Wollt ihr meine Rosen pflücken?

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Ich hatte eine ganz normale Kindheit. Ich bin in einem Einfamilienhaus aufgewachsen, in einem kleinen Ort, in Reichweite einer großen Stadt. Es war eine geborgene Kindheit im Grünen mit einer Familie, großen Garten und viel Spielzeug. Ich bin in einen wunderschönen Kindergarten gegangen und hatte dort genug Freunde, genauso wie in der guten Schule, die ich lange und ehrgeizig besucht habe. Ich zog hinaus in die weite Welt und absolvierte einen Freiwilligendienst in Afrika, machte interkulturelle Erfahrungen, war beliebt und half wo ich konnte. Ich habe mich früh verliebt, wir nahmen es ernst, heirateten in aller Frische und bekamen wenig später ein Kind. Dann schließlich begann ich zu studieren: Kritisch zu Denken; gesellschaftliche Lösungen finden, darum sollte es gehen. Und ich fing an zu meditieren, um ein bisschen Ruhe, aber vor allem mich selbst zu finden. Wenn man mich fragte, was ich mal werden will, sagte ich: „Ich weiß es nicht, mal gucken, was kommt“ und das war normal. Ich wurde Mitglied bei den Grünen und machte ein Praktikum bei der TAZ, war engagiert und trat hier wie dort offene Türen ein.

Das ist mein Lebenslauf. Ich bin morgens aufgestanden, habe dies und jenes getan und mich abends wieder schlafen gelegt. Nützlich wie ein Einkaufswagen zwischen bunten Regalen im Supermarkt und ich hatte Hoffnung: Komm nimm mich! Wir können doch was im Sortiment erleben! Oder leih mir deine Münze und lass uns durchbrennen! Aber ein Mensch mit Einkaufswagen ist Verbraucher, ein Einkaufswagen im Wald ist Schrott.

Die Welt lag mir zu Füßen und ich stolperte. Manchmal bin ich plötzlich traurig oder unerwartet glücklich, aber warum? Ist heute verkaufsoffener Sonntag? Ich stolperte über das, was mir im Weg lag: Familie, Schule, Ehe, Universität, Arbeit. Ein gutes Kind war ich, dass gerne stolperte, denn dieser Weg war ja meiner und – so sei es nun mal. Nie fehlte es an Trost und Hoffnung im Alltag eine bessere Zukunft zu suchen oder nur ein bisschen Glück.

Ich war Kind unter Kindern in einer Welt voller Gespenster, die sich im Licht der Normalität verstecken und „Piep“ machten, als hofften sie heimlich, dass jemand kommt der sagt „Tick, du bist!“. Sah man sie an, guckten Sie, als wären sie beim Naschen erwischt worden und erwarteten, dass man sie mit einer gehörigen Tracht Prügel von ihrer Schuld erlöse. Ich sage euch, eure Erlösung wird nicht kommen, aber Prügel kriegt ihr trotzdem!

Eines Tages werde Ich beim Küche machen die Klingel klingeln hören, Ich werde zur Tür gehen, sie öffnen und dort wird ein Gespenst stehen, um ein bisschen Leben von mir einzutreiben. Nur eine kleine Schuld, es täte ihm Leid, aber so sei es nun mal. Dann werde Ich anfangen zu brüllen, einen Besen nehmen und dem Gespenst übern Kopf ziehen, noch bevor es sich umdrehen kann. Es wird abhauen und ich werde ihm hinterherjagen so weit Ich kann.

Und es wird diese Zeit kommen, da die Menschen nicht mehr willens sind ihre Rechnungen aus dem Nichts zu bezahlen. Sie werden ihres Lebens müde sein und müde, für jede Bewegung Rechenschaft abzulegen, Bilanzen zu machen, dann zu versprechen sie im Hinblick auf irgendwas zu verbessern, nett zu sein und Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Sie werden keine Lust mehr haben nur noch Funktionen, Ansprüchen, Nummern, Umrissen und Gesichtern zu begegnen. Und Sie werden der Feigheit ihrer Zeit so müde sein, dass sie lieber sterben, als sich ihr weiter preiszugeben. Und diese Menschen, werden sich an Orten treffen, von denen niemand wusste, dass es sie hätten geben können: Es werden die Orte sein, zu denen sie gelaufen sind, so weit sie konnten, weil sie Gespenster aus ihrem Leben gejagt haben. Und dort werden sie brennende Barrikaden errichten und sich die Prediger und Faschisten vom Leib halten. Hinter den Barrikaden werden sie mal gucken, was kommt und sie werden leben.

