Häuserkampf in den Niederlanden: Lucky Luyk [Teil 5]

Riot Turtle

Nach der Pierson-Räumung in Nimwegen (Teil 4 in der letzten Sunzi Bingfa) im Februar 1981 kehre ich zu den Entwicklungen in Amsterdam zurück. Die ersten 3 Teile zum Häuserkampf in Amsterdam findet ihr hier: 123.

Die Erfahrung mit dem Einsatz der Armee während der Räumung in der Pierson Straße hatte für mich alles verändert. Ich hatte das hässliche Gesicht der sogenannten parlamentarischen Demokratie vor meinen eigenen Augen gesehen. Direkt vor einem Leopard-Panzer zu stehen und die Scharfschützen auf dem Dach zu sehen, ist etwas, das man nicht vergisst. Ich begann zu begreifen, dass wir alles ändern müssen… Im Alter von 15 Jahren.

Anfang 1981, als sich die Rauchwolken verzogen haben, kann die Bilanz eines Jahres massiven und militanten Widerstandes der Hausbesetzer*innen gezogen werden. Die von einigen Gruppen angestrebte Konfrontation mit der politischen Klasse hat die politische Landschaft im Vergleich zu 1979 dramatisch verändert. Mit dem Erfolg, dass die Wohnungsnot der jungen Menschen ganz oben auf der politischen Agenda steht. Diese Entwicklung trug auch dazu bei, dass eine neue Generation von Hausbesetzer*innen dazu stieß, Ende 1981 wurde ich einer von den. Eine Handvoll besetzter Häuser wurden 1980 geräumt, aber inzwischen sind hunderte weitere in den ganzen Niederlanden hinzugekommen.

Mit der neuen Generation der Hausbesetzer*innen wandelte sich die Hausbesetzerbewegung zunehmend von einer Bewegung für Wohnungen für junge Menschen zu einer breiteren grundsätzlicheren antikapitalistischen Bewegung gegen Herrschaft, Unterdrückung, Ausbeutung, Zwang, Diskriminierung, Umweltverschmutzung und Atomenergie. Das besetzte Haus ist nun nicht nur ein sicherer Hafen, in dem wir verschiedenen Wohnformen experimentieren können, sondern auch eine Basis, von der aus wir gegen Kapitalismus und Herrschaft kämpfen. Mit der Besetzung von Gebäuden haben wir die Eigentumsfrage bereits beantwortet. Aber das reicht nicht aus. Es gibt mehr und mehr antifaschistische Aktionen, aber auch Militarismus, Sexismus und Atomkraft werden ein großes Thema. Aber nicht jeder ist mit diesen Veränderung glücklich

Dodewaard

Bevor ich das Kinderheim endgültig verließ, gab es noch eine kurze Weglauf-Aktion. Im September 1981 sind wir mit unsere Bezugsgruppe aus dem Heim für ein paar Tage zu einem Atomkraftwerk in Dodewaard gefahren. Dort werden Blockaden organisiert. Wir hatten in der Piersonstraße gelernt, wie man Kontrollpunkte umgeht, und da wir schon lange vor Dodewaard nur noch über die Felder gelaufen sind, wussten wir nicht einmal, ob es welche gab, als wir ankamen. Nach der Schlacht in der Pierson Straße hat sich die Nimwegener Szene extrem radikalisiert. Das mag dazu beigetragen haben, dass die Basisgruppen der Anti-AKW Bewegung nun in drei Kategorien eingeteilt sind: die grundsätzlich Gewaltfreien, die im Grunde genommen Nicht-Gewalttätigen und der Rest, der sich von Bereitschaftsbullen nicht zusammenschlagen lässt. Wir gehörten zu letzterer Kategorie.

Bild: Auseinandersetzungen in Dodewaard am 18. September, 1981.

Die radikalen Graswurzelgruppen haben ihren eigenen Slogan: „Gegen Autorität und Ordnung hilft nur die wütende Meute.“ Sofort nach der Ankunft rennen wir zusammen mit andere Autonome auf die Bereitschaftsbullen zu. Wir wurden mit einem Hagel von Tränengasgranaten bombardiert. Danach folgten stundenlange Auseinandersetzungen, die sich am nächsten Tag wiederholten. Die Bullen werden von Bürgerwehren unterstützt, auch Faschisten der NVU haben Kampfgruppen organisiert, die die Bullen unterstützten. Nach zwei Tagen sind die Blockadeaktionen beendet, am nächsten Tag gibt es eine Demonstration von 40.000 Menschen in Arnheim.

Huize Lydia

Die Erweiterung des Aktionsfeldes bedeutet aber nicht, dass sich die Hausbesetzer*innen vom Häuserkampf abwenden. In Amsterdam allein lebten 1981 etwa 9000 Menschen in besetzten Häusern. In den gesamten Niederlanden sind es um die 20.000.

Am 8. Oktober 1981 werden zwei Gebäude geräumt: der letzte noch stehende Teil der ‚Grote Wetering‘ und ‚Huize Lydia‘ in der Nähe des Concertgebouw. Die abendlichen Demonstrationen finden in einiger Entfernung zum Gebäude statt, weil die Bullen die Straßen abgeriegelt haben. Lydia ist nicht zu erreichen und so ziehen alle in das Stadtzentrum. In großen und kleinen Gruppen, laut und kämpferisch. Banken, Konsulate, Reisebüros und Zeitarbeitsfirmen gingen in die Brüche“, so der Demobericht in Hausbesetzer*innenzeitung ‚de Laatste Waarschuwing‘ (Der Letzten Warnung). Während der Auseinandersetzungen nach diesen 2 Räumungen werden die Bullen auch mit Molotowcocktails angegriffen. Nach der Drohung in der Vondel Straße und der Pierson Straße, dass die Bullen mit scharfer Munition schießen würden, wenn Molotowcocktails eingesetzt werden, scheint die Angst diesbezüglich verschwunden zu sein.

