Für eine Untersuchung der Autonomia

Sergio Bologna

Folgendes Interview führte Patrick Cuninghame (2) mit Sergio Bologna (1 und 3) 1975 in Mexiko City. Es erschien 2000 auf ‘Left History’, übersetzt hat es Bernd Hüttner vom Archiv der sozialen Bewegung Bremen. Die Anmerkungen gekennzeichnet mit d.Ü. stammen von ihm. Wir haben den Text auf copyriot.com gefunden und leicht bearbeitet und setzen damit unsere lose Reihe zu den antagonistischen Bewegungen in Italien der 70er fort. Wir veröffentlichen diesen Text auch vor dem Hintergrund der jüngsten Festnahmen in Frankreich, bei denen 10 Genoss*innen aus den Kämpfen in dem Italien der 70er festgesetzt wurden, mit dem Ziel sie nach Italien auszuliefern. Siehe dazu auch diese beiden Berichte: Eins und Zwei. Im Original finden sich in den Fußnoten auch Verlinkungen, die wir aber weggelassen haben, da die verlinkten Quellen teilweise nicht mehr existieren. Sunzi Bingfa

„Für eine Untersuchung der Autonomia“ weiterlesen

Revolte und Repräsentation: Die Bedeutung der Chicano Riots

Herbert Marcuse (1044)

Auf der Website des Bureau of Public Secrets(Büro für öffentliche Geheimnisse) haben wir den folgenden Text gefunden. Er wurde als Pamphlet im Oktober 1970 veröffentlicht. Unterzeichnet „von Herbert Marcuse“. Aber in Wirklichkeit wurde es von der Situationistische Gruppe „1044“ aus Berkeley (Kalifornien) geschrieben. 700 Exemplare wurden in Umlauf gebracht, einige in Los Angeles und San Diego. Herbert Marcuse arbeitete in der Zeit an der Universität von San Diego und reagierte in der Triton Times (Studentenzeitung der Universität von Kalifornien in San Diego) genau so, wie die Situationisten es sich erhofft hatten:

Ein Pamphlet mit dem Titel „Revolte und Repräsentation: Die Bedeutung der Chicano [1] Riots von Herbert Marcuse“ wird auf dem Campus verteilt. Dieses Pamphlet ist eine klare Fälschung. Ich habe es weder geschrieben noch zu seiner Erstellung beigetragen, noch weiß ich, wer dafür verantwortlich ist.

Herbert Marcuse

Professor Avrum Stroll wies darauf hin, dass das Pamphlet „offensichtlich dazu gedacht war, Herbert [Marcuse] in Verlegenheit zu bringen.“ – Das ist sicher richtig, aber der Text ist vor allem eine Kritik am „traditionellen“ linken Protest, seinen Methoden, Forderungen und seiner Distanz zu den Bedingungen, unter denen viele marginalisierten Menschen leben. Spontane Revolten werden immer noch missverstanden. Heute vielleicht sogar mehr als je zuvor. Obwohl der Text mehr als 50 Jahre alt ist, ist er immer noch aktuell, die Reaktionen großer Teile der Linken hierzulande auf die Riots in den französischen Banlieues, auf die Gilets Jaunes in Frankreich, oder auch die Corona-Riots im letzten Jahr in Stuttgart zeigen, dass diese Distanz heute größer ist als je zuvor… Sunzi Bingfa

„Revolte und Repräsentation: Die Bedeutung der Chicano Riots“ weiterlesen

Kein Ankommen, kein Zurück.

Karl-Heinz Dellwo

Eine wirkliche kollektive Aufarbeitung der Geschichte des bewaffneten Kampfes in der BRD fehlt bis heute. Etliche ehemalige Angehörige der RAF und der Bewegung 2. Juni haben Interviews gegeben, Bücher geschrieben, haben auf Veranstaltungen geredet, einige haben es sogar bis ins Fernsehen geschafft. Die Texte und Aktionserklärungen der RAF sind ebenso wie die der Bewegung 2. Juni vollständig dokumentiert, auch die Texte der Revolutionären Zellen sind in Buchform erschienen, all dies liegt auch auch online vor. Trotzdem bleiben so viele Frage offen, denn die Geschichte des bewaffneten Kampfes in der BRD ist, ebenso wie die Geschichte der gesamten radikalen Linken, auch eine Geschichte des Scheiterns. Der vielleicht spannendste Versuch einer Aufarbeitung in nicht nur individueller Form, oder in Kleingruppen, waren die Gesprächsrunden, die seit 1996 über sieben Jahren in Hamburg stattfanden, und an der mehrere Psychotherapeut*innen, Ehemalige aus der RAF und der Bewegung 2. Juni, sowie Frauen aus der “Unterstützer*innenszene” der RAF teilnahmen. Es war ein schwieriger, brüchiger Prozeß, Ansprüche und Bedürfnisse prallten aufeinander, die meisten Ehemaligen hatten unglaublich lange Zeit im Knast verbracht, hatten Isolationsfolter und Hungerstreiks hinter sich. Die Zusammensetzung der Gesprächsrunden änderte sich wiederholt, auch einige Psychotherapeut*innen warfen zwischendurch das Handbuch. Jenseits der individuellen und gemeinsamen Erfahrungen der Teilnehmer*innen der Gesprächsrunden resultierte aus diesem einmaligen und ungewöhnlichen Projekt auch ein Buchprojekt, in dem die Teilnehmer*innen, die Ehemaligen, aber auch einige der Psychotherapeut*innen zu Wort kommen. Das Buch erschien unter dem Titel “Nach dem Bewaffneten Kampf” im Psychosozial Verlag, Gießen. Der folgende Beitrag von Karl-Heinz Dellwo, der 2004 entstand und Teil des Buchprojekts ist, wurde uns vom Autor für diese Ausgabe der Sunzi Bingfa zur Verfügung gestellt. Wir danken dafür aufs Herzlichste und setzen damit unseren Reihe zur Geschichte des bewaffneten Antagonismus in der BRD fort.

