Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #18 – 22. März 2021 – Themen in dieser Ausgabe: Geboren am 17. November (Dimitris Koufontinas) – Wir sind immer noch hier (Mona Rafea) – Der syrische Aufstand – Eine Bericht aus Daara, wo alles begann – Der Aufbau einer alternativen Zukunft in der Gegenwart: Das Beispiel der syrischen Kommunen (Leila Al Shami) – Häuserkampf in den Niederlanden: Panzer in der Pierson Straße [Teil 4] (Riot Turtle) – Die Psychiatrie in Zeiten von COVID 19 (Sandrine Deloche) – UMKÄMPFTE STADT – THESEN ZU DEN LETZTEN 5 JAHREN (Les Camarades Imaginaires 2012) [Häuserkampf und Klassenkampf Part 8] – Zero Covid – Eine Polemik (Gerald Grüneklee)
Kategorie: Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #18 – 22. März 2021
Geboren am 17. November
Dimitris Koufontinas
Seit dem 8. Januar 2021 befand sich Dimitris Koufontinas im Hungerstreik, seit dem 22. Februar auch in einem Durststreik. Am 5. März befand sich seine Seele bereits auf der Reise über den Styx, nachdem er ein akutes Nierenversagen erlitt. Auf direkte Anweisung der griechischen Regierung, die von Anfang an fest entschlossen war, seine Forderungen nach Rückverlegung aus dem Hochsicherheitstrakt, in den man ihn sogar gegen geltendes Recht verlegt hatte, nicht zu erfüllen, wurde er von den Ärzten im Lamia Krankenhaus, in das er mittlerweile verlegt worden war, reanimiert. Sein Leben hing nun an einem seidenen Faden, die Absicht der griechischen Regierung war offensichtlich und auch öffentlich proklamiert, selbst seine Entscheidung über seinen eigenen Tod, übers sein Leben, sollte ihm genommen werden. Oder wie einige ehemalige Gefangenen aus der RAF und der Bewegung 2. Juni in einer Solidaritätserklärung schrieben: “Wir kennen die harte Haltung des Staates und seiner Apparate. Wir kennen Zwangsernährung und exzessive Gewalt der Wächter, wir kennen die ‘Koma-Lösung’, das zynisch so genannte ‘Ping-Pong-Spiel’, mit dem man versuchte, uns in einem Zustand zwischen Leben und Tod zu halten in der Hoffnung, dass wir daran zerbrechen”.
Zero Covid – Eine Polemik
Gerald Grüneklee
Dies ist ein Auszug aus einem in Vorbereitung befindlichen Buch, eine leicht veränderte Fassung dieses Textes wurde erstmals Anfang März vom ‘Untergrundblättle’ online publiziert, diese Fassung wurde uns vom Autor für die Sunzi Bingfa zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich und möchten betonen, dass uns der Text u.a. deshalb sehr gefallen hat, weil er uns vom Herzen weg geschrieben erscheint. Sunzi Bingfa
Häuserkampf in den Niederlanden: Panzer in der Pierson Straße [Teil 4]
Riot Turtle
Die ersten drei Teile (1,2,3) unserer Serie “Häuserkampf in den Niederlanden” beschäftigten sich mit dem Kampf um Wohnraum in Amsterdam. Doch Ende 1980 spitzte sich ein Konflikt um ein Parkhaus in Nimwegen zu. Dort wurden 14 Häuser besetzt, die die Stadt für ein Parkhaus abreißen wollte. Nutzbarer Wohnraum in einer Stadt mit einem großem Mangel an Wohnraum. Erneut wurde die Armee eingesetzt. Für diesen Artikel haben wir auch die Untertitel für den Film ‚Pierson Unknown‘ (47 Minuten) übersetzt. Ihr findet den Film unter diesem Artikel. Sunzi Bingfa
„Häuserkampf in den Niederlanden: Panzer in der Pierson Straße [Teil 4]“ weiterlesen
UMKÄMPFTE STADT – THESEN ZU DEN LETZTEN 5 JAHREN (Les Camarades Imaginaires 2012) [Häuserkampf und Klassenkampf Part 8]
Der folgende Beitrag ist ein längerer Auszug aus der Broschüre “Rauschen”, die Ende 2012 in Berlin verteilt wurde. Wir haben den Auszug aus der PDf Datei der vollständigen Broschüre entnommen und entsprechend bearbeitet um ihn online stellen zu können. Wir setzen damit unsere Reihe ‘Häuserkampf und Klassenkampf‘ fort. Sunzi Bingfa
Wir sind immer noch hier
Mona Rafea
Am zehnten Jahrestag des syrischen Aufstands schreibt Mona Rafea aus dem Herzen von Homs, der verwüsteten Stadt, die einst „die Hauptstadt der Revolution“ genannt wurde. Sunzi Bingfa
Der Aufbau einer alternativen Zukunft in der Gegenwart: Das Beispiel der syrischen Kommunen
Leila Al Shami
Die Lesart des Aufstandes in Syrien, der vor genau 10 Jahren begann, durch die westliche Linke war von Anfang an durch Desinteresse und eine “antiimperialistische” Perspektive bestimmt, in der “der Feind meines Feindes mein Freund” ist. Die Interventionen von den diversen lokalen und geopolitischen Akteuren in den sich militarisierenden Konflikt in Syrien ließen die eigentlichen Akteure des Aufstandes, ihre Praxen, ihre Wünsche und Träume, ihre gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen “unsichtbar” werden. Gelebte Solidarität durch eine Metropolenlinke waren rahe Ausnahmen, daran hat sich bis heute nichts geändert. Die “kurdische Frage” fand dann wieder Widerhall hierzulande, aber nur einer eindimensionalen “Solidarität”, die die Widersprüche dieses Prozeßes (z.B. die Abkommen mit der syrischen Regierung oder die spätere militärische Zusammenarbeit mit den USA) ausblendeten, sobald sie die eigenen Projektionsbedürfnisse nach der “Reinheit der Revolution” zu beschädigten drohten.
