Bochum – Tanz auf dem Vulkan [Häuserkampf und Klassenkampf Part 6]

Der Häuserkampf” war Anfang der 1980er Jahre nicht nur eine Angelegenheit größerer Szenestädte wie Berlin, Göttingen oder Hamburg, bis weit in die Provinz hinein tobte der Kampf einer rebellischen Jugend, der sich häufig im Ringen um ein autonomes Zentrum manifestierte. Viele der Kämpfe jener Tage sind jenseits der Erinnerungen der Beteiligten in Vergessenheit geraten, außerhalb des Ruhrgebietes z.B. wird sich kaum jemand daran erinnern, dass im Bochumer Heusnerviertel 1986 noch über 150 Wohnungen in 40 Häusern besetzt waren, die dann nach und nach von den Bullen geräumt wurden. Geschichte von unten sollte vorzugsweise immer von unten erzählt werden, wir veröffentlichen deshalb an dieser Stelle ein Interview mit einem ehemaligen Protagonisten des Kampfes um ein Autonomes Kulturzentrum in Bochum Anfang der 1980er, der sich eine chronologische Einordnung anschließt. Beides haben wir der Broschüre “Zentrums-Bewegung Bochum 1981/82” entnommen, die vor wenigen Tagen von Heiko Koch veröffentlicht wurde. Die komplette Broschüre im “Retro Look” der 80er kann hier als PDF heruntergeladen werden. Wir haben die Auszüge entsprechend bearbeitet, um sie in dieser Form online stellen zu können. Im Anschluss findet Ihr die liebevoll rekonstruierte Fassung des 1987 entstandenen einstündigen Dokumentationsfilm “Tanz auf dem Vulkan” über die Besetzungen und den Widerstand im Bochumer Heusnerviertel Mitte der 80er. Sunzi Bingfa

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Willkür und Notwendigkeit

Giorgio Agamben

Die Frage, ob die Regierungen die Pandemie bewusst nutzen, um einen Ausnahmezustand auszurufen, der ihre Macht über alle Maßen hinweg expandieren lässt, oder ob sie keine andere Wahl hatten, als den Notstand auszurufen, lässt sich nicht beantworten. Was heute geschieht, wie in jeder entscheidenden historischen Krise, ist, dass beides zutreffend ist: Der Gebrauch des Ausnahmezustands als Strategem, als Kriegslist, und die Unmöglichkeit, anders als durch ihn zu regieren, sind gleichzeitig gegeben. Der Souverän handelt zwar absolut nach Gutdünken, ist aber gleichzeitig durch die permanente Entscheidung für den Ausnahmezustand gebunden, der letztlich sein Wesen definiert.

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Die argumentative (Selbst) Zerfleischung

Jennifer Bennett

In der AMC Serie The walking dead, welche seit 2010 produziert wird, stellt sich im Verlauf der Handlung bald heraus dass die Zombies von den Mensch gebliebenen Protagonist:innen schnell direkt ins Hirn getroffen werden müssen. Andernfalls wird mensch zerfleischt und endet selbst zum Zombie geworden, in der nicht endenden Repetition, Lebendiges töten zu müssen. Mit dem Schreiben dieses Textes bin ich bereits Teil des Zombie Schauspiels, selber zum Zombie gewordene Argumentierende, mich selber und andere zerfleischende Abstrahierende.

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Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #15 – 08. Februar 2021

Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #15 – 08. Februar 2021 – Themen in dieser Ausgabe: Stadtplanung – und Architektur im Fokus des Bundeskriminalamtes [Häuserkampf und Klassenkampf Part 5] (Martin Schaub) I Meme-Schwarm und Micro Trading (Franco “Bifo” Berardi) I Nightshift [2] – Welche Farbe hat die Nacht (Sebastian Lotzer) I Slowenien – Die antiautoritäre Linke in Zeiten von Corona [Teil 2] (Brigate Plavi) I Verknüpfungen – Für eine Ökologie der Gegenwart I Häuserkampf in den Niederlanden: Enteignen wir sie alle – 1980 [Teil 1]
(Eric Duivenvoorden ).

Meme-Schwarm und Micro Trading

Franco “Bifo” Berardi

Bifo” wie er lebt und schreibt. Polemisch, zugespitzt, tiefschürfend analytisch ohne Brimborium. Der Text erschien am vierten Februar auf Ill Will Editions, wir haben ihn kurzfristig für die Sunzi Bingfa übersetzt.

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Häuserkampf in den Niederlanden: Enteignen wir sie alle – 1980 [Teil 1]

Eric Duivenvoorden

Amsterdam 1980, es war immer etwas los, kein Tag ohne irgendeine Art von action. Der Duft der Revolte lag in der Luft. Es herrschte ein enormer Wohnungsmangel. Die Wartezeit für eine Wohnung betrug mindestens 10 Jahre. Sie wurden meistens über ein Verteilungssystem der Stadtverwaltung vergeben. Wohnungen auf dem „freien“ Markt waren unbezahlbar. Junge Menschen mussten entweder als Erwachsene bei ihren Eltern bleiben, die Stadt verlassen oder ein Haus besetzen. Auf dem Höhepunkt der Amsterdamer Hausbesetzerbewegung lebten etwa 22.000 Menschen in besetzten Häusern. Was folgt ist eine Übersetzung vom ersten Teil des Kapitel 5 von „Ein Fuß in der Tür – Geschichte der Hausbesetzerbewegung 1964 – 1999“.