Hier sitze ich hinter einer Barrikade und schreibe. Es ist eine kleine Barrikade, aber sie brennt und sie wird gehalten von dem Leben jener, die der Feigheit überdrüssig geworden sind. Wir haben irgendwann den Mut aufgebracht zu schreien und sind mit dem was wir in der Hand hatten losgelaufen. Stetig kommen neue Menschen dazu und schmeißen was sie mitbringen auf die Barrikade. Hinter den Rauchschwaden kann man die sich zusammenrottenden Faschisten sehen, unter ihnen so viele Polizisten mit ihren Waffen und Helmen, wie Bürger mit Feuerlöschern, Knüppeln etc.. Ein Mann mit rotem Kopf löst sich aus einer Gruppe, rennt mit einem Wassereimer auf die Barrikade zu, wohl in der Hoffnung das Feuer zu erreichen. Ein Stuhlbein, das jemand geworfen hat, trifft den Rotkopf an der Schulter. Er stolpert über ein Kinderfahrrad und humpelt zurück zu den anderen Faschisten. Ich denke, es wird nicht so leicht werden, diesen Ort zu verteidigen. Einige stehen schon in Gruppen zusammen und schmieden Pläne wie die Verteidigung aufzubauen sei. Für den Moment tun jene am besten, die einfach dazukommen und auf das Feuer schmeißen, was sie dabei haben. Manche die erschöpft sind, legen sich am Straßenrand hin und ruhen sich ein bisschen aus. Auch ich war lange unterwegs und bin müde vom Schreien und Laufen. Ich lege mich zu den anderen an den Straßenrand.

Leben heißt die Gespenster zu verjagen, jedes für sich, ein für alle Mal. Die Gespenster waren die Herrschaft des Nichts, die alles entleerte und ihr süßes Versprechen an die Menschheit war ein Leben am Tropf bis in alle Ewigkeit.

Wie ein Echo aus dem Nichts kreischten die Gespenster FICK MICH! FRISS MICH! FÜRCHTE MICH! und so wollten sie dem Menschen das nehmen, was sie selbst nicht haben konnten: Die Liebe, die Erde und den Mut. Die Gespenster hatten keine größere Angst als uns Menschen. Sie wussten, dass sie uns alles nehmen konnten, nur unseren Willen zum Leben nicht, unsere Macht sie zu verjagen.

Sie verfolgten uns den ganzen Tag und gaben uns Techniken und Materialien, die wir benutzen sollten, damit wir wie sie werden. Und wir benutzten sie, um nicht länger verfolgt zu werden. Wir glätteten unsere Haut, malten uns Gesichter, formten unser Fleisch, versteckten Körperteile und andere stellten wir heraus, mit den verrücktesten Techniken. Wir sollten wirklich Gespenster werden und von nun an lag so viel Scham darin ein Mensch zu sein, dass die kleinsten Berührungen oder ein ehrlicher Blick unmöglich wurden. Man gab uns Worte darüber zu kommunizieren. So sprachen wir über Männer, Frauen, etc., als läge etwas Menschliches darin, wie sich Gespenster begegnen sollen.