Lucky Luyk

Im Frühjahr wird ein Gebäude in der Jan Luykenstraße im Concertgebouw-Viertel besetzt. In der Dokumentation Die Stadt gehört uns erzählen viele der Beteiligten von den Ereignissen rund um der Besetzung der Lucky Luyk. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gruppe um Theo und anderen Aktivist*innen waren schon länger vorhanden, aber rund um den Lucky Luyk wurden sie zum ersten Mal überdeutlich sichtbar. Es geht ein erster Riss durch die Bewegung.

Einer der Bewohner*innen,Benjamin erzählt:

„Als Hausbesetzer*in ist man vielleicht aus verzweifelter Wohnungsnot in eine Wohnung im Stadtteil Staatsliedenbuurt gezogen, aber für mich war der Einzug in ein besetztes Haus eher eine politische Entscheidung. Wir haben mit der Hausbesetzung angefangen, weil wir mit acht Leuten in einem Haus leben wollten. Wir waren alle auf unterschiedliche Weise politisch aktiv, und das wollten wir gemeinsam von einem Haus aus tun. Die Besetzung war die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen. Nach einigem Suchen landeten wir in der Jan Luykenstraße in der Gegend des Concertgebouws. Wir fanden ein Gebäude, das leer stand und einer Notarin gehörte, die in der Bijlmerknast umgezogen war, weil sie zu viele Erbschaften in ihre eigene Tasche gesteckt hatte. Als wir hineingingen, fanden wir ein riesiges, luxuriöses Gebäude mit zwei Badezimmern, von denen eines mit Marmor verkleidet war, eine Staubsaugeranlage mit Löchern in der Wand, in die man Schläuche stecken konnte und schon begann der Staubsauger zu arbeiten, es war wirklich sehr luxuriös gebaut. So war es für uns acht eine große Freude, dort zu wohnen.

Das Gebäude wurde versteigert und kam dann in die Hände von jemandem, den wir nicht kannten, aber wir verstanden, dass es nicht ganz sauber war. Ein Gebäude in besetztem Zustand wurde für die Hälfte des Preises versteigert, den es normalerweise einbringen würde. Die Idee war, Geld zu verdienen, wir sollten gehen und das Gebäude würde wieder leer stehen, und der Preis würde sich wieder verdoppeln. Wir wohnten dort von April bis Oktober. Irgendwann wurden wir von einer Schlägerbande geräumt, die nachts mit etwa zwanzig Personen in das Gebäude eindrang. Ich erinnere mich, dass ich aufwachte und eine Menge Lärm hörte. Ich war wohl etwas erschrocken, denn ich ging mit einem Baseballschläger los, um nach dem Rechten zu sehen. Als ich mein Zimmer verließ und auf den Flur kam, traf ich sofort auf ein paar breitschultrige Männer mit Helmen, die mich sofort an die Wand drückten.“

Es war keine Überraschung, dass die Bullen keinen Finger rührten, um den Hausbesetzer*innen zu helfen, als sie durch die Schlägerbande vertrieben wurden. Als der Hausbesetzer Guus ein paar Tage später als Aufklärer zu einem Hausbesetzer*innen-Alarm ausrückt, wird er von einer obskuren Gestalt in den Hals geschossen und landet auf der Intensivstation. Es reicht. Es wird eine Vollversammlung einberufen, in der beschlossen wird, etwas gegen die Bandenangriffe zu unternehmen und den Lucky Luyk zurückzuerobern. Theo erinnert sich:

„Die Notwendigkeit der Rückeroberung der Luyk war für uns sehr klar. Zunächst einmal waren die Bewohner*innen aus ihren Häusern geworfen worden, und zwar von Gangster. Die Stadt stellte sich offen auf die Seite der Verbrecher. Das gibt ein sehr seltsames Gefühl. Die Stadt und die Justiz weigerten sich, etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu unternehmen. Es war also sehr logisch, wie wir es gewohnt waren, selbst aktiv zu werden. Das kann man nicht zulassen, denn es würde auch andere Gebäude betreffen: Wenn die Unterwelt, die Regierung und die Spekulanten gewalttätig genug sind, könnte jedes besetzte Haus geräumt werden, denn das war die Botschaft.“

Jojo: „Das war eine ziemlich heftige Räumung der Luyk durch diese Schlägerbande. Es war mehr als nur eine Räumung, die Leute wurden regelrecht verprügelt, außerdem war ziemlich schnell klar, dass es sich um eine Gruppe handelte, die es nicht unbedingt bei einem Gebäude belassen würde. Außerdem wurde zur gleichen Zeit ein guter Freund von uns vom Hauseigentümer auf der Straße gepackt, ihm wurde eine Pistole an den Hals gehalten und er wurde niedergeschossen. Das hat er mit viel Glück und Weisheit überlebt, aber das hat der Spannung und dem Reiz eine neue Dimension gegeben. Ich erinnere mich, dass es nach der Räumung des Luyks eine Demonstration gab. Sie lief auch am OLVG-Krankenhaus vorbei, wo Guus lag. Dann gingen wir in die Blasiusstraat, wo der Eigentümer sein Büro hatte. Ohne Verabredung oder vorgefassten Plan ging es sehr schnell: ‚hier ist es, öffnet es, geht hinein und fackel es ab‘. Das war eine sehr befreiende Operation, es war nicht einfach.

