Assoziierende Biestigkeit

Jennifer Bennett

Es läuft jetzt schon lange. Und die Traurigkeit ist nicht kleiner, sondern größer geworden. Nicht bei mir, aber bei den Gläubigen. Noch immer sind es die Berichte aus den besonders hart getroffenen Gebieten, welche eine, wie mir scheint errechnete Rate, als Meinung dastehen lassen. Es hat sie gegeben, die Toten, also was soll die Diskussion. Das Virus ist gefährlich, das hat man doch gesehen.

Warum das Virus aber besonders an einigen Orten viele Opfer gefordert hat, wird im Falle Bergamos mit einem Fußballspiel und dem Jubel über vier Tore und den eigenen Sieg in Verbindung gebracht, im Fall New Yorks mit unbehandelten Vorerkrankungen und ich sage: ja, Diabetes ist eine Pandemie. „Unsere“ Ernährung ist schlecht und wir wissen es alle.

Aber das Virus gibt es und es fordert Tote. Da gibt es kein Pardon. Darum kommt auch kein mir vertrauter Linker auf die Idee, nun Radau dagegen zu machen, dass für eine Krankheit mit einer Mortalitätsrate von 0,1% Milliarden in die Impfstoffentwicklung fliessen – während Menschen in Altersheimen schon lange und nun noch mehr vereinsamen, überarbeitete Krankenpflegerinnen über „Coolout“ klagen, kleine Läden geräumt werden oder aufgebend die Türen schliessen, Millionen Kurzarbeiter*innen noch prekärer werden, Kulturschaffende Hartz 4 Empfängerinnen werden, in Spanien gibt es jetzt ein sogenanntes Mindestlebenseinkommen.

Dort müssen sie auch allein im Freien mit einer Maske rumlaufen. Wir haben es mit eigenen Augen gesehen, als Reisende, die wir nicht länger sein sollen.

Wenn ich mit einer einfachen Suchanfrage versuche, die „offizielle“ Mortalitätsrate zu finden, um mich in meinem Hochmut durch diesen taz Artikel mit der Aussage 0,1 % Mortalitätsrate zu bestätigen, stosse ich auf nichts Aussagekräftiges.

Die Mortalitätsrate variiert nach Ländern stark und dann komme immer wieder ich, mit meinem Vergleich zur hohen Sterblichkeit durch medizinische Fehler.

Ich habe eine wunderbare Frau betreut, die immer wieder betonte, die Ärzte hätten sie verkrüppelt. Ja, sie war auch „verrückt“, sie konnte die Welt in der wir leben nicht ausstehen, malte in schnellen Strichen wundervolle Blumensträusse, die verwelkend auf ihrem Tisch standen und hatte in Filmen gespielt, die anklagen, was sie nicht verändern können, aber im Film eindeutig und pervers abbilden, was es ist, um die Abscheu und den gewünschten Sturz im Geist vorwegzunehmen.

Das ist nötig. Der Geist muss sich mit ganzer Wucht dagegen entschliessen. Dagegen die Rolle des konditionierten Affirmierers einzunehmen. Sich, wenn nötig, in der Abwendung von der Welt wenigstens auf den Tod freuen, so wie die von mir Betreute es tat. Sie genoss das Leben dabei auch, aber das Leben unter Herrschaft – die sich immer stärker in jeden Lebensaspekt einschreibt – kann sich nicht erfüllen, für niemanden. Es verarmt und wir spüren es schon lange.

Wo Nekrophilie herrscht, gibt es kein Leben.

Nicht das Bewegte sich Bewegende, sondern das Tote, in Einzelteile zerteilte, wird potenzierend untersucht und dann als Leben im wissenschaftlichen Sinn dargestellt. Die Technik hat‘s bewiesen, also muss es Wahrheit sein. Die Grenzen klar gezogen, Häuser besser ungenutzt zerfallend, als unbezahlt genutzt. Das Gesetz ist total, law and order, der Kreis bis ans globale Ende gezogen, die Gerechtigkeit des Königs, vollumfänglich verteilt, lokale Bräuche treten dahinter zurück.

Aber wer ist der König und mir assoziiert der Song König Alkohol rein, von einer Band, die‘s nicht mehr gibt, die nie gross war und im Internet mit der zu dem so betitelten Song verlinkten, nicht übereinstimmt. Von ihnen also gerade jetzt nicht gehört werden kann, nie mehr gehört werden wird, die leisen Töne, des nur lokal Bekannten, gehen unter, im unhaltbaren, sich galoppierend ausdehnenden Rauschen des WorldwideTech. Wahrheit gibt es nur im Sein, ich mit der Musik, den Instrumenten, den Spielern und anderen im Schallraum.

Der materiell geteilte Raum Vergangenheit?