„Kein Ankommen, kein Zurück.“ weiterlesen

Von der „Mitterand-Doktrin“ zum „Neuen Europa“

Am Mittwoch vergangener Woche wurden in Frankreich sieben italienische Genoss*innen festgenommen, die in den 70iger in den antagonistischen Gruppen in Italien aktiv waren und seit längerem in Frankreich leben. Sie alle wurden in Italien in Abwesenheit zu hohen Haftstrafen verurteilt, vier von ihnen zu lebenslänglich. Es handelt sich um Giovanni Alimonti, 65 Jahre alt, Enzo Calvitti, 66 Jahre alt, Roberta Cappelli, 65 Jahre alt, Marina Petrella, 66 Jahre alt, Giorgio Pietrostefani, 77 Jahre alt, Sergio Tornaghi, 63 Jahre alt und Narciso Manenti, 63 Jahre alt. Fünf von ihnen wird die Mitgliedschaft in den Roten Brigaden vorgeworfen, einer soll bei Lotta Continua gekämpft haben, einer den Nuclei Armati Contropotere Territoriale angehört haben. Sie leben wie viel hundert andere ehemalige italienische Militante in Frankreich im Exil. Während der heftigen Repression Ende der 70iger in Italien, die tausende von Genoss*innen in den Knast brachte, waren tausende rechtzeitig aus Italien geflohen. Viele wurden in Frankreich ganz offiziell geduldet, der sogenannten “Mitterrand Doktrin” folgend, gegen die auch Italien keinen öffentlichen Einspruch erhob. Aus naheliegenden Gründen, auf die auch der folgende Artikel eingeht.

Die jüngsten Festnahmen erfolgten in enger Abstimmung zwischen italienischen und französischen Justizministerium, Macron selber hat die Festsetzung dann angeordnet. In Frankreich gibt es erste Solidaritätserklärungen, so wurde in der Liberation eine Erklärung von prominenten Linken veröffentlicht. Die Sieben wurden am Donnerstag gegen Auflagen auf “freien Fuß” gesetzt. Eine Einordnung der repressiven Aktion erfolgte von Dante Barontini in ‘Contrapiano’, sie erschien auch auf französisch in acta zone, wir haben aus der französischsprachigen Version übersetzt. Sunzi Bingfa

„Von der „Mitterand-Doktrin“ zum „Neuen Europa““ weiterlesen

Züri brennt – Der Kampf um das AJZ [Häuserkampf und Klassenkampf Part 10]

Ausgerechnet in der im ewigen Biedermeier zu verharrenen Schweiz brachen Anfang der 80er Jugendkrawalle aus, die das Land erschütterten und weit über die Schweiz hinaus ausstrahlten. Überall wurde das Packeis aufgebrochen und mit Bedauern festgestellt, dass Beton nicht brennt. Da wir große Freunde der oral history sind, was geneigten Leser*innen nicht verborgen geblieben ist, folgen an dieser Stelle einige Interviews mit Beteiligten, die wir dem wunderbaren Sammelband “Wir wollen alles und zwar subito” entnommen haben, der 2001 im Limmat Verlag erschienen ist. Leider ist das Buch mittlerweile vergriffen, aber ein umfangreiches Online Archiv findet sich noch hier. Hinzugefügt haben wir noch eine Chronologie, die auch aus der genannten Quelle stammt, das Ganze schließlich etwas aufbereitet und bebildert. Sunzi Bingfa

„Züri brennt – Der Kampf um das AJZ [Häuserkampf und Klassenkampf Part 10]“ weiterlesen

Ausschreitungen gegen die Ausgangssperre in Montreal

Ursprünglich veröffentlicht auf Montreal Counter Information, übersetzt von den Gefährt*innen von Schwarzer Pfeil, bei denen wir uns dafür bedanken, dass wir diesen Beitrag übernehmen können. Sunzi Bingfa

„Ausschreitungen gegen die Ausgangssperre in Montreal“ weiterlesen

Das nackte Leben und der Impfstoff

Giorgio Agamben

Es geht nicht so sehr um die Gesundheit, sondern um ein Leben, das weder gesund noch krank ist, das als solches, weil es potentiell pathogen ist, seiner Freiheiten beraubt und Verboten und Kontrollen aller Art unterworfen werden kann.’ Giorgio Agamben gelingt in wenigen Sätzen in bemerkenswerter Präzision die Skizzierung der Transformation der Welt, die Erschaffung der Dystopie in die wir geworfen und uns ausgeliefert wiederfinden. Und legt uns zugleich die notwendige Radikalität ans Herz, mit der diese Entwicklung auf Entschiedenste bekämpft werden muss. Eine weitere Übersetzung eines Textes, der am 16. April erschien. Sunzi Bingfa

„Das nackte Leben und der Impfstoff“ weiterlesen

Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #20 – 1. Mai Sonderedition

In der PDF Version findet ihr als Bonus ein Aufruf aus Frankreich: Für einen festlichen und kämpferischen 1. Mai 2021 – Ein Aufruf aus Lille

Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #20 – 1. Mai Sonderedition als PDF Datei: 

Online lesen (PDF): sunzibingfa1maiedition

Print-Version (PDF): sunzibingfa1maiedition-print