Ich fand die Wiederbesetzung der Luyk gerechtfertigt. Man sollte sich nicht beiseite schieben lassen, auch nicht von einer Schlägertruppe. Ich fand es sehr wichtig, herauszufinden, was genau dahintersteckt. Und dann kamen alle Journalist*innen und fragten, was wir tun würden, was unsere Forderungen wären und ob es zu Gewalt kommen würde. Ich habe immer gesagt: ‚Wenn du deine Arbeit ernst nimmst, dann wirst du herausfinden, woher die Gewalt kommt.‘ Aber niemand tat es. Das haben wir dann getan, bestimmte Fitnessstudios und Bars im Rotlichtviertel. Auch hier war die Idee, dass wir ihnen zuvorkommen müssen. Wir müssen wissen, woher sie kommen, bevor sie zuschlagen, damit wir sie im Auge behalten können.“

Bild: Lucky Luyk

Jack: „Nach der Räumung der Luyk durch die Gang war allen klar, dass etwas passieren musste, aber dieses ‚etwas‘ war sehr vage. Das Gebäude musste wieder zurückgewonnen werden, aber alle dachten: ‚Okay, aber was dann und wie und wer?‘ Es kamen keine Antworten, weshalb ich irgendwann den Finger hob, nachdem ich mich im Raum umgeschaut hatte, und sagte: ‚Ich mache es, mit einer Anzahl von Leuten, die ich um mich herum aussuche‘. Also fing ich an, diese Angelegenheit mit den ehemaligen Bewohner*innen, mit Leuten aus der Nachbarschaft und aus meiner eigenen Nachbarschaft zu organisieren, und in ein paar Tagen hatten wir einen Plan fertig, wie diese Rückeroberung ungefähr ablaufen sollte.“

Benjamin: „Die Vorbereitung für die Wiederbesetzung begann am Abend nachdem die Bande geräumt hatte. An diesem Abend wurde eine Demonstration gegen eine andere Räumung so umgeleitet, dass sie am Luyk vorbeiging. Vor der Tür gab es gigantische Diskussionen: ‚Wir werden das Gebäude an Ort und Stelle wieder besetzen‘. Das führte dazu, dass am Abend eine Vollversammlung abgehalten wurde. Es wurde dann beschlossen, dass das Gebäude wieder besetzt wird, oder jedenfalls, dass die Vorbereitungen in Gang gesetzt werden, und dass es bis zur weiteren Entwicklung in dieser Woche eine Wiederbesetzung geben wird oder nicht. Für mich gab es bis zum Vorabend nie eine große Diskussion, ob die Aktion an sich gut ist. Die Aktion war gut, denn die Stadtverwaltung tat nichts, wir standen mit dem Rücken zur Wand, hieß es damals.“

Jack: „Es war klar, dass Widerstand zu erwarten war. Es gingen Geschichten in der Stadt um, dass diese Schläger im Gebäude schwer bewaffnet mit Pistolen und Gewehren sein würden. Wir hatten keine Angst, aber wir gingen davon aus, dass da ein Schlägertruppe drin war, die das Gebäude verteidigen wollte. Wir haben dann mit denen geübt, die das Gebäude zuerst betreten würden. Wir hatten alle dicke Kleidung an, kugelsichere Militärwesten und Helme, wir hatten Plastikschilde gebastelt, wie sie die Polizei hat, Schlagstöcke, Feuerlöscher. Wir hatten Mini-Brandbomben dabei, weil wir davon ausgingen, dass das Gebäude Raum für Raum, Etage für Etage erobert werden muss, sozusagen mit einem Maximum an Lärm und optischen Effekten. Und das möglichst mit einem Minimum an Gewalt, also auch mit einem Minimum an Verletzten, obwohl wir mit Gewalt gerechnet haben. Die Idee war, den Gegner mit einem Minimum an Gewalt zu überwältigen, aber das war nur möglich, wenn man eine große Überraschung schaffte und das Gebäude in großer Zahl umstellte. Dann würden sie sehen, dass Widerstand zwecklos ist. Also übten wir über Treppen und Gerüste in das Gebäude einzudringen, uns gegenseitig zu verteidigen und zu schützen, in der Hoffnung, dass wir das Gebäude mit diesem Plan schließlich einnehmen könnten.“

Piet-Jan: „Der Wiederbesetzung des Luyks wurde hauptsächlich von den Jungs vom Staats [1] organisiert. Sie haben es in eine generalstabsmäßige Aktion verwandelt. Sie haben die Innenarbeit geleistet und mehr oder weniger übernommen. Aber das bedeutete, dass sie die schwere Arbeit auf sich nahmen: die Konfrontation mit den bewaffneten Jungs. Sie haben darüber gesprochen und geübt. Damals waren wir auch Mitglieder*innen in den Gruppen, die in Turnhallen Selbstverteidigung trainierten. Du hast gelernt, wie man reagiert, wenn jemand eine Waffe auf dich richtet oder dir ein Messer vor die Nase hält. Rein defensiv, aber wir trainierten für Konfrontationen mit Jungs, die viel besser kämpfen konnten als wir. Die Jungs vom Staats waren ein bisschen rauer. Wir in der Grachtengordel [2] waren eher Student*innen. In der Staats waren die besseren Kämpfer*innen. Sie übernahmen die Führung während der Wiederbesetzung.

Theo: „Es fanden einige Plena statt, sowohl mit den Bewohner*innen, die geräumt wurden, als auch mit der betroffene Nachbarschaft. Wir haben die Nachbarschaft immer selbst konsultiert. Die Nachbarschaft hatte signalisiert, dass sie Hilfe braucht und etwas tun möchte. Also wurde diskutiert, wie die Wiederbesetzung ablaufen soll. Wir fingen auch an, uns vorzubereiten, und wir wussten, dass diese Vorbereitung viel besser organisiert sein musste als in vergangenen Situationen. Wir mussten auf einer deutlich militärischen Ebene handeln als in vielen anderen Fällen der Rückeroberung oder der Hausbesetzungen. Das bedeutet, dass du trainieren musstest. Es war ein freistehendes Gebäude, bei dem man ein bisschen über Fassaden Tourismus nachdenken musste, über lange Leitern, das Einschlagen der Türen, das Einsteigen durch Fenster. Die Gangster sind bewaffnet, also musste man davon ausgehen, dass man mit kugelsicheren Westen, Helmen, Schlagstöcken hineingehen musste, auf jeden Fall konnte es ein richtiger Kampf werden, und man musste damit rechnen, dass es Tote geben könnte. Auch auf dieser Ebene gab es einige Gespräche, auch wenn die Leute in der Hausbesetzer*innen-Bewegung das generell nicht besonders mochten.

