiter*innenkämpfe bei FIAT Ende der 60iger, Anfang der 70iger gehörten wohl zu den Geschehnissen in Italien, die damals mit am meisten mit der Hoffnung verknüpft waren, “den Himmel zu stürmen”. Vieles bleibt ja nur als vage Erinnerung erhalten, vieles gerät in Vergessenheit, so z.B. dass damals eigentlich alle antagonistischen Gruppierungen in den Fabriken verankert waren, auch die bewaffneten. Über die Kämpfe bei Fiat mag dieser Text vielleicht ganz gut Auskunft geben, auch wenn er als Auszug weder die Genese dieser Organisierung, noch ihr tragisches Scheitern (u.a. an den eigenen Begrenzungen) abzubilden vermag. Der Text entstammt dem Buch ‘Lavorare in Fiat’ von Marco Revelli, dass von den Genoss*innen von ‘wildcat’, (früher Karlsruher Stadtzeitung) komplett übersetzt und in ihrer Reihe ‘TheKla’ veröffentlicht wurde. Wir haben das Original etwas bearbeitet um es online stellen zu können (die Fußnoten haben wir aus praktischen Gründen weggelassen). Wir setzen damit unsere lose Reihe zur italienischen Autonomia und der italienischen Arbeiter*innenbewegung fort. Sunzi Bingfa

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Der Aufstand gegen den Besuch – Papst Johannes Paulus II in den Niederlanden

Riot Turtle

Im Mai 1985 kam der Papst in die Niederlande, es sollte ein Desaster werden. Nicht nur wegen der stundenlangen Straßenkämpfe während des Besuchs von Papst Johannes Paulus II in Utrecht, sondern auch, weil der Papst in den Niederlanden schlichtweg nicht willkommen war. Auch viele Katholiken gingen auf die Straße, um gegen den Besuch zu protestieren. Sunzi Bingfa

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„Die Revolte stellt alles in den Schatten, was die Welt zu bieten hat“

Idris Robinson

Ein Gespräch mit Gerardo Muñoz, übersetzt von Sunzi Bingfa

Idris Robinson ist ein junger afro-amerikanischer Denker, der in seinen Überlegungen die Geschehnisse in einem Land beleuchtet, das von einem Bürgerkrieg an mehreren Fronten gezeichnet ist. Das Erscheinen seines Textes „How it Might Should Be Done“ (Deutsche Version in Sunzi Bingfa #3) im Juli 2020 verdeutlichte vieles im Durchdenken der Spannungslinien, die durch den Mord an George Floyd, die repressive Verschärfung des Trumpismus, die kapillaren Formen der Proteste, die Ausdehnung des „Hinterlandes“ (ein Niemandsland zwischen den Städten und dem Land) und die neue technisch-räumliche Hegemonie der Großstädte entstanden sind. In diesem Text, der mit poetischer Kraft und analytischer Leidenschaft ausgestattet ist, hat Robinson eine Diskussion angestoßen, die bis heute offen geblieben ist, nämlich die Frage, was das Ergebnis dessen ist, was man mit Nicole Loraux und Giorgio Agamben als einen Bürgerkrieg bezeichnen kann, der sowohl die alten politischen Paradigmen der Autorität als auch die Vermittlungen zwischen Staat und Zivilgesellschaft überwindet. Diese theoretische Reflexionslinie aufgreifend, wurde sie auf die konkrete historische Linie des Konflikts angewandt, der zum Ende der Sklaverei in seinem Geburtsland führte, es aber nie schaffte, seinen allgegenwärtigen thanatopolitischen Antrieb des anti-schwarzen Rassismus abzuschaffen. Offensichtlich taucht in diesem Zwischenraum die Frage der Verelendung und neuer Formen des Exodus als Vorbereitung auf ein mögliches ethisches Leben auf. Seitdem haben wir weiter mit Robinsons Texten während des dunklen Moments des amerikanischen Interregnums gerungen.

Robinson ist von Beruf Philosoph an der University of New Mexico, wo er an einer Dissertation über Wittgensteins morphologische Logik und Enzo Melandris Arbeit über Analogie arbeitet, aber er ist auch eine prominente Figur in der sozialen Bewegung nach der Ermordung von George Floyd gewesen. In den letzten zwei Jahren hat er mit Ill Will Editions und Red May Seattle zusammengearbeitet. Persönlich möchte ich anmerken, dass Ende letzten Jahres einige von uns im Rahmen einer Konferenz über undercommons and destituent power einen Dialog mit Robinson (1) begannen, in dem es um die Beziehung zwischen Bürgerkrieg, dem Horizont der Destitution und der Möglichkeit einer Verklärung der zeitgenössischen Politik ging. Und im Lichte dieses Austauschs entstand die Idee, einige der Themen, die nun in Form eines Gesprächs erscheinen, zu ordnen. Dabei handelt es sich keineswegs um ein fertiges Gespräch, sondern um eine unabgeschlossene Konversation, in der die Möglichkeiten des Denkens und die Hektik der Ereignisse in einer Epoche außerhalb ihrer selbst zusammenkommen. Die Originalversion dieses Austauschs erschien in Revista Disensoin (Chile Anfang März 2021) und die englische Version erscheint zum ersten Mal hier bei Tillfällighetsskrivande (24. Mai 2021).

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