All die notwendigen Reflexionen aus den Erfahrungen mit der “Solidarität mit den antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen” aus den 60er und 70er scheinen vergessen, das Schicksal der Palästinenser*innen in der syrischen Diaspora wurde von einem Großteil der metropolitanen Linken gar nicht mehr zur Kenntnis genommen, das Gemetzel an und das Aushungern der Menschen in Jarmuk, in dem sich zum Schluß sogar noch ISIS breit machen konnte, bewegte praktisch keine Linken mehr. Für die einstigen Verbündeten im “”antiimperialistischen Kampf” gab es keine Verwendung mehr. Es gibt also mehr als genug Gründe, in dieser Ausgabe der Sunzi Bingfa mehrere Artikel zum syrischen Aufstand zu platzieren. Das Original dieses Beitrages findet ihr hier.
Der syrische Aufstand – Eine Bericht aus Daara, wo alles begann
Sebastian Lotzer
Ein paar Jungs, die Parolen gegen den syrischen Präsidenten an einer Mauer anbrachten, ihre Festnahme und Mißhandlung durch die Bullen, eine erste Demonstration von aufgebrachten Angehörigen und Bewohner*innen des Ortes, aus dem sie stammen. Schüsse in die Menge, es gibt Tote. Ein Funke, der zum Steppenbrand wird. Die immer gleiche historische Erzählung. Einer der beteiligten Jungen hat diese Erlebnisse einige Zeit später, als er schon nicht mehr in Syrien, sondern in einem Flüchtlingslager in Jordanien lebte, einem Reporter der BBC erzählt. Sebastian Lotzer hat diesen Schilderungen in seinem Buch “Die schönste Jugend ist gefangen” wiedergegeben und der Sunzi Bingfa anlässlich des 10. Jahrestages des Aufstandes in Syrien für diese Ausgabe zur Verfügung gestellt.
„Der syrische Aufstand – Eine Bericht aus Daara, wo alles begann“ weiterlesen
Die Psychiatrie in Zeiten von COVID 19
Sandrine Deloche
Eine verstörende Analyse und zugleich Anklage, die auf Lundi Matin erschien und die wir für Sunzi Bingfa übersetzt haben. Ähnliche Erfahrungen kennen auch hierzulande alle, die in diesem Bereich arbeiten und sich einen kritischen Blick bewahrt haben. Die schrittweise Ausschaltung der eigentlichen Zuständigen mit Sachverstand in den Ämtern und die Übertragung an sogenannte Fallmanager in den Kostenstellen, die über keinerlei professionelle Befähigung zur Beurteilung von psychischen Problemen und den Möglichkeiten des Umgangs damit verfügen. Die Etablierung von sogenannten Smart Zielen und der Einforderungen von schnellen Erfolgen diesbezüglich. Eine Welt, die nichts von Beziehungsaufbau und Beziehung halten weiß und wissen will, die keine Vorstellung davon kennt, wie lange und zäh das Ringen um das Vertrauen verstörter und traumatisierter Seelen ist.
Eine stationäre Psychiatrie, in der alle Aufbrüche infolge der 68er Revolte in Vergessenheit zu geraten drohen, die auf dem besten Weg ist, wieder eine Verwahr- und Wegschließpsychiatrie zu werden. In der der Horizont einer gemeindenahen Psychiatrie oder sogar einer “Anti-Psychiatrie in der Psychiatrie” schon lange nicht mehr sichtbar ist.
Die Zuspitzung dieser ganzen Entwicklung, die schon seit vielen Jahren andauert, in der Corona Pandemie, die so fragwürdige Methoden wie Tele-Psychotherapie nach vorne gepusht hat, oder das Elend, dass es bedeutet, sich selbst unter Tränen zu offenbaren und dabei in vermummte Gesichter schauen zu müssen, die dauerhaften Schädigungen gerade der kindlichen Seelen durch die sogenannten unabdingbaren Maßnahmen. Die weitgehende öffentliche Ignoranz diesbezüglich, oder die Degradierung zu sogenannten “Kollateralschäden” eines “Krieges gegen das Virus”, der selbst schon psychopathologische Züge angenommen hat.