Dann gaben sie uns Filme, in denen Gespenster ficken und sich Gewalt antun, wir wussten, dass das unter Gespenstern unmöglich war, aber für sie war es ein perfides Spiel mit dem Menschen und wir spielten gerne mit. Dies nannten sie Geschlechter, Mode und Sexualität. Die Gespenster flüsterten, nichts sei unmöglich, wenn wir daran glaubten. Wir gaben ihnen unser Leben und glaubten alles sei möglich. Dafür gab es Belohnung, die wir sammelten und hüteten. Sie nannten es Geld, Glück und Reichtum. Und an dafür errichteten Orten verkauften sie uns dafür mit ihren Glaubenssätzen bepinseltes Essen in Dosen und Schachteln. Wir übernahmen ihre Zeremonien wie sie es pflegten, das Essen einzunehmen. Es gab auch manche Stoffe und Substanzen, die unter den Gespenstern für Schwierigkeiten sorgten, weil sie Ihnen gefährlich werden konnten, sie nannten sie Drogen, erzählten Gruselmärchen darüber und verboten sie.

Die Gespenster bauten Autos, die aussahen wie sie selbst, riesige, fahrende schwarze Fratzen waren es oder bunte süße Flitzerchen, die ständig ihre Gesichter erneuern mussten, um glaubhaft zu bleiben. Sie gaben uns auch Instrumente und Geräte mit dem Versprechen den Tod zu überwinden, denn wir sollten ja ewig leben. Diese Geräte dienten genauso der Disziplinierung der Menschen und wenn jemand sein Leben nicht unter Kontrolle hatte, gab es Orte wo er sich in Behandlung geben musste, bis es wieder unter Kontrolle war. Die Gespenster hatten wirkliche Angst vor dem Fleisch der Menschen, seinen Gerüchen, seinem Schmutz und auch dafür fanden sie Mittel und Wege es erträglich zu machen. Sie nannten es Lebensmittel, Gesundheit und Hygiene. Doch weil sie uns Menschen so sehr fürchteten, entwickelten sie Geräte, die alles hell machten und andere, von denen wir glauben mussten, dass sie uns damit beobachteten. Ihre schlimmsten Prediger erklärten sich sogar bereit andere Menschen zu verprügeln, einzusperren oder zu töten, wenn sie sich nicht gläubig zeigten. Dies nannten sie Polizei und Recht und Sicherheit. Sie teilten das Land in Ansprüche und Zwecke auf, sicherten sie mit Absperrungen, Schranken und Zäunen stellten Schilder und Zeichen auf und machten uns glaubhaft, dass sie was zu bedeuten haben. Ein Schild mit „Betreten verboten“ reichte, um uns Angst zu machen, dass es spuken könnte. Sie machten aus Wegen Straßen und aus Straßen Autobahnen, denn die Überwindung der Zeit war ja das Versprechen an die Menschheit. Dies alles nannten sie Eigentum, Naturschutz und Mobilität. Sie errichteten Orte, wo uns tagtäglich Gespenstermärchen erzählt wurden und andere, wo wir selbst Gespenster erschaffen sollten. Sie bauten riesige und winzige Maschinen, um alles ins Nichts zu übersetzen und zwangen uns für sie zu arbeiten, zu messen, zu beurteilen und zu vergleichen. Dies nannten sie Bildung, Wissenschaft und Arbeit.

Sie ließen uns FICKEN, FRESSEN und FÜRCHTEN für ein leeres Versprechen an eine Menschheit ohne Menschen. Sie nahmen uns die Liebe, das Fleisch, die Leidenschaft und die Erde. Sie stahlen uns die Nacht, den Respekt und den Mut. Sie nahmen uns die Erfahrung, das Denken und die Zeit.

Wir Menschen waren es, die die Gespenster riefen. Sie brachten uns den Faschismus. Aber einst wird der Mensch in die Leere treten, als sei Nichts gewesen und dem Faschismus die Stirn bieten. Der Mensch wird als Mensch unter Menschen leben!

