“Wenn wir leben wollen, müssen wir uns beeilen” – Ein Interview mit den Revolutionären Zellen [Part1)

Dieses Interview aus dem Jahre 1975 ist Teil der Broschüre “Holger, der Kampf geht weiter! Dokumente und Beiträge zum Konzept Stadtguerilla”. Mit diesem langen Interview (das ziemlich einzigartig ist, allzu viele Interviews gibt es trotz einer jahrzehntelangen Praxis nicht) mit einer oder einem Militanten aus dem Zusammenhang der Revolutionären Zellen setzen wir unsere Reihe zum bewaffneten Antagonismus in der BRD fort. Dies nämlich war, entgegen vielleicht heutigen Annahmen radikaler Linker, die Ursprungsintention der Entstehung der RZ: Im Zentrum der Macht Stadtguerilla aufbauen. Einen Versuch, den es ohne die Praxis der RAF wahrscheinlich nie gegeben hätte, wie die RZ wiederholt klar stellten, die den Genoss*innen der RAF immer in kritischer Solidarität verbunden geblieben sind und sich dem Versuch verweigert haben, sich als “nette Feierabendterroristen” in Front gegen die RAF bringen zu lassen: “Die politische Differenz der RZ zur RAF drückt sich im übrigen nicht von Schlagzeile zu Schlagzeile und schon gar nicht als Distanzierung gegenüber unserem gemeinsamen Gegner aus, sondern seit 1973 in dem Versuch, eine andere, sozialrevolutionäre Linie, andere Formen des bewaffneten Widerstandes praktisch zu entwickeln. Nur darum geht es und nicht Scheiße auf Freundinnen und Freunde zu schmeißen, die uns in diesem furchtbaren Land näher sind als die meisten anderen.”

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Die mediale Impfung der Angst

Olivier Cheval

Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden“

Es ist schlechterdings unmöglich hierzulande nur ansatzweise eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit bestimmter Maßnahmen im Pandemie Ausnahmezustand führen zu wollen. Jeder Dissens wird pathologisiert und wer es dennoch wagt wird sofort in politische Lager verortet, die ihm fremder nicht sein könnten. Mir schrieb im Frühjahr ein mir wohlgesonnener jüngerer Genosse besorgt, ich solle doch bitte aufpassen, was ich für Positionen in meinen Pandemie Kriegstagebüchern vertrete, er wünsche mir nur das beste, aber ich sei in echter Gefahr als etwas wahrgenommen zu werden, von dem er annehme dass ich dies nicht sei. Nun, ich habe es mit Nanni Balestrini gehalten, der auf seine alten Tage öffentlich festgestellt hatte, dass “da keine radikale Linke mehr sei, nur Leere” und das er sich nun fortan lediglich als Chronist der gesellschaftlichen Entwicklung sehe. Umso erbaulicher fällt immer wieder der Blick über die Grenzen und die Erkenntnis das es immer wieder Stimmen gibt, die die Anstrengung der Übersetzungsarbeit lohnen. Ein Beitrag aus der letzten Ausgabe von Lundi Matin. Sebastian Lotzer

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Auf der Haut von Primo Levi

Cesare Battisti

Cesare Battisti gehörte in den 70igern der italienischen Gruppierung “Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus (PAC)” an, er wurde von den Bullen geschnappt, ihm gelang aber 1981 die Flucht aus dem Knast. Jahrzehntelang konnte er untertauchen, viele Jahre lebte er in Lateinamerika, bis er nach dem Regierungswechsel in Brasilien 2018 nach Bolivien flüchten musste, wo er von der dortigen Polizei in Zusammenarbeit mit einem Zielfahndungskommando der Italiener festgenommen und Anfang 2019 ausgeliefert wurde.