Als die Entscheidung getroffen wurde, die Schlägertruppe aus dem Gebäude zu entfernen, war die Angst groß, denn sowas war noch nicht oft vorgekommen – vielleicht war es das erste Mal – und wir wussten nicht, was diese Leute tun würden. Plötzlich gab es eine Art Stimmung von ‚Sollen wir es wirklich machen?‘, eine Art Angst, eine Art Zweifel, die bei allen vorhanden war, aber wir waren mit der Vorbereitung schon so weit gekommen, es waren so viele Schritte vorausgegangen, dass wir uns entschieden, weiterzumachen.“

Jojo: „Mein Problem mit der Wiederbesetzung war, dass die Operation anfing, militärische Züge anzunehmen. Die notwendige Bewaffnung wurde angeschafft und es wurden Angriffsübungen in den Dünen abgehalten. Gleichzeitig sollten sich alle solidarisch beteiligen. Bis kurz vor der Rückeroberung gab es Besprechungen darüber. Die allgemeine Stimmung war ‚wir mögen das nicht mehr, wir denken, dass es gemacht werden sollte, aber ihr bringt uns in Zugzwang, indem ihr es so macht, und das ist einfach eine Form von Erpressung der Solidarität‘.“

Leen: „In der Nacht vor der Wiederbesetzung herrschte in dem Raum, in dem wir uns versammelten, eine ziemlich angespannte Stimmung, als ob es eine intensive Angst gäbe. Ich erinnere mich, dass dieses ängstliche Gefühl stärker wurde, als plötzlich Leute kamen, die darüber diskutierten, ob wir die ganze Sache durchziehen sollten, und Zweifel aufkamen, ob wir es überhaupt tun sollten. Ich mag es nicht, wenn Leute Dinge in letzter Minute absagen, aber ich hatte auch das Gefühl, dass diese beiden Gruppen plötzlich auf entgegengesetzten Seiten standen, und vielleicht war das eines der ersten Anzeichen, dass die Bewegung auseinanderfällt. Ich weiß nicht mehr genau, wer sie waren, aber ich glaube, es waren Leute von der Grachtengordel. Es war jedenfalls nicht angenehm.“

Plakat oben: CPN (Kommunistische Partei der Niederlande) – Verrat Lucky Luyk gegen Terror von Schlägertrupps

Piet-Jan: „Wir haben es wirklich gehasst, dass wir wie eine Dose Hausbesetzer*innen aufgemacht und benutzt wurden. Wir hatten keinen Einfluss auf den Verlauf der Dinge. Wir wurden als Armeeeinheit eingesetzt, das war uns sehr bewusst, und wir fanden es sehr unangenehm. Wir haben versucht, mit einer Delegation vom Grachtengordel-Plenum darüber zu sprechen. Aber es wurde nicht geredet. Sie haben uns lediglich unter einen Vorwand wieder weggeschickt. Später habe ich einen Artikel darüber in der Letzten Warnung geschrieben, worüber es einen richtigen Streit gab. Das war der Beginn einer klaren Opposition gegen eine solche autoritäre Art der Organisation. Eine Art der Organisation, die wir selbst gut erlernt hatten, von der wir aber wussten, wo die Grenze lag.“

Theo: „An einem bestimmten Punkt begann die Angst eine Rolle zu spielen. Es gab alle Arten von Moralismus. Man sah auch eine Tendenz, die später verhängnisvoll werden sollte: Die Leute fingen an, eher individuell zu kommen und haben dann aufgehört Delegierten zu schicken, sie kamen nicht, um im Namen einer Gruppe zu sprechen, sondern einfach über ihre persönlichen Ängste. Gut und schön, aber die Tatsache, dass man anfängt, Theater zu machen, dass man wirklich anfängt, Leute zu verärgern, um zu versuchen, andere davon abzubringen, etwas zu unternehmen, um zu entscheiden, dass andere nicht etwas unternehmen sollen, nun, das ist eine Strategie und eine Stimmung, gegen die wir immer gekämpft haben. Das ist Unterdrückung ersten Grades: nicht mehr das Recht zu haben, etwas zu unternehmen. Es waren moralistische Menschen, ängstliche Menschen, Menschen mit einem Mangel an Vertrauen in andere. Es waren auch keine Menschen, die Vertrauen in ihre eigene Nachbarschaft hatten.“

Saskia: „Im VPC (Ein Besetztes Gebäude) war alles auf den Luyk ausgerichtet. Ich wurde hineingezogen, nicht so sehr, weil mich das Gebäude faszinierte, sondern weil es immer wieder Diskussionen darüber gab, vor allem über die Tatsache, dass das Gebäude von einer Verbrecherbande geräumt worden war. Es war auch eine Drohung, denn es könnte jedem von uns passieren. Deshalb gab es auch so viel Solidarität. Das Schockierende daran war, dass, während wir noch darüber diskutierten, wie wir den Luyk zurückbekommen sollten, denn das war ganz klar das, was wir erreichen wollten, den Luyk durch einer unserer Banden zurück zu erobern. Das ist auch der Grund, warum ich mich mehr und mehr in das Aktionszentrum eingebracht habe und mich in die Diskussionen einbringen wollte: ‚Auf welche Art und Weise führt ihr Aktionen durch? Macht ihr das gewaltsam oder könnt ihr das auch anders machen‘. Denn abgesehen davon, dass der Luyk so zentral lag, wohnten wir auch in der Nachbarschaft, und ich fand es wichtig, genauso wie die Leute um mich herum, dass die Anwohner*innen uns akzeptierten, dass man in der Nachbarschaft leben konnte, ohne sich bedroht zu fühlen und ohne das Gefühl zu haben, dass die Leute nichts mit einem zu tun haben wollten. Und das waren zwei Dinge, die sehr im Widerspruch zueinander standen. Das spielte sich vor allem zwischen unserer Nachbarschaft und den anderen Nachbarschaften ab.“