Ich wache auf, als die Frühlingssonne schon tief steht. Am Himmel kreist ein Hubschrauber der Faschisten. Ich entschließe mich, ein Stück in den Ort zu gehen. Es ist viel los auf der Straße, es werden Matratzen, Töpfe, Scheinwerfer, Geräte, Musikinstrumente, Holz, Werkzeug usw. rumgetragen. Autos scheinen es eilig zu haben, hupen und drängeln sich durch das Gewusel. Ich beobachte wie Menschen von Haus zu Haus gehen und den Bewohnern erzählen was passiert. Manche reagieren gelassen, andere werden sehr wütend. Viele von Ihnen werden wahrscheinlich ihr Auto vollpacken und den Ort erstmal verlassen. Aber ich spüre kein Mitleid mit ihnen, es hatte eh nicht den Anschein, als wollten sie wirklich hier leben wollen. Sie sammeln Ärgernisse und ziehen dann irgendwann um. Woanders dürfte es genug Platz für ihre kleinen Privatsphären geben und vielleicht müssen sie von dort nicht so weit zur Arbeit pendeln. Sie werden sich nicht mal von ihren Nachbarn verabschieden.

Eine Frau von der Presse mit Kameramann kommt auf mich zu und fragt, ob ich hier lebe und was ich von den Barrikaden halte. Ich habe keine Lust mit ihnen zu sprechen und gehe weiter. Im Ort setze ich mich zu einer Gruppe von Menschen, die Feuer auf einer Kreuzung gemacht haben. Es wird gerade erzählt, dass vom anderen Ende des Ortes Menschen kamen und das dort auch Barrikaden brennen. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Der Himmel ist klar, es könnte eine kalte Nacht geben, doch die Barrikaden brennen weiter lichterloh.

Einst glaubten die Menschen wirklich, sie hätten ihr Stückchen Wiese um dort zu sitzen, ein bisschen Recht es zu dürfen und einen Anwalt es zu verteidigen. Sie hatten Zäune und Schilder, um ihren wichtigen Glauben zu bezeugen. In dieser Zeit war man am besten selbst Rechtsanwalt, um auf einer Wiese zu sitzen. Man sagte uns: Mach doch was du willst, alles ist möglich! Aber Alles war nichts und Nichts war alles. Wir wussten nicht mal mehr, warum wir die Polizei hassen sollen.

Mittlerweile habe ich Hunger und bin losgezogen, um was zu essen zu suchen. Ich gehe die Straße zurück Richtung Barrikade. Es ist dunkel, jemand hat die Straßenlaternen umgefahren und quer auf die Fahrbahn gezogen, manche davon leuchten noch, aber die meisten sind komplett rausgerissen und stecken in geöffneten Gullis wie Zahnstocher. Auch Steine, umgekippte Autos und Zäune liegen auf der Straße.

Als ich an der Barrikade ankomme, treffe ich ein paar Leute, die aus verschieden großen Töpfen Nudeln in Soße essen und noch eine Gabel übrighaben. Ich setze mich dazu und freue mich über das Essen. Aus den Lautsprecherwagen der Faschisten wehen Worte herüber, dies sei die letzte Aufforderung eine Kontaktperson- oder gruppe zu bestimmen, die sich an irgendeiner Stelle jenseits der Barrikaden einzutreffen habe. Man werde die Barrikade sonst mit Gewalt räumen. Ob die Faschisten wirklich noch glaubten, mich zu bekehren, damit ich ihre Rechnungen bezahle? Jedenfalls war es vollkommen unsinnig rüber zu gehen, denn ich war ja hier, weil ich es nicht tun werde. Und den anderen ging es wohl auch so, jedenfalls ging niemand rüber.

