Zum Tod von Bernd Heidbreder

Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben. Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muss also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.

Rainer Maria Rilke

Wie soll das gehen, über jemanden zu schreiben, den man das letzte Mal vor über einem Vierteljahrhundert gesehen hat und den man damals schon nicht wirklich gekannt hat, obwohl man so viel zusammen erlebt hat. Wie soll man das erklären, diese verrückten Zeiten, in denen wir alle jeden Tag mit einem Bein im Knast gestanden haben und trotzdem jeden Abend in aller Seelenruhe zu Bett gegangen sind. Ich habe letztens noch eine alte Gefährtin durch Zufall direkt vor meinem Wohnhaus in Kreuzberg getroffen, wir haben über “die Drei” vom K.O.M.I.T.E.E geredet, über alte Verbindungen, die durch die Flucht gekappt wurden, über die verschlungenen Wege, über die einige der alten Weggefährt*innen all die Jahre hindurch Kontakt zu den Genossen gehalten haben. Vieles kann man bis heute nicht öffentlich erzählen, auch wenn es im Moment so aussieht, als wenn die Bemühungen der deutschen Justiz der drei habhaft zu werden, nicht von Erfolg gekrönt zu sein scheinen. Vor einigen Monaten entstand sogar die Initiative “Bring The Boys Back Home”, deren Ziel es war, den dreien eine legale Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen.

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Slowenien – Die antiautoritäre Linke in Zeiten von Corona [Teil 3]

Brigate Plavi

Als am Dienstag den 27.04.2021 etwa 15.000 Menschen durch die Straßen von Ljubljana zogen, war dies nach Wochen der Agonie der Proteste gegen die rechtsextreme Regierung ihre endgültige Wiedergeburt. In den Wochen davor gab es einige Ereignisse, die dazu geführt haben und auch die Ungeduld der Protestbewegung mit der Regierung wachsen ließen. Im folgenden Text wird die Entwicklung im Land nach der Räumung des AT Rog kurz dargestellt. Auf alle Ereignisse im Land im Detail einzugehen ist nicht möglich und auch alle Einzelheiten der politischen Entwicklungen darzustellen würde den Rahmen sprengen. Daher ist der folgende Text eine grobe Zusammenfassung von einigen wichtigen Ereignissen. In den Monaten seit Februar ist das Land noch weiter nach rechts gerückt und dabei wurde es außenpolitisch immer isoliert. Der Rechtsruck zeigt sich beispielsweise in den Gastgeschenken, die das Land anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft verteilen an seine Gäste verteilen will. Es handelt sich dabei um Manschettenknöpfe mit dem „Karanthanischen Panther“, einem Symbol welches auch von slowenischen Neonazis verwendet wird. Dieses Symbol wurde von einem Nationalisten in den 80er Jahren eingeführt, der unter anderem auch die Theorie verbreitete, die Slowenen stammten von den Venetern ab und nicht von den Slawen. Ein Symbol der Rechten soll so zu ein Symbol des Landes umgedeutet werden. Die politische Isolation zeigt sich zum Beispiel daran, dass der rechtsextreme Regierungschef, obwohl er bald die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, nicht bei einer EU-Konferenz zur Zukunft der EU sprechen durfte.

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Memes ohne Ende

Adrian Wohlleben

Die Genossen von Ill Will veröffentlichen immer wieder wichtige Beiträge über den aktuellen Zyklus der Revolte.Wir übersetzten „Memes without Ends“, einen Beitrag von Adrian Wohlleben über die wichtigen Veränderungen in der Art und Weise, wie Revolten heutzutage gestaltet, stattfinden und organisiert werden. In Europa waren die Gilets Jaunes ein Beispiel, das von großen Teilen der europäischen Linken immer noch nicht wirklich verstanden wird. Wohlleben erklärt auch, wie Teile der Linken Teil der Aufstandsbekämpfungsstrategie der Herrschenden sind. Manchmal unfreiwillig. Sunzi Bingfa.

