Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #4 – 07. September 2020

Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #4 – 07. September 2020. Themen in dieser Ausgabe: Mali: Der Terror der Modernisierung , In Defense of Looting – Ein Interview mit Vicky Osterweil, Auf der Haut von Primo Levi von Cesare Battisti, Die mediale Impfung der Angst von Olivier Cheval, “Wenn wir leben wollen, müssen wir uns beeilen” – Ein Interview mit den Revolutionären Zellen [Part1), Die Revolutionäre Antirassistische Aktion (RARA): Militante Praxis in den Niederlande, Lasst tausend Hände die Waffe aufheben von Nanni Balestrini und Ein aktuelles Interview mit Franco “Bifo” Berardi.

Lasst tausend Hände die Waffe aufheben

Nanni Balestrini

Nanni Balestrini muss an dieser Stelle wohl nicht wirklich vorgestellt werden. Seine Bücher über die Bewegung der Autonomia, über Knast und Verzweiflung, über die Existenzialität der Revolte, also des Lebens selbst, sind zu großen Teilen schon vor vielen Jahren ins Deutsche übersetzt und hier bei Assoziation A veröffentlicht worden, 2017 erschien dann seine Erzählung Carbonia bei bahoe books.

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Die Revolutionäre Antirassistische Aktion (RARA): Militante Praxis in den Niederlande

Ein Sozialzentrum in einem besetzten Haus in den 1980er Jahren in Amsterdam. Der Geruch von Benzin lag in der Luft, was nicht alltäglich war… aber es war auch nichts Ungewöhnliches. So manche mag diese Offenheit, womit in den 80er so manches stattgefunden hat überraschen, aber der Bullenapparat war technisch noch nicht so aufgestellt wie es heute der Fall ist. Ich kann mich erinnern dass sie mal monatelang in ein Bulli mit einer großen Antenne vor unseren Squat standen. Im Winter, bei minus 10 Grad, haben wir denen dann heiße Suppe gebracht und haben den Bullen die drin saßen gesagt: “ Hört mal esst das jetzt und dann verpisst euch.” Sie sind danach tatsächlich gegangen.

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In Defense of Looting – Ein Interview mit Vicky Osterweil

Vor wenigen Tagen erschien das Buch “In Defense of Looting” in den USA. Vicky Osterweil hatte die Arbeit an dem Buch schon im April beendet, aber vorausahnend die Dynamik der Geschehnisse nach dem Tod von George Floyd in den Fokus ihrer Überlegungen genommen. NPR24 hat aus diesem Anlass ein Interview mit ihr geführt, dessen Übersetzung ins Deutsche an dieser Stelle folgt. Sunzi Bingfa

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“Wenn wir leben wollen, müssen wir uns beeilen” – Ein Interview mit den Revolutionären Zellen [Part1)

Dieses Interview aus dem Jahre 1975 ist Teil der Broschüre “Holger, der Kampf geht weiter! Dokumente und Beiträge zum Konzept Stadtguerilla”. Mit diesem langen Interview (das ziemlich einzigartig ist, allzu viele Interviews gibt es trotz einer jahrzehntelangen Praxis nicht) mit einer oder einem Militanten aus dem Zusammenhang der Revolutionären Zellen setzen wir unsere Reihe zum bewaffneten Antagonismus in der BRD fort. Dies nämlich war, entgegen vielleicht heutigen Annahmen radikaler Linker, die Ursprungsintention der Entstehung der RZ: Im Zentrum der Macht Stadtguerilla aufbauen. Einen Versuch, den es ohne die Praxis der RAF wahrscheinlich nie gegeben hätte, wie die RZ wiederholt klar stellten, die den Genoss*innen der RAF immer in kritischer Solidarität verbunden geblieben sind und sich dem Versuch verweigert haben, sich als “nette Feierabendterroristen” in Front gegen die RAF bringen zu lassen: “Die politische Differenz der RZ zur RAF drückt sich im übrigen nicht von Schlagzeile zu Schlagzeile und schon gar nicht als Distanzierung gegenüber unserem gemeinsamen Gegner aus, sondern seit 1973 in dem Versuch, eine andere, sozialrevolutionäre Linie, andere Formen des bewaffneten Widerstandes praktisch zu entwickeln. Nur darum geht es und nicht Scheiße auf Freundinnen und Freunde zu schmeißen, die uns in diesem furchtbaren Land näher sind als die meisten anderen.”