Evelien: „Ich begann mehr und mehr darunter zu leiden, in einer so kleinen Welt zu leben. Es wurde immer weniger diskutiert oder nachgedacht. Aber der entscheidende Moment für mich, eine Art Wendepunkt oder Bruch, war die Wiederbesetzung der Lucky Luyk. Wir waren strikt dagegen, zumindest die kleine Gruppe, mit der ich zusammen war. Ich fand es politisch nicht in Ordnung. Indem sie sich für eine so harte Konfrontation mit Schlägern entschieden haben, handelten sie so unklar, dass die Gewalt im Vordergrund stehen musste, und das würde zu einer weiteren Isolierung führen. Ich war der Meinung, dass der Zweck die Mittel nicht heiligt. Auf diese Weise haben sie eine Spaltung herbeigeführt, sie haben angefangen, Ihre eigene Gang zu organisieren, und ich war absolut dagegen. Die Art und Weise, wie die Aktion organisiert wurde, war ziemlich konsperativ, aber auch sehr autoritär. Entweder man ist für uns oder gegen uns, und es gab keine Möglichkeit, darüber zu diskutieren. Man musste sich solidarisch zeigen, und das wurde stark betont. Es gab auch Berichte über Training, ekelhaft, ich fand es wirklich etwas von ‚Männerphantasien‘ und Krieg spielen haben.“

Benjamin: „Es wurden verschiedene Teams zusammengestellt, es gab ein Team, das auf das Dach gehen wollte, da waren die heftigsten Leute dabei, mit kugelsicheren Westen glaube ich, die wollten mit Leitern auf das Dach gehen, aber am Ende haben sie sich das nicht getraut. Es gab ein paar Gruppen, die vorher hinten rein gehen sollten und es gab eine Gruppe, die sich gegenüber dem Gebäude mit Katapulten aufstellte, um die Fenster abzudecken. Diese Gruppen versammelten sich an verschiedenen Orten in der Stadt. Ich war in der besetzte Kneipe Opstand (deutsch: Aufstand) im Stadtteil Vondelpark-Concertgebouw und musste das Signal geben. Alles war genau getaktet: Von einem Treffpunkt aus waren es sechs Minuten, von einem anderen drei, so dass die Gruppe drei Minuten früher losfahren musste und ich per Telefon das Startsignal geben würde. In dem Moment, als das Startsignal gegeben werden sollte, brachen überall Diskussionen aus. Aber da war es zu spät, denn wir mussten um viertel nach fünf im Gebäude sein, wegen der Übertragung von Radio Stadt.“

Evelien: „Mein Enthusiasmus und meine Aktivitäten in der Hausbesetzer*innen-Bewegung waren definitiv eine Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg: nicht einfach auf die Autoritäten zu schauen und nicht einfach tatenlos zuzusehen, also ein gewisses Misstrauen und Wachsamkeit. Aber während der Rückeroberung des Luyk war mir sehr bewusst, dass hier kein Krieg war, dass Krieg ganz anders aussah. Ich dachte, es sei Selbstdarstellung und die Aneignung einer Position, die keinen Sinn macht.

Kurz bevor der Luyk wieder besetzt wurde, radelten wir zu einem Gebäude, in dem sich Menschen versammelten, in einer Art verzweifeltem Versuch, eine Diskussion zu führen oder Menschen davon zu überzeugen, dass dies nicht der richtige Weg sei. Aber das war natürlich Blödsinn, weil alle so hochkonzentriert waren, dass sie gar nicht hingehört haben, also war das sofort vorbei.“

Erik: „Freunde fragten mich: ‚Komm Filmen, wir werden etwas sehr Spektakuläres am Luyk machen‘. Ich wusste nicht genau, was sie vorhatten, denn es war alles geheim, geheim, geheim, aber ich dachte: ‚Lass es uns filmen‘, so wie ich vorher schon so viel gefilmt hatte. Es war schon ein wenig dunkel, und ein Lastwagen näherte sich, ein Transporter, glaube ich. Plötzlich öffnet sich der Klappe und da sind all diese Leute in schwarz, schwarze Helme, alles war schwarz, was sie anhatten. Es sah mehr nach Bullen als nach Hausbesetzer*innen aus. Es ging alles sehr schnell, Lärm und Gebrüll, sie hatten eine Kettensäge dabei, und jeder hatte spezielle Aufgaben, und es ging alles so schnell, ich habe gar nicht so viel gefilmt, in ein paar Minuten war alles vorbei.

Ich konnte meinen Augen nicht trauen, dem was ich durch den Sucher sah. Es war so anonym, jeder war unkenntlich, aber es musste ein oder zwei Leute geben, die ich kennen sollte. Das ist das Allerletzte, was ich jemals beim Hausbesetzen gefilmt habe, weil ich dachte, das ist nicht gut, so wie es läuft. Es war auch so aggressiv, wenn die Schläger nicht selbst rausgegangen wären, hätten sie sie platt gemacht.“