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Kalabrisches Guantanamo

Cesare Battisti

Vieles was dieser von uns übersetzte aktuelle Brief von Cesare Battisti enthält, wird regelmäßigen Leser*innen der Sunzi Bingfa bekannt vorkommen. Wir veröffentlichen ihn trotzdem aus zwei Gründen. Erstens, weil jeder Brief aus dem Knast, besonders aus den Isolationstrakten, es wert ist, geteilt zu werden. Und zweitens vor dem Hintergrund des repressiven Vorgehens der französischen Justiz gegen dort seit Jahrzehnten im Exil lebende italienische Militante aus den Kämpfen der 70iger. Wir hatten ja schon in der letzten Sunzi Bingfa einen Beitrag dazu. Die ‘Soligruppe für Gefangene’ hat zwei Beiträge die zu der Repression auf Lundi Matin erschienen sind, ins deutsche übersetzt. Ihr findet sie hier und hier. Der Staat vergisst nie, vor allem nicht seine erbittertsten Feinde, eine wichtige Lektion.

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Über Ausradierungen [Erasures] und ‚Diskurs‘

Joey Ayoub

Die Linke” redet mal wieder über Palästina und Israel. Es werden die immer gleichen Argumenten vorgebracht, seit Jahrzehnten. Wir bevorzugen es, die Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen und haben deshalb einen Beitrag von Joey Ayoub, ‘Solarpunk Anarchist’ (wenn es schon Kategorisierungen braucht, dann selbst gewählte), für diese Ausgabe der Sunzi Bingfa übersetzt. Joey Ayoub hat einen Twitter account, schreibt u.a. auf seinem blog, ist regelmäßig auf seinem podcast the fire these times zu hören, und, und,….

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Das große Finale

krill & zon

Die Gartenparty im Schloss von Versailles neigte sich dem Ende zu. Es war ein voller Erfolg gewesen. Wie immer hatte der Präsident auf Geheiß seiner Frau keine Kosten gescheut. Wieder einmal war Prunk angesagt. Die gesamte A-Liste des Landes war erschienen, zusammen mit ihren ausländischen Kumpels. Selbst die Opposition war der Einladung gefolgt und ließ sich von dem extravaganten Rahmen, den französischen Gärten, dem fließenden Champagner und dem raffinierten Catering blenden. Der Historiker Zalar, offizieller Experte für die Dritte Französische Republik, eine Epoche, die dem Präsidenten so sehr am Herzen lag, war ein wenig beschwipst und schielte zu den jungen Kellnerinnen, die die letzten Getränke für die Straße verteilten.

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Kolumbien: Angesichts der Barbarei, Hoffnung

Übersetzt aus Columbia Informa

Vom Schmerz zur Wut, von der Empörung zum Kampf. Die Zeiten, durch die wir Frauen gehen, sind zunehmend voller Gründe, auf die Straße zu gehen. Heute schreibe ich diese Worte mit einem Kloß im Hals, mit dem Gefühl eines nahen Verlustes, mit lebendiger Hoffnung und brennendem Feuer in meinem Herzen. Ich nehme die Maske eines neutralen und objektiven Journalisten ab, um weiterhin den von unten kommenden, volksnahen Journalismus zu verkörpern, der aufbaut und keine Angst vor Zensur hat. Heute schreibe ich, um Alison zu rehabilitieren, das letzte bekannt gewordene Opfer sexueller Gewalt durch die Polizei in Popayán.

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nebelbänke

alexandre olivier exquemelin

rauten winter is gone, so far away. it was a long, long, strong winter. türkische hochzeitskorso am kotti, hupen, musik, trinken, lachen, gesichter, augen, lippen. rudelbildung, aufgekratzt, kein ziel, kein plan, egal es geht auf mitternacht zu, keiner friert die zeit ein. gestern noch überall bullen, überall, ein paar letzte flaschen und steine zum abschied am mariannenplatz, heute kapitulation vor der realität, die leben heisst, kein heimliches hocken in den nachtfrösten am urbanhafen, der exzess, die heimliche genese der stadt, kehrt heim, leuchtet bis in den morgen, den frühen.

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