Die Faschisten hatten mittlerweile Scheinwerfermasten aufgestellt und schweres Gerät aufgefahren. Riesige Fahrzeuge mit großen Rädern, hellen Lichtern, glatten Panzern und scharfen Kanten. Sie stehen in strengen Reihen zwischen ihren Maschinen, vorne diejenigen mit den Uniformen, Rüstungen, Helmen und Waffen, dahinter die anderen mit ihren roten Köpfen, Eimern, Feuerlöschern und Knüppeln. Am Rand stehen noch ein paar dunklere Gestalten, mit schwarzen Helmen, Gasmasken, größeren Waffen und eisernen Gesichtern. Darüber kreisen die Hubschrauber. Die Wirklichkeit ist in tausend Stücke zerbrochen. Viele werden sich ein Stück teilen, was ein schwieriges, aber wunderbares Glück ist. Wieder und wieder wird es zu Bruch gehen, kein Kleber oder Rahmen wird es verhindern können. Manches wird verloren gehen, zu Staub zermahlen und nie wieder gefunden. Es wird Streit um die Bruchstücke geben, denn von allen Ecken und Enden sind Stimmen zu hören, die schreien: Gebt mir die Scherben! Lasst sie mich fügen! Und sie prügeln, wer nicht hergibt was er hat. So werden auch Blut und Tränen an den scharfen Kanten fließen. Einige wird es auch zu albern sein oder sie sind zu müde für solche Spielchen. Alles in allem wird sich an jenen Scherben das Leben in seiner ganzen Wucht entfalten. Kein Witz oder Wahnsinn, keine Dummheit oder Naivität, keine Wahrheit wird daran nicht zu Tage getreten sein. Nur eine Wirklichkeit für alle, die wird es nicht mehr geben und darin wird es das Wunderbarste sein, was sich Menschen je angetan haben werden.

Mit Schraubenziehern und Stangen stemmen wir das Pflaster des Gehwegs auf und schmeißen die Steine in Haufen auf der Straße. Viele kommen noch aus dem Ort dazu und werfen Dinge auf die Barrikaden, ein paar Leute bauen Molotowcocktails. Es knallt und Tränengasgranaten fliegen zu uns herüber, wir schmeißen einige zurück. Die Front der Faschisten setzt sich langsam in Bewegung und nähert sich der Barrikade. Ich werfe die Steine, Stein um Stein und schreie und schreie und schreie. Es ist dieses Leben, aus dem sie ihren Hokuspokus machen wollen. Mich als Gespenst in ihren kleinen, dummen Ökobilanzen und Pornogeschlechterfantasien spuken lassen. Ein Leben als gute Nummer in der großen Allgemeinheit ihrer Majestät, der Gesellschaft.

Plötzlich stürmen die Faschisten los, mit kaltem Blick, jeder für sich vollgepackt mit einem Arsenal an Waffen und Spielzeugen, die ihre Zeit zur Fixierung von flüchtenden Körpern für angemessen hielt. Seht wie ihr sie prügelt und quält, sie einsperrt, wie es Recht sein soll! Die Panzer brechen durch die Barrikade, wühlen sich durch die Steinhaufen und Laternenpfähle. Dies war nicht die Zeit, einen Sieg davon zu tragen. Ein Kind steht im Weg, ich reiße es mit und renne mit ihm weiter. Es ist mein Kind. (Das ist vielleicht übertrieben zu schreiben, weil es genauso gut ein anderes Kind gewesen sein könnte. Aber es ist egal, ein anderes Kind könnte auch meins sein)

Wir rennen und rennen und rennen, für unser Leben, mit einem Gullideckel in den Supermarkt und holen uns was für die Zähne und ein paar Flaschen Schnaps. Die Alarmanlage jault. Wir nehmen die Einkaufswägen, bauen einen Turm auf der Straße und feiern mit allen und allem was da kreucht und fleucht, denn wir sind den Faschisten abgehauen. Ein Mensch liegt in meinen Armen. Werde ich ihn wohl lieben und ein Kind bekommen? Oder werde ich ihn wieder lieben und noch ein Kind bekommen, so ein Wahnsinn?

An diesen Orten, von denen nie jemand dachte, dass es sie hätte geben können, werden wir anfangen zu leben. Wir werden Autos haben, von denen wir verstehen, wie sie funktionieren, warum und für was wir sie brauchen. Es wird eigenen Orte geben, an denen man weiß, wie man Steuergeräte hackt oder überbrückt. Vielleicht fahren wir auch lieber einfach zusammengeschweißte Rohrahmen mit einem Sitz ohne Schutzscheibe, darauf viel zu große Motoren ohne Auspuff. Und hinter den Barrikaden werden wir damit Rennen fahren, wie wir Lust haben. Welcher Wahnsinn liegt darin mit einem Auto zu fahren und rechts und links schießen Schilder, Bäume, Auto und Häuser darauf zu? Dieses Überleben zwischen Unfällen, so eine Feigheit! Mut ist eine Feder im Wind!