Gegen seine Auslieferung nach Italien mobilisierten vor allem französische Genoss*innen, Cesare hatte wie viele, die Ende der 70iger, Anfang der 80iger aus Italien fliehen musste, eine Zeitlang Exil in Frankreich gefunden. Cesare hat aus dem Knast heraus viele Texte zur gesellschaftlichen Entwicklung, zur Situation in den Knästen und auch jüngst zum Pandemie Ausnahmezustand veröffentlicht. Einige davon liegen auf deutsch vor (1) (2), hier nun eine weitere Übersetzung. Sunzi Bingfa

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Mali: Der Terror der Modernisierung

Forschungsgesellschaft Flucht und Migration

1. In die Auseinandersetzung über den Bundeswehreinsatz in Mali ist immer wieder das Argument eingebracht worden, dass nur diejenigen über Mali sprechen sollten, die schon öfter dort waren und über regelmäßige Kontakte verfügen. Es stimmt, dass allererst Afrikaner*innen selbst über Afrika sprechen sollen. Allerdings: Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Kritik des EU-Engagements im Sahel. Und um krumme Geschäfte, Rüstungsexporte, Militärexpeditionen und die Schließung der Grenzen zu kritisieren, müssen wir nicht in den Sahel reisen. Die Dokumentation dieser Schweinereien ist aus dem Herzen der Bestie manchmal viel besser möglich.

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Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #3 – 24. August 2020

Heute veröffentlichen wir Sūnzǐ Bīngfǎ Nr. #3 – 24. August 2020. Themen in dieser Ausgabe, u.a.: Der dritte Teil von „Anatomie der Autonomie“ von Franco „Bifo“ Berardi, „How It Might Should Be Done“, Transkript eines Vortrags, den Idris Robinson am 20. Juli diesen Jahres in Seattle gehalten hat, Klaus Viehmann (saß als Mitglied der Bewegung 2. Juni insgesamt 15 Jahre Knast ab) mit „Von Banken und Perspektiven“, Der am 15. August verstorbene Stuart Christie mit einem Bericht über seine Beteiligung an einem Franco-Attentat in 1964, Resi Lucetti mit Folge 1 der Serie ‘Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus’, Ghassan Salhab mit „Libanon: Der Klang der Stiefel“ und Jennifer Bennet mit dem Artikel „Assoziierende Biestigkeit“.

How It Might Should Be Done

Idris Robinson

Der folgende Text ist das Transkript eines Vortrags, den Idris Robinson am 20. Juli diesen Jahres in Seattle gehalten hat, von ihm selbst wie auch von Ill Will Editions, die den Text transkribiert  haben, im Sinne der Lesbarkeit leicht editiert. Antikalypse

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Stuart Christie und der Attentatsversuch gegen Franco: „Mir drehte sich der Magen um. Etwas war völlig schief gelaufen …“

Stuart Christie

Am 15. August verstarb Stuart Christie nach seinem Kampf mit seinem Lungenkrebs. Sein Versuch, den spanischen Diktator Franco in den 1960er Jahren zu töten, ist immer noch legendär und ein Beispiel für eine konsequente antifaschistische Aktion und Haltung.

In diesem Land scheinen wir bezüglich der antifaschistischen Selbstverteidigung vom Weg abgekommen zu sein. In Zeiten, in denen Faschisten Waffen horten, verbünden sich hierzulande große Teile der antifaschistischen Bewegung mit Sozialdemokraten und anderen Liberalen, ja sogar mit dem Staat. Die Faschisten träumen offen vom „Tag X“, einem Tag, an dem sie Migranten, Juden, Antifaschisten, Linke und andere töten wollen. Im Grunde wollen sie alle Menschen töten, die anders denken. Während der Staat mit seinen politischen Vertretern der SPD und anderen die Faschisierung des deutschen Staates durchsetzt, wurde eine Bewegung mit antagonistischen Elementen und praktischer antifaschistischer Selbstverteidigung durch diese Bündnispolitik weitgehend befriedet.

Es gibt immer noch einige militante Antifaschisten, und es ist an der Zeit, dass genau diese Art von antifaschistischen Gruppen wieder anfangen mehr Bedeutung zu bekommen und sich mehr Leute finden, die diese Art der Praxis durchführen. Die faschistische Bedrohung wächst, und deshalb brauchen wir heute mehr Stuart Christies als je zuvor.

