#1Mai 2022 Berlin – Rumble in the Jungle

Autonome aus Berlin

Ein Hahn kräht nur, wenn er das Licht sieht. Setzen Sie ihn in die Dunkelheit und er wird nie krähen. Ich habe das Licht gesehen und ich krähe.“

Muhammad Ali

They never come back’, dies schien auch für den 1. Mai in Berlin zu gelten. Ein todgelaufendes Ritual, das zwar immer noch Tausende anzog, aber von dem weder politisch oder praktisch irgendetwas Relevantes ausging. Im Bullenspalier zog eine apathische Masse ihre Runden, der Frontblock wurde von Jahr zu Jahr kleiner, bis er nur noch ein paar Dutzend Unentwegte umfasste, Fischfutter für die Bullen, die völlig die Kontrolle darüber hatte, wann was geschah und wann sie den Frontblock, unter was für Vorwänden auch immer, gründlich zerlegten. Zum Schluß schlichen sich die Menschenmassen aus dem vorbereiteten Kessel am Endpunkt, die vorbereitenden Gruppen erfanden immer neue Gründe, warum der diesjährige 1. Mai kein Desaster sondern ein Erfolg war und am Ende dröhnten nur die Bässe des Ballermann Myfest bis Mitternacht durch den Kiez.

Dann kam Corona und veränderte alles. Auch den 1. Mai. Die Mobilisierung 2020 war die ersten Massenmobilisierung in Westeuropa nach dem Ausbruch der Pandemie, unangemeldet versammelten sich mehrere Tausend in Kreuzberg, zog kreuz und quer durch 36, die Bullen kamen in echte Schwierigkeiten und am Abend schien die untergehende Sonne in lächelnde Gesichter hinter den Halstüchern und Masken.

Leider schien dann 2021 wieder einen Rückfall in altbekannte Muster zu bringen, das vorbereitende Bündnis erklärte einen einseitigen “Gewaltverzicht”, der “allen” eine Teilnahme an der Demo ermöglichen solle, die Alten erinnerten sich daran, dass es früher sogar einen “Kinderblock” am Ende des Zuges gegeben hatte, trotz der wesentlich heftigeren Auseinandersetzungen als heutzutage, aber das Kind schien in den Brunnen gefallen, oder besser mit dem Bade ausgeschüttet worden zu sein. Aber den Bullen war die selbsternannte Sozialdemokratisierung letztendlich egal, selber schon lange Akteur des Spektakels nutzen sie die bescheuerte Routenführung für einen massiven Angriff auf den blackbloc der Interkiezionale, der weiter hinten in der riesigen Menschenmenge lief. Was dann zur allgemeinen Überraschung zu einer halbstündigen Schlacht in der Neuköllner Sonnenallee führte, an der sich viele Jugendliche aus dem Kiez beteiligten, die man schon in den Stunden zuvor mit glühenden Gesichter in kleinen Gruppen am Rande der Route auf die Demo hatten warten sehen.

Nun, am Ende war es ein weiterer 1. Mai, an dem man am Abend nicht in trostlose, leere Gesichter schauen musste. 2020, 2021, und 2022…?

Die zahllosen Scharmützel von Jugendlichen mit den Bullen in den Parks der Hauptstadt in den letzten beiden Jahren, die vielen Menschen, die sich zum Jahreswechsel 21/22 das Feiern auf den Straßen von Kreuzberg und Neukölln nicht haben nehmen lassen, die dafür gesorgt haben, dass die Verfügungen von über 50 ‘Böllerverbotszonen’ und einem generellen ‘Ansammlungsverbot’ trotz einem massiven Bullenaufgebot nicht durchsetzbar waren, zeigen dass es in dieser Stadt immer noch Viele gibt, die sich das Leben nicht von Autoritäten vorschreiben lassen wollen. Übrigens auch nicht von Linken, die in der Pandemie ihre Neigung zur (Selbst) Unterwerfung verabsolutiert haben.

Der 1. Mai in Berlin hat schon immer den Ausgesteuerten, denen mit der Faust in der Tasche, den Marginalisierten, den Prekären, den Armen, den Migranten, den Verrückten, den Jugendlichen, der Goldenen Horde gehört. Sie haben 1987 die Bullen aus Kreuzberg vertrieben, die Straßen in Beschlag genommen, mit Pflastersteinen tausendfach im Takt auf die Metallgitter der Verkehrsabsperrungen geschlagen, sie kommen jedes Jahr, egal wer aufruft, wer welchen Blödsinn in welchen Aufrufen verfasst, wer sich als Avantgarde wähnt, weil er ganz vorne laufen darf. Deshalb packen sie jedes Jahr tausende von Bullen auf ein paar tausend Quadratmeter, lassen ihre Hubschrauber kreisen, untersagen den Verkauf von Glasflaschen in den Spätis, drehen schon am Vorabend ihre Kreise, schleppen jeden Bauwagen weg, sperren den Kotti komplett mit Gittern ab und leuchten ihn am Abend taghell mit ihren Flutlichtleuchten aus.

Nun also, da alle wütend, verzweifelt und traurig sind, nach 2 Jahren Ausnahmezustand, nun da all die unterdrückten Affekte endlich an die Oberfläche wollen, damit man wieder Luft bekommt, nun da die Rechten das Feld bestellen weil die Linken lieber stay home praktizieren, nun da die Räume immer enger werden und die Zeit immer knapper, nun also wird es Zeit, wieder auf die Straßen zurückzukehren, wo bekanntlich die Geschichte geschrieben wird. Nichts erscheint dringlicher als Momente gegen die Ohnmacht zu schaffen, was alles immer noch möglich ist, hat der Abend nach der Räumung des Köpi Bauwagenplatzes gezeigt. Wir wissen dass der 1. Mai nur ein Tag im Jahr ist, wir wissen dass jedes Feuerwerk vergänglich ist, wir wissen wie vergänglich ja jedes Glück ist, aber “was ist uns geblieben außer zu kämpfen und zu lieben”. Und vielleicht treffen wir ein paar alten Genossen wieder oder lernen neue Gefährtinnen kennen. Vielleicht wird die Sonne scheinen und am Abend wieder dieses einzigartige Licht die Oranienstraße verzaubern, da wo der Goldene Hahn nie schläft. Da wo wir uns erinnern – an uns selber.