Video: Wiederbesetzung Luck Luyk, 20. Oktober, 1981

Jack: „Als wir zu dem Gebäude gingen, wussten wir, dass es im Gebäude und in den umliegenden Hotels einige Mitglieder des Schlägertrupps gab. Wir wussten auch, dass die Polizei über die Aktion informiert war. Das war nicht unlogisch, denn wir hatten eine Massenaktion vorbereitet und es lag schon seit Tagen in der Luft, dass sie stattfinden würde, nur der Zeitpunkt war unbekannt. Als wir schließlich dorthin fuhren, dachten wir: ‚Wir werden sehen, wie weit wir kommen‘. Wir umstellten das Gebäude, wir öffneten es – es war von innen verbarrikadiert, teils durch unsere eigenen Barrikaden, teils durch die Schlägertruppe – und nachdem das Gebäude komplett geöffnet war, boten wir ihnen einen freien Abgang an. Dann eroberten wir, wie geplant, das Gebäude Raum für Raum, Etage für Etage. Wir fanden dort einige der Ganoven, aber weil wir sie mit einem Minimum an physischer Gewalt erledigen wollten, sprachen wir so lange mit ihnen, bis sie schließlich wegliefen und von der Polizei abgeführt wurden. Als es dann soweit war, sind sich alle gegenseitig um den Hals gesprungen und haben gejubelt und geweint und so weiter, denn die Sache hätte ernsthaft aus dem Ruder laufen können.“

Theo: „Die Wiederbesetzung ist super gelaufen. Ich hatte große Angst wegen der ganzen Gegenmacht der ängstlichen und moralistischen Menschen, aber wir waren etwa 400, gut trainierte Aktivist*innen, gut aufeinander eingespielt und vor allem hoch motiviert. Wie 400 Wespen stürmten wir auf das Gebäude zu, nicht chaotisch, sondern gut organisiert. Und alles unter den Augen der Bereitschaftsbullen, die nichts tun konnten. Die Schlägertruppe wurde rausgeholt. Trotz aller Risiken wagte es eine recht große Gruppe, die Konsequenzen zu ziehen. Niemand war mit der Vorstellung eingetroffen, dass alles glatt laufen würde. Jeder war gut vorbereitet; jeder wusste, was passieren konnte.“

Annegriet: „Ich war mit der Wiederbesetzung der Lucky Luyk einverstanden, aber nicht mit der Art und Weise, wie sie organisiert war. Ich fand, es hätte länger diskutiert werden müssen, zum Beispiel gab es keine richtige eine Besetzungsgruppe. Es musste wieder besetzt werden, denn dieser Schlägertrupp waren offensichtlich Bestien, das konnte man nicht durchgehen lassen. Aber ich fand, dass es viel zu hastig gemacht wurde. Das erwies sich später als richtig, denn die zufällig zusammengestellte Besatzungsgruppe hatte es wirklich schwer. Erst im Lucky Luyk begannen sie, eine Gruppe zu bilden. Ich hielt es für eine Art Panikmache, so schnell wieder zu besetzen, ohne eine klare Vereinbarung darüber, was als nächstes passieren würde. Ich habe mich in unserer Nachbarschaft dagegen gewehrt, und viele Leute, die ich kannte, taten das auch. Am Ende wurde das Signal gegeben: Wir werden wiederbesetzen. All die Leute, die dagegen waren, gingen wie Kanonenfutter hinein, um mitzumachen. Ich war wirklich schockiert, als ich herausfand, dass das Gefühl, dabei sein zu wollen, wichtiger war als die eigene Intelligenz oder die eigenen Gefühle dazu. Ich kann nicht sagen, dass es für mich ein Bruch war, aber es gab Momente, in denen ich dachte, so geht das also.

Es ist nicht so sehr das Militaristische, das ich anstößig fand, sondern der undemokratische Aspekt. Es hieß: ‘Lass uns einfach gehen, Punkt. Während die Diskussionen noch im Gange waren und einiges noch zu regeln war. Es wurde nicht auf das Ergebnis geachtet, sondern nur auf den Moment selbst. Das finde ich völlig daneben und ich war dagegen.“

Leen: „Am Ende haben wir es einfach durchgezogen, und im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Wiederbesetzung nicht so schwer war, wie wir gedacht hatten. Wir fuhren mit Autos zum Gebäude und stürmten hinein. Es gab Leute, die nach oben gestürmt sind, und es gab eine Gruppe, die die Ganoven abgeführt hat. Ich war in der letztgenannten Gruppe, und es wurde vereinbart, dass sie unter Geleitschutz weggebracht werden sollten. Ich kam mit einem der Schläger nach draußen und dort gab es eine Menge Hausbesetzer*innen, ein riesiger Jubel ging hoch und ich schaffte es, den Mann unter meiner Lederjacke zu schützen. Am nächsten Tag stand unter dem Bild, das davon gemacht wurde, ‚ein Polizist in Zivil führt ein Bandenmitglied ab‘. Glücklicherweise kannten mich viele in der Bewegung, also hatte das für mich keine Folgen. Außer wenn ich nach Hause kam. Es regnete in Strömen, war drei Uhr nachts und was sah ich an meinem Fenster geschrieben: ‚Hier wohnt ein Zivi‘. Ich wusste nicht, wie schnell ich nach einem Schwamm greifen konnte und habe es im strömenden Regen schnell entfernt, denn natürlich wollte ich nicht, dass die Leute in der Nachbarschaft denken, dass ich ein Zivi bin. Ich fand, das zu weit gehen, und außerdem war es offensichtlich ein Scherz, der von meinen Freunden für mich gedacht war.“

Evelien: „Der Wiederbesetzung ist gelungen, aber ich habe auch im Namen anderer aus meiner Nachbarschaft einen Artikel geschrieben, um zu erklären, warum wir so vehement gegen das Projekt waren. Ich kann mich immer noch sehen, wie ich ihn schreibe und realisiere, dass er in der ‚Letzten Warnung‘ veröffentlicht werden würde. Ich war sehr nervös, denn es war das erste Mal, dass ich so deutlich machte, dass ich mit der Linie, die verfolgt wurde, absolut nicht einverstanden war, und das widersprach natürlich genau der Solidarität, die von uns verlangt wurde. In diesem Sinne war es ein großer Schritt, du hast eine andere Richtung eingeschlagen, du bist ein andere Wege gegangen.