Jetzt schon, die Menschen genießen den Rückzug. Sitzungen finden hauptsächlich online statt, die meisten sind es schon gewohnt, wegen eh schon globaler Beziehungen. Und wie sie abgehen auf die Tests und Ergebnisse aus den Maschinen.

Anarchistische Plattformen beklagen sich über fehlende Daten!

Die Realität wird rein maschinell vermessen und es wird geklatscht. Konzerte finden nun im kleinen Rahmen mit Voranmeldung statt, vieles, noch mehr läuft über Apps. Auch ich bin es gewohnt, wie kommt es, dass ich es dennoch als autoritäres Oktroyieren einer gewünschten kulturellen Veränderung empfinde?

In the pursuit of somebody elses abstraction.

Als ein stetiges Zubewegen, in eine MenschenUmwelt, die noch distanzierter voneinander und im Kontakt noch hilfloser miteinander ist? Das sich näher kommen hat sich erübrigt und kommt wahrscheinlich auch nicht zurück, denn, wie es ein Fernsehsprecher ausdrückte, war es vorher, so überfüllt, ja auch ungewollt.

Wobei mir ein Freund aus der Schweiz reinassoziiert, der weil er beim Pendeln immer stehen musste, die Wiedereinführung einer dritten Klasse forderte. Nur vergaß er dabei, dass bei der Abschaffung in den 1950er Jahren, aus der 3. die 2. wurde, die 1. davor die Luxusklasse gewesen war, aber seither fährt diese wohl nicht mehr mit dem Zug.

Bei mir hat es zugegeben beim Handy gestoppt mit dem Mitgehen. Mehr Verbindung zu WorldwideTech behagt mir nicht und ich witzelte seither vom Chip, auf den ich zwecks AbfallVermeidung warten würde, wobei ich verschwieg, dass ich keinesfalls einen haben wollte. Denn so jemand hat – wie mir schon länger schwant – im 21. Jahrhundert nichts verloren und es hätte mich in den weitesten Kreisen abstrus dastehen lassen, wenn auch nicht offen so ausgedrückt, viele nickten mir respektvoll zu, als könnt ich etwas, was sie nicht können.

Und jetzt muss ich mich mit Menschen über ein Virus streiten, statt grundsätzliche Fragen zu stellen. Warum sind wir so am Arsch? Warum hat es Jahrzehnte die wenigsten interessiert, dass die ganze Zeit Menschen verhungern, verelenden, ertrinken und leiden.

Aber das Virus ist wichtig, es bringt den ganzen Globus in Gefahr.

Aber ich weise darauf hin, dass das eine rücksichtslose, privilegierte Behauptung ist, und von Anfang an war. Es wurde immer auf Solidarität verwiesen, aber wie geht es Menschen, die an Hunger leiden und merken, dass für die Lösung anderer Probleme, die ganze Welt still steht? Sind wir solidarisch mit den Hungernden? Waren wir es je?

Wenn es stimmt, was viele aus selbstorganisierten Zusammenhängen berichten, dass viele nur aktiv sind, während sie selber Probleme haben, wird es wohl auch beim Hungern so sein und leider gibt es schon die Furcht in mir, dies könnte bald noch schlimmer werden, mit dem Hunger.

Es sind andere Dinge, die den ganzen Globus in Gefahr bringen, sie betreffen abstruse Fehlinvestitionen, Über- und Falschnutzung, Zerstörung zugunsten kurzlebiger Produkte, Beziehungen, Zusammenhänge.

Die globalen Nomaden Geier, die eben keine Reisenden – angewiesen auf Gastfreundschaft – sind, weil sie stattdessen überall Zugang zu Eigentum und beste Beziehungen haben. Und sie sagen sich, wer bezahlt, darf ein Arschloch sein, wie der überessene Flugpassagier, der aus der 1. Klasse wegen Überbuchung seinen Platz neben mich wechseln musste, der „in Öl machte“, auf dem Flug von Istanbul nach Hamburg.

Ja auch ich habe teilgenommen, nehme teil am Vebrechersystem, bin Gehilfe, Ermöglicher und Ausgebeutete zugleich, Arbeiter und Unternehmer fallen in eins. Aber womöglich überspringen wir da auch eins und gehen direkt zu UBI. Worldwide socialism or lets call it happytalism, (ain’t that funny), was halte ich denn von den politisch angestrebten Deals?  Green Deal? New deal?

Sie bestätigen mein gut-feeling. Dass wir schwerste Angriffe im Kolonialstil erleiden. König Alkohol. Aber der soll ja jetzt nahezu verboten werden, zwecks Vermeidung feuchter Aussprache, wie uns das belgische Radio erklärte.

Die Menschen lassen sich programmieren, das ist nun offensichtlich. Inwiefern und wie aber überhaupt in diese Programmierung interveniert werden kann, gilt es herauszufinden.