Der Autor Eric Duivenvoorden ist Soziologe und gründete 1991 das Staatsarchief, das Archiv der niederländischen Hausbesetzer- und sozialer Bewegungen. Dieses Archiv wurde im Jahr 2000 Teil des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte in Amsterdam. Obwohl wir manche Sachen gerne anders, politischer und aus Sicht der Akteure selbst dargestellt gesehen hätten, gibt es keine ausführlichere chronologische Beschreibung über die Geschehnisse in Amsterdam 1980, als im Buch von Duivenvoorden, deswegen haben wir uns für diesen Text entschieden. Um Menschen aus der Bewegung auch selbst zu Wort kommen zu lassen haben wir den selbstorganisierten – und produzierten Doku-Film „Eine Vondel Brücke zu weit“ (50 Minuten) zugefügt. Wir haben dem Film deutsche Untertitel hinzugefügt. Sunzi Bingfa.

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Nightshift [2] – Welche Farbe hat die Nacht

Sebastian Lotzer

„Das von der Regierung festgelegte Kriterium zur Bestimmung der Farbe unseres Lebens sind 50 Fälle pro 100.000 Menschen pro Woche. Statistisch gesehen ist dies eine extrem niedrige Risikorate von 0,5 Promille. Wie ist es möglich, dass Menschen für ein Risiko, das selbst auf das ganze Jahr hochgerechnet gering bleibt, bereit sind, nicht nur ihre Freiheit aufzugeben, sondern auch alles, was das Leben lebenswert macht: den Kontakt zu anderen Menschen, den Blick in ihre Gesichter, die Erinnerung und die gemeinsam gefeierten Feste? Herr Wärter, welche Farbe hat die Nacht?“

Giorgio Agamben 25. Januar 2021

Nach Tunesien nun die Niederlande, kaum sind die Riots der abgehängte Jugendlichen dort beendet, steht das Rathaus von Tripoli in Flammen. Im Wochentakt fegen die Aufstände durch die brave new world des Pandemie Ausnahmezustand. Man sucht nach Erklärungen. Wenn überhaupt. Rassismus, Polizeigewalt, soziale Missstände, Armut, Hunger… Dabei wäre doch die einzige eigentlich wirklich zu stellende Frage nur, warum nach fast einem Jahr Ausnahmezustand in weiten Teilen der Welt eben jene nicht endgültig komplett in Flammen steht? Warum immer noch so viele den Anordnungen des Empires Folge leisten, wenn auch etliche immer widerwilliger… Die Korruption und Unfähigkeit der politischen Klasse des Libanon ist so offensichtlich, dass selbst die westlichen Medien voller Verständnis für die gewaltsame Revolte der Geknechteten und Unterdrückten sind. Der Rauchpilz der Explosion im Hafen von Beirut, der so fatal an die atomare Apokalypse erinnerte, hat sich in die historische Netzhaut der Menschheitsgeschichte gebrannt.

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Stadtplanung – und Architektur im Fokus des Bundeskriminalamtes [Häuserkampf und Klassenkampf Part 5]

Napoleon ll. ernannte Georges-Eugène Baron Haussmann 1853 zum Präfekten von Paris, um die Stadt zum einen zu einer repräsentativen Metropole umzugestalten, aber auch um die Stadt in ihren Grundrissen leichter nutzbar für das Vorgehen von Regierungstruppen gegen Aufständische umzugestalten. Etliche Viertel wurden geschliffen, es entstanden bis heute bestehende Sicht – und Verbindungsachsen, die diesen Vorgaben entsprachen. Die Möglichkeit der Niederschlagung der Pariser Commune 1870/71 war unter anderem auch diesem Umstand geschuldet. Die Kontrolle von Bevölkerungsgruppen durch Architektur ist seitdem eingeschrieben in die modernen Herrschaftsverhältnisse, die Berliner Polizei beschäftigt z.B. eigene Architekt*innen die sich mit genau diesem Instrumentarium von sozialer Kontrolle und Aufstandsbekämpfung befassen. Wir veröffentlichen deshalb an dieser Stelle einen Text von 1980 aus der ‘Autonomie – Materialien gegen die Fabrikgesellschaft / Neue Folge No 3’. Veröffentlicht auch deshalb weil darin auch das Verhältnis zu und die Rolle der Linken in diesen Prozessen angesprochen wird, was gerade angesichts der sozialen Kontrolle im Pandemie Ausnahmezustand hochaktuell ist. Wir haben den Artikel etwas bearbeitet, da er nur als PDF der Originalausgabe vorliegt. Alle Ausgaben der ‘Autonomie’ liegen online im PDF Format hier vor. Wir haben die Fußnoten des Artikels weitgehend gestrichen, weil der Zugang zu den Quellen mittlerweile größtenteils schwierig bis unmöglich sein dürfte. Wir setzen damit unsere Reihe ‘Häuserkampf und Klassenkampf’ fort. Sunzi Bingfa

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Slowenien – Die antiautoritäre Linke in Zeiten von Corona [Teil 2]

Brigate Plavi

Hiermit setzen wir unsere Berichterstattung zu Slowenien fort, dieser Teil befasst sich u.a. mit der Räumung der “Autonomen Fabrik” ROG. Teil Eins zu Slowenien findet sich hier. Der Genosse der uns den Beitrag übermittelt hat, berichtet auch auf twitter umfangreich zur aktuellen Situation in Slowenien. Sunzi Bingfa

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Verknüpfungen – Für eine Ökologie der Gegenwart

Dieser Text erschien am 28. Januar 2020 auf der kanadischen contrepoints, eine englischsprachige Übersetzung findet sich auf Ill Will Editions. Wir haben ihn deshalb sinngemäß aus dem französischsprachigen Original übersetzt, weil er den meisten der hiesigen Diskussionen zum Thema meilenweit voraus ist, auch wenn wir ihn nicht en detail teilen. Wir knüpfen damit auch an das Interview mit Andreas Malm an, das wir im Oktober veröffentlicht haben. Sunzi Bingfa

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