Obwohl man die Hausbesetzer*innenbewegung nicht als sichere Bewegung bezeichnen konnte, was das Leben was es mit sich brachte betrifft, bot sie doch ein Zuhause, insofern man in das ganze Netzwerk eingebunden war, und das gab auch Sicherheit. Und jetzt sage ich, dass das einfach nicht in Ordnung ist, und ich denke, der Wiederbesetzung war schrecklich. Ich wurde darauf angesprochen und andere auch. Wir wurden einmal im Radio empfangen, im Hausbesetzer-Radio, um zu erklären, wie und was und warum, und es war alles recht freundlich, aber sie sagten: ‚Ja, Tante Evelien, du bist schon so lange bei der Bewegung und trotzdem nimmst du diese Position ein‘, und es war furchtbar ablehnend. Der ganze Wiederbesetzung führte bei mir zu einer Pause und ich musste gehen. Ich war wahrscheinlich schon dabei, mich in diese Richtung zu entwickeln, aber dies war der entscheidende Punkt.

Endlich in Amsterdam

Inzwischen war ich 16 geworden und lebte in Amsterdam. Es war ein langer und schwieriger Kampf gewesen, um aus dem Kinderheim herauszukommen. Am Ende hatte ich das Heim, das Jugendamt und meinen Eltern das Messer an die Kehle gesetzt, indem ich im Spätsommer 1981 weggelaufen war und nicht mehr zurückkam. Während dieser „Weglaufzeit“ lebte ich abwechselnd in besetzten Häusern in Arnheim und Nimwegen und oft auch auf der Straße. Ich blieb jedoch in telefonischem Kontakt mit meiner Mutter, um sie wissen zu lassen, dass es mir gut ging und um meine Forderung regelmäßig zu wiederholen: eine eigenn Wohnung. Nach der Tortur im Heim lebte ich langsam wieder auf. Selbst das Leben auf der Straße war besser als in dieser Einrichtung und die dort praktizierte psychische Folter. Letztendlich haben wir einen Kompromiss gefunden. Ich ging für 6 Monate in ein Projekt für Betreutes Wohnen und danach ließ mich mein Vormund nach Amsterdam ziehen. In meine erste eigene Wohnung, die in Wirklichkeit nur ein Zimmer war. Eine Wohnung war in Amsterdam so teuer, dass es mein Budget sprengte. Wohnungsnot im Kapitalismus. Schon bald hatte ich Freunde gefunden und wir organisierten eine Fake-Wohnung, in der ich nur auf dem Papier lebte, aber wo mein Vormund vorbeikommen konnte, um zu sehen, wie ich lebe. Das hat gut funktioniert, ich hatte inzwischen gelernt, was Sozialarbeiter*innen hören wollten. Und mein Vormund hat ‚meine‘ Wohnung geliebt. Mit einer Gruppe von Leuten suchte ich ein leeres Gebäude und nachdem wir herausgefunden hatten, wer der Eigentümer*in war, besetzten wir es. Dort habe ich tatsächlich gelebt.

Ich wohnte nicht weit vom Lucky Luyk entfernt. Auch das amerikanische Konsulat war in unserer Nähe. Bevor die Räumungsandrohung der Lucky Luyk konkreter wurde, gab es wochenlang Auseinandersetzungen beim US Konsulat. In El Salvador sind die Rebellen trotz verzweifelter Bemühungen. im Gegensatz zu den Sandinisten in Nicaragua, noch nicht auf der Gewinnerseite. Verantwortlich dafür ist die massive Unterstützung der amtierenden Junta durch die Vereinigten Staaten. Als im März 1982 die vier IKON-Journalisten Koos Koster, Hans ter Laag, Jan Kuiper und Joop Willemsen in El Salvador von Todesschwadronen, die von der Salvadorianische Regierung eingesetzt wurden, ermordet wurden, brannte es in Amsterdam lichterloh. Das amerikanische Konsulat am Museumplein wurde dabei regelmäßig mit Steinen und Farbbomben angegriffen. Die Bullen versuchten, das Konsulat zu schützen und wurden deshalb ebenfalls angegriffen.Es war oft schwierig, das Konsulat zu erreichen. Nach ein paar Wochen haben die Bullen das ganze Gebiet abgeriegelt. Da ich aber direkt in der Nachbarschaft wohnte, war es für mich einfach dorthin zu gelangen.

Räumung der Lucky Luyk

Durch die illegale Räumung und der darauf folgenden Wiederbesetzung wurde der Lucky Luyk zu einem neuen Symbol, vor allem für die Gruppe, die eine so dominante Rolle bei der Planung und Durchführung der Wiederbesetzung gespielt hatte. In der Zwischenzeit hatte die Stadt das ‘Lucky Luyk gekauft und es fanden auch Gespräche zwischen der Stadt und den Hausbesetzer*innen statt. Diese verliefen jedoch im Sande. Die Stadt war zunächst besorgt über eine mögliche Räumung. Eine Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Einwohner*innen Amsterdams Hausbesetzungen positiv gegenüber stehen. Unter Bürgermeister Polak wurde eine große Kampagne zur Kriminalisierung von Hausbesetzer*innen gestartet, um die breite Unterstützung der Bewegung zu untergraben.

Als im Sommer 1982 die unmittelbare Räumungsandrohung wieder zunimmt, weil Bürgermeister Polak vom Richter zur Räumung des Gebäudes gezwungen wird, gehört das Wiederbesetzungsteam zu den ersten, die der Nachbarschaft und den Bewohner*innen bei der gesamte Organisation rund um das Gebäude unterstützen. Ich lebte noch nicht so lange in Amsterdam und kannte nicht alle Details. Die Stadt war auch voll mit Plakaten. Es gab Aufrufen, schon vor der Räumung mit Sabotageaktionen Druck auf die Banken, Polak und die Justiz auszuüben.

Nach der Große Kaiser und der Vondelstraße ist der Lucky Luyk Gegenstand einer erneuten Konfrontation mit der Stadtverwaltung.Die Verbarrikadierung erfolgt auf die altmodische Art: Das Gebäude wird mit Stahlplatten zugeschweißt. Darüber hinaus wird der Amsterdamer Bevölkerung mit Plakaten, Flyer, Transparenten und Graffiti die Botschaft der Hausbesetzer vermittelt: „Luyk räumen = Krieg“.

