Über Ausradierungen [Erasures] und ‚Diskurs‘

Joey Ayoub

Die Linke” redet mal wieder über Palästina und Israel. Es werden die immer gleichen Argumenten vorgebracht, seit Jahrzehnten. Wir bevorzugen es, die Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen und haben deshalb einen Beitrag von Joey Ayoub, ‘Solarpunk Anarchist’ (wenn es schon Kategorisierungen braucht, dann selbst gewählte), für diese Ausgabe der Sunzi Bingfa übersetzt. Joey Ayoub hat einen Twitter account, schreibt u.a. auf seinem blog, ist regelmäßig auf seinem podcast the fire these times zu hören, und, und,….

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Das große Finale

krill & zon

Die Gartenparty im Schloss von Versailles neigte sich dem Ende zu. Es war ein voller Erfolg gewesen. Wie immer hatte der Präsident auf Geheiß seiner Frau keine Kosten gescheut. Wieder einmal war Prunk angesagt. Die gesamte A-Liste des Landes war erschienen, zusammen mit ihren ausländischen Kumpels. Selbst die Opposition war der Einladung gefolgt und ließ sich von dem extravaganten Rahmen, den französischen Gärten, dem fließenden Champagner und dem raffinierten Catering blenden. Der Historiker Zalar, offizieller Experte für die Dritte Französische Republik, eine Epoche, die dem Präsidenten so sehr am Herzen lag, war ein wenig beschwipst und schielte zu den jungen Kellnerinnen, die die letzten Getränke für die Straße verteilten.

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Kolumbien: Angesichts der Barbarei, Hoffnung

Übersetzt aus Columbia Informa

Vom Schmerz zur Wut, von der Empörung zum Kampf. Die Zeiten, durch die wir Frauen gehen, sind zunehmend voller Gründe, auf die Straße zu gehen. Heute schreibe ich diese Worte mit einem Kloß im Hals, mit dem Gefühl eines nahen Verlustes, mit lebendiger Hoffnung und brennendem Feuer in meinem Herzen. Ich nehme die Maske eines neutralen und objektiven Journalisten ab, um weiterhin den von unten kommenden, volksnahen Journalismus zu verkörpern, der aufbaut und keine Angst vor Zensur hat. Heute schreibe ich, um Alison zu rehabilitieren, das letzte bekannt gewordene Opfer sexueller Gewalt durch die Polizei in Popayán.

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nebelbänke

alexandre olivier exquemelin

rauten winter is gone, so far away. it was a long, long, strong winter. türkische hochzeitskorso am kotti, hupen, musik, trinken, lachen, gesichter, augen, lippen. rudelbildung, aufgekratzt, kein ziel, kein plan, egal es geht auf mitternacht zu, keiner friert die zeit ein. gestern noch überall bullen, überall, ein paar letzte flaschen und steine zum abschied am mariannenplatz, heute kapitulation vor der realität, die leben heisst, kein heimliches hocken in den nachtfrösten am urbanhafen, der exzess, die heimliche genese der stadt, kehrt heim, leuchtet bis in den morgen, den frühen.

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Die Ermordung Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967

Jörg Prante

Zum Jahrestag der Ermordung von Benno Ohnesorg wollen wir mit diesem Beitrag, der 1997 erschienen ist, an den Menschen Benno Ohnesorg und diesen wichtigen Abschnitt der Geschichte der radikalen Linken erinnern. Auch wenn der Beitrag neuere Erkenntnisse, wie die Tätigkeit des Todesschützen für das MfS, nicht berücksichtigt, spiegelt er das Klima in Westberlin in dieser Zeit gut wieder und nimmt eine politische Einordnung der Geschehnisse am 2. Juni 1967 vor. Sunzi Bingfa

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Streik in Kolumbien: Die Straße fragt nach

Víctor de Currea-Lugo

Der Zyklus der Revolte ist nach Kolumbien zurückgekehrt. Nach den massiven sozialen Streiks im Jahr 2019 setzte Iván Duque, eine Marionette des ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe, das neoliberale Reformprogramm in einem Land fort, in dem viele Menschen an Hunger und unter der Gewalt der paramilitärischen Todesschwadronen, Drogenkartells und des Staates leiden. Es gehört eine Menge Mut dazu, in Kolumbien auf die Straße zu gehen, wo mehr Menschen getötet wurden und/oder verschwunden sind als in den dunklen Zeiten der Militärherrschaft in Brasilien, Argentinien und Chile zusammen. Der Staat antwortet auf den Aufstand mit weiteren Morden und Entführungen, aber die Menschen haben ihre Angst verloren und gehen weiterhin auf die Straße. Aufgrund der massiven Gewaltspirale riskieren Menschen ihr Leben, wenn sie politisch aktiv sind oder auch nur politische Themen jenseits des staatlichen Narrativs diskutieren. Viele Menschen auf der Straße denken immer noch innerhalb den Rahmen des aktuellen politischen Systems, aber die Fragen und Aktionen auf der Straße zeigen, dass sich dies langsam ändert. Die Primera Linea ist längst akzeptiert, denn viele Menschen haben erkannt, dass sie sich vor staatlicher Gewalt schützen müssen.Im folgenden Beitrag hat der unabhängige Journalist Víctor de Currea-Lugo die vielen Fragen dokumentiert, die die Menschen auf den kolumbianischen Straßen haben. Wir haben diese Fragen übersetzt. Die Bilder sind von unabhängige Medien Kollektiv ‚Medios Libres Cali‘. Sunzi Bingfa.

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Ghost Town

Maxwell Q. Klinger

Die ersten etwas wärmeren Nächte in Kreuzberg, kurz vor Beginn der Ausgangssperre. Die Gehwege sind ausgestorben, aus einem vorbeifahrenden Auto dröhnen traurige türkische Schmachtfetzen in vollem Bass, trotzig aufreizend. Ein Fuchs patrouilliert durch das Hochhausghetto als sei es das selbstverständlichste der Welt. Ein paar türkische Jungs huschen um die Ecke, nicht allzu eilig, niemand soll auf falsche Gedanken kommen. Ein Schlenker in die Oranienstraße, fast wie früher am 1. Mai um drei Uhr Nachts, nur Türken und Outlaws. Bloß die Punks fehlen. Und die Bullen. Man sieht praktisch keine Bullen. Das ist das, was am meisten irritiert. Sie sind sich ihrer Sache so sicher, dass sie sich gar nicht mehr zeigen müssen. Vor einem hell erleuchteten Laden, der türkische Spezialitäten verkauft, stehen zu zweit oder dritt ein paar Jungs Anfang Dreißig, quatschen ein bisschen, hängen ab. Stehen da im hellen Licht, jeden Abend, wir sind noch da, kommt doch. Vielleicht gibt es etwas Streit, oder auch ein bisschen Bußgeld, das dürfte es ihnen wert sein, auf Schlägerei ist hier keiner aus, einfach nur ein bisschen zeigen, dass sie noch da sind. Sich und den Bullen. Die kommen aber nie, nehmen einfach keine Notiz. Fast schon kränkend.

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