Wenn wir von A nach B wollen, werden wir Mittel haben, um nach B zu kommen. Vielleicht klauen wir dafür eure Gespensterautos und das muss geübt werden! Wir werden aufbrechen und ankommen können, ohne dabei unser Leben lang uns selbst hinterherzurennen. Es wird Dinge geben, von denen wir nichts verstehen, aber dann werden wir Menschen finden, die helfen, ohne uns schuldig zu machen. Wir werden nicht länger auf irgendwelche Experten hoffen, die mit ihren ernsthaft wiegenden Köpfen und sich öffnenden und schließenden Mündern verkünden: „Das muss hier alles neu“, nur weil ihre heiligen Vorschriften und Bilanzen erst dann erfüllt sind, wenn sie ein ganzes Haus neu bauen, weil eine Lampe nicht mehr geht. Es wird für uns all trockene und beheizte Schlafplätze geben in Häusern, von denen man einst dachte, ihre Erfüllung bestünde darin, einem fünfköpfigen Gespenst Privatsphäre zu bieten. Wir werden wissen, woher das Wasser kommt zum Trinken, welche Heizungen wie betreiben können, für was wir Strom brauchen und wie wir ihn erzeugen, wenn die Faschisten ihn uns abstellen. In den nicht bewohnbaren Gebäuden wird es Werkstätten, Lager oder das geben, wonach der Sinn steht, vielleicht um darin zu feiern, zu tanzen oder zu zocken, wenn Strom und jemand da ist, der daran wirklich noch Spaß hat. Manche werden keine Beine, Arme, Augen oder Ohren haben, sie nicht zu benutzen wissen oder sie sind müde geworden, damit im Nichts zu strampeln. Auch sie werden aus den Gefängnissen ihrer Armut ausbrechen. Sie werden auf ihre Weise Tanzen lernen, wenn die Welt zur Tanzfläche wird. Wer sagt, dass sie keine Drogen nehmen wollen? Oder wir bauen Elektrorollstühle, mit denen sie auch Rennen fahren können. Leben heißt nicht, es für sich zu behalten: Es wird regnen in der Wüste und was wir lange für tot erklärten, wird sprießen und gedeihen.

Auch vom Essen werden wir wissen woher es kommt: Es wird Menschen geben, die es anbauen können und andere, die es sich einfach aus den Regalen der Supermärkte holen. Manche werden wissen, wie sie das Geld jenen aus der Tasche ziehen, die wollen, dass wir es verdienen. Damit werden wir Dinge kaufen, die nicht zu ersetzen und sonst schwer zu beschaffen sind. Wir werden erfahren, was es bedeutet einen Körper zu haben und Krankheiten zu bezwingen ohne wie Maschinen behandelt zu werden, deren Normalität es sein soll, am Tropf der Zeit bis in alle Ewigkeit zu funktionieren. Menschen werden erfahren, was Liebe ist, wenn die Körper den Mut haben und sich die Zeit geben. Dann wird sich noch zeigen, ob eure supergeilen Dildo-PornoInnovationen nicht einfach am besten im Arsch eines Faschisten aufgehoben sind. Lasst uns die Welt zu einer Schweinerei machen! Und jene die denken, ihre Körper benutzen zu können, um andere zu missbrauchen, werden verstehen müssen, für ihren Faschismus mit einem saftigen Tritt zwischen die Beine einzustehen. Menschen wollen leben und leben heißt die Gespenster zu verjagen und sich gegen das zu verbünden, was es einem wieder nehmen will. Und dieses Leben wird nicht mehr darin bestehen, seine Zufälle und Bewegungen zu verhindern, sondern sich ihrer anzunehmen, in und durch sie zu leben. Wo sind die Pannen geblieben? Wir werden lernen zu improvisieren, zu reparieren und zu experimentieren mit dem was wir sind und was uns umgibt. Das Denken und die Worte werden Werkzeuge, deren Handwerker wir sind. Wir werden zu lachen haben, am allermeisten über eure Komödie, derer ihr nicht müde werdet, sie aufzuführen. Wir werden nicht leugnen, dass das Leben selbst ein Provisorium ist und dass mit jeder Erfindung auch ihr Unfall einhergeht. Deshalb werden wir es zu verhindern wissen, wenn wieder jemand auf die schwachsinnige Idee kommt ein Atomkraftwerk zu bauen. Uns wird es an nichts mangeln, strotzen werden wir vor Freude und Wahnsinn, den man so sehr fürchtet, dass die Welt zu einer derart trockenen, spaßlosen und zwangshaften Unternehmung geworden ist.