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Die mediale Impfung der Angst

Olivier Cheval

Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden“

Es ist schlechterdings unmöglich hierzulande nur ansatzweise eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit bestimmter Maßnahmen im Pandemie Ausnahmezustand führen zu wollen. Jeder Dissens wird pathologisiert und wer es dennoch wagt wird sofort in politische Lager verortet, die ihm fremder nicht sein könnten. Mir schrieb im Frühjahr ein mir wohlgesonnener jüngerer Genosse besorgt, ich solle doch bitte aufpassen, was ich für Positionen in meinen Pandemie Kriegstagebüchern vertrete, er wünsche mir nur das beste, aber ich sei in echter Gefahr als etwas wahrgenommen zu werden, von dem er annehme dass ich dies nicht sei. Nun, ich habe es mit Nanni Balestrini gehalten, der auf seine alten Tage öffentlich festgestellt hatte, dass “da keine radikale Linke mehr sei, nur Leere” und das er sich nun fortan lediglich als Chronist der gesellschaftlichen Entwicklung sehe. Umso erbaulicher fällt immer wieder der Blick über die Grenzen und die Erkenntnis das es immer wieder Stimmen gibt, die die Anstrengung der Übersetzungsarbeit lohnen. Ein Beitrag aus der letzten Ausgabe von Lundi Matin. Sebastian Lotzer

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Auf der Haut von Primo Levi

Cesare Battisti

Cesare Battisti gehörte in den 70igern der italienischen Gruppierung “Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus (PAC)” an, er wurde von den Bullen geschnappt, ihm gelang aber 1981 die Flucht aus dem Knast. Jahrzehntelang konnte er untertauchen, viele Jahre lebte er in Lateinamerika, bis er nach dem Regierungswechsel in Brasilien 2018 nach Bolivien flüchten musste, wo er von der dortigen Polizei in Zusammenarbeit mit einem Zielfahndungskommando der Italiener festgenommen und Anfang 2019 ausgeliefert wurde.

Gegen seine Auslieferung nach Italien mobilisierten vor allem französische Genoss*innen, Cesare hatte wie viele, die Ende der 70iger, Anfang der 80iger aus Italien fliehen musste, eine Zeitlang Exil in Frankreich gefunden. Cesare hat aus dem Knast heraus viele Texte zur gesellschaftlichen Entwicklung, zur Situation in den Knästen und auch jüngst zum Pandemie Ausnahmezustand veröffentlicht. Einige davon liegen auf deutsch vor (1) (2), hier nun eine weitere Übersetzung. Sunzi Bingfa

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Mali: Der Terror der Modernisierung

Forschungsgesellschaft Flucht und Migration

1. In die Auseinandersetzung über den Bundeswehreinsatz in Mali ist immer wieder das Argument eingebracht worden, dass nur diejenigen über Mali sprechen sollten, die schon öfter dort waren und über regelmäßige Kontakte verfügen. Es stimmt, dass allererst Afrikaner*innen selbst über Afrika sprechen sollen. Allerdings: Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Kritik des EU-Engagements im Sahel. Und um krumme Geschäfte, Rüstungsexporte, Militärexpeditionen und die Schließung der Grenzen zu kritisieren, müssen wir nicht in den Sahel reisen. Die Dokumentation dieser Schweinereien ist aus dem Herzen der Bestie manchmal viel besser möglich.

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