Am frühen Morgen des 31. Juli 1982 explodiert eine Bombe vor dem Parteibüro der sozialdemokratische PvdA. Zu dem Anschlag bekannte sich die Militante Autonome Front(MAF). Es war der zweite Angriff der MAF in diesem Monat. Zuvor hatte sie eine Bombe vor den Toren des GDH [3] zur Explosion gebracht. Der Schaden beschränkte sich auf zerbrochene Fensterscheiben und beschädigte Türen. Die Aktion wurde in einer Erklärung in Zusammenhang mit der Luyk-Politik gestellt. Die Bewohner*innen der Luyk wurden sofort von Journalist*innen belagert. Sie distanzierten sich von der Aktion und das sorgte für viel böses Blut in der Stadt. Es gab mehr Leute, die ein Problem mit den Aktionen von MAF hatten, aber das wurde intern diskutiert. Andere sehen die MAF-Aktionen als klares Signal und als eine Ergänzung zu anderen Aktionen.

Am 11. Oktober 1982 wurde der Lucky Luyk geräumt. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in Amsterdam der Ausnahmezustand ausgerufen. Da ich in der Nachbarschaft wohnte, kamen einige Leute zu mir und von da aus zogen wir Richtung Van Baerlestraße. Auf dem Weg dorthin waren in den Wochen zuvor einige Depots eingerichtet worden, und bald wurden die ersten Barrikaden in Brand gesetzt. Wir wollten damit etwas Zeit gewinnen, um ohne Probleme zur Van Baerlestraße zu gelangen. Zu unserer Überraschung kamen wir sogar noch auf die Jan Luykenstraße. Die erste Welle von Bullen wurde zurückgeschlagen. Wir waren permanent beschäftigt die Straße und den Bürgersteig auf zu brechen um neue Munition zu beschaffen. Viele Wannen wurden umgekippt und es kamen immer mehr Menschen. An ein gewissen Punkt waren tausende Menschen an den Auseinandersetzungen beteiligt. Die Bullen brauchten sehr lange, um die Jan Luykenstraße unter Kontrolle zu bekommen.

Und auch danach gingen die Auseinandersetzungen weiter. Ich musste viel Wasser trinken und meine Augen immer wieder ausspülen. Das Tränengas und ich waren nie Freunde. Ich stank nach Benzin, hatte Hunger, aber trotzdem immer noch viel Energie. Ich war mit einer Gruppe von Leuten unterwegs, die die Bullen immer wieder angriffen haben, aber auch wussten, wann es Zeit war, zu gehen oder einem bestimmten Punkt der Bullenkonzentration auszuweichen. Überall gab es Aktionen. Mehrere Polizeireviere wurden angegriffen. Die Unruhen dauerten bis in die frühen Morgenstunden an. Ich hatte weniger Angst als bei der Pierson-Räumung. Die Abwesenheit von Leopard-Panzern spielte dabei eine Rolle, aber auch die Entschlossenheit der Menschen um mich herum. Wir halfen uns gegenseitig bei Problemen mit Tränengas oder Verletzungen. Von der kleinen Gruppe, die sich in den Morgenstunden bei mir zuhause gesammelt hatte, wurde niemand verhaftet. Der Ausnahmezustand blieb drei Tage in Kraft. Die Bullen nutzten diese Gelegenheit, um einige andere Squats in der Nähe der Luyk zu räumen. Unseres gehörte nicht dazu.

Bild: Auseinandersetzungen nach der Räumung der Lucky Luyk am 11. Oktober 1982

Nach der Räumung gab es viele Diskussionen. Es gab verschiedene Positionen. Ein Teil der Bewegung war der Meinung, dass weitere Konfrontationen mit der Staatsmacht sinnlos seien. Ein anderer Teil wollte den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen. Die anfänglichen Risse, die während der Wiederbesetzung von der Lucky Luykentstanden waren, vertieften sich nach der Räumung. Eine gewaltige Kriminalisierungskampagne nahm ihren Lauf. Die Unterstützung in der Bevölkerung nahm ab, obwohl einige Anstrengungen unternommen wurden, unsere Sicht der Dinge zu erklären. Unter anderem wurde eine Tür-zu-Tür-Zeitung mit einer Auflage von 120.000 Exemplaren verteilt.

Es gab verschiedene Gründe, warum es Leute gab, die sich gegen eine eher aufrührerische Herangehensweise aussprachen. Da die Wohnungsnot eines der größten Probleme in der niederländischen Gesellschaft war, wollten viele Menschen einfach nur einen Platz zum Wohnen haben. Ein erheblicher Teil der Hausbesetzer*innenbewegung in Amsterdam war im Grunde genommen reformistisch. Eine reformistische Bewegung gegen die Wohnungsnot. Dieser Teil der damaligen Hausbesetzerbewegung wollte mit Eigentümern und der Stadt verhandeln. Sie versuchten, mehrere Hausprojekte zu legalisieren und hatten manchmal Erfolg. Einige dieser legalisierten Projekte blieben politische Projekte, aber viele zogen sich hinter ihre legalisierten Wände zurück. Ein anderer Teil war der autonome Teil, der die besetzten Häuser oft als Basis für verschiedene politische Projekte betrachtete. Die meisten Leute in der autonome Bewegung betrachteten den Kampf um Wohnraum als Teil eines breiteren Kampfes. Einem Kampf zur Befreiung der Gesellschaft von allen Formen der Herrschaft und des Kapitalismus.Das waren die Teile der Hausbesetzerbewegung, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickelten, vor allem nach der Räumung des Lucky Luyk. Viele Menschen sind nach der Räumung ausgestiegen. Ich nicht. Ich fing gerade erst an.