Es ist die Zeit, da der Mensch in das Leben tritt und fragt: Was will ich? Von ganzem Herzen sind sie müde im Schlamm ihrer eigenen Nichtigkeit zu wühlen und auf die fortschreitende Erlösung der Technik zu hoffen. Mögen es nur kleine Lügen sein, die der Mensch aus seiner Armut zu schöpfen weiß. Doch es regt sich etwas, wer soll die Liebe ertragen? Die Wirklichkeit wird in tausend Scherben liegen. Doch Scherben bringen Glück und an den Scherben wird das Denken, das Fleisch und die Körper selbst Ursprung einer Kraft werden, die Gemeinsamkeit ist und es seit jeher war. Alle Menschen sind vor die Entscheidung gestellt, entweder ihr Leben Wirklichkeit werden zu lassen und mit ihrem eigenen Willen dafür einzustehen, oder Spuk im Schatten des Faschismus zu bleiben und auf die einprügeln zu lassen, deren Verbrechen darin besteht, nicht so zu sein wie sie. Aber das Leben wird Wirklichkeit und wir werden es dazu machen.

Ich werde eine Lüge leben. Ich fange gerade damit an. Es ist an der Zeit„Lebt wohl“ zu sagen und dies wird es trotzalledem gewesen sein, warum ich gelebt habe. Einst wird der Tod mich in die Ordnung der Dinge einfügen, so ist es nun mal. Doch mein Leben wird nicht egal gewesen sein.

Die erste Erfahrung des Menschen: Das Leben ist überall und immer möglich. Der Faschismus mit seinen süßen Versprechen wird wieder kommen, um uns das zu nehmen, was zu uns gehört und versuchen uns zu Gespenstern zu machen, die nett lächeln und nicken. Es ist die Feigheit der Menschen unserer Epoche, die es soweit hat kommen lassen. Wir sind Kinder einer Zeit, die ihre Gesten verloren hat und die eben deshalb von ihnen besessen ist. Doch die Menschen haben den Willen Nein zu sagen und Barrikaden zu entzünden. Menschen, die aus tiefstem Herzen Ja sagen und darin keinen Zweifel lassen. Die Steine werfen, wo sie zu werfen sind. Die sich lieben und verteidigen lernen.

Warum gehe ich nicht mit einer Axt in den Keller, zerklopp den Hausanschluss und guck wer meine Nachbarn sind, wenn im Viertel der Strom ausfällt?

Uns Menschen, denen jeder Mut abhanden gekommen ist, wird jede Geste zum Schicksal. Aber es ist kein Abenteuer möglich, außer sich ein Schicksal zu erobern. Im Chaos dieser Welt eine Wunde zu schlagen, auf deren Grund ein Bruchstück von Eindeutigkeit festmacht: Wir werden uns an Orten treffen, von denen kein Mensch je gedacht hätte, dass es sie geben könnte. Diese Zeit wird kommen, aber hört auf zu warten. Es wird ein aufkommender Rhythmus anwachsender Stärke sein, der manchmal kaum hörbar sein wird und andernorts kein Bein still stehen lässt. Fragt nicht nach Noten, es gibt keine Melodie. Nur bewegen müsst ihr euch! Also lasst uns anfangen, lasst uns leben!