Stuart Christie wurde am 11. August 1964 in Madrid wegen dem Besitz von Sprengstoff verhaftet, mit dem der faschistischen Führer Franco getötet werden sollte. Stuart war auch Mitbegründer von Anarchist Black Cross und Cienfuegos Press und Autor von „Granny Made Me an Anarchist“ („Großmutter machte mich zum Anarchisten“), außerdem  gründete er auch das Anarchistische Filmarchiv.

Es folgt ein Auszug aus Stuart Christies Buch „Granny Made Me An Anarchist“, in dem seine Beteiligung an einem Attentatsversuch auf den spanischen Diktator General Franco beschrieben wird. Er beschreibt seine Erfahrungen von der Abholung des Plastiksprengstoffs in Frankreich bis zu seiner Verhaftung durch die Franco-Polizei in Spanien. Dieser Auszug wurde ursprünglich von Libcom veröffentlicht und übersetzt für Sūnzǐ Bīngfǎ. Riot Turtle

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Von Banken und Perspektiven

Klaus Viehmann

In diesem Land kommt eigentlich niemand mehr auf die Idee einen Bank zu überfallen, um politische Arbeit zu finanzieren. Eine Praxis, die in den 70igern weit verbreitet war und nicht nur zur Finanzierung klandestiner Organisierung diente, sondern deren Ausbeute auch schon mal in den Aufbau eines Kinderladens investiert wurde. Heutzutage wird eine Soliparty nach der anderen gefeiert, böse Zunge behaupteteten sogar, dass dies der eigentliche Grund sei, dass es die Hauptstadtszene überhaupt noch gäbe, bevor Corona dieser Praxis ein vorübergehendes Ende bereitete. Wie auch immer, Banküberfälle besitzen bis heute eine gewisse Popularität in nicht unerheblichen Kreisen der breiten Masse und geglückte Coups, die eine hohe Beute und eine gewisse Raffinesse aufzuweisen haben, wie z.B. der Überfall auf eine Bank in Berlin im Januar 2013, dem monatelange Grabungsarbeiten vorausgingen und den fleißigen Tunnelgräbern eine Beute von um die 10 Mio Euro einbrachte, taugen zur Legendenbildung. Auch wenn es sich in diesem Fall streng genommen nicht um einen Banküberfall, sondern um einen einfachen Einbruch, wenn auch mit hoher Beute, handelte. Wie auch immer, Banküberfälle waren schon immer ein wesentlicher Bestandteil illegaler Organisierung und so setzen wir unsere Reihe mit Texten zum bewaffneten antagonistischen Widerstand in der BRD mit diesem Beitrag von Klaus Viehmann fort, der in dem wunderbaren Sammelband “Va Banque – Bankraub, Theorie, Praxis, Geschichte” von Klaus Schönberger erschienen ist.

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Libanon: Der Klang der Stiefel

Ghassan Salhab

So ziemlich das erste, was das libanesische Regime tat, nachdem die verheerende Explosion im Hafen von Beirut die halbe Stadt verwüstet hatte, und während noch viele Menschen unter Trümmern verschüttet vermisst wurden, war den militärischen Ausnahmezustand auszurufen. Nicht um die Rettungsarbeiten zu bündeln und zu organisieren, nein, zu durchsichtig war das Manöver. Im Wissen um die eigene Verantwortung, das Verbrechen des Nichthandelns (ein Bericht über die Situation im Hafen hatte schon Wochen dem gesamten Kabinett vorgelegen), ein weiteres Verbrechen der korrupten Elite an den Menschen der geschundenen Stadt, ging es ausschließlich um den Machterhalt. In diesem Spiel waren die folgenden Rücktrittserklärungen nur ein durchsichtiges Manöver, um diese Absicht zu verschleiern. Aber niemand glaubt ihnen mehr. Tagelange Proteste und Straßenschlachten, Ministerien wurden gestürmt und besetzt und auch wenn dieser Anlauf, so wie die Revolte im letzten Herbst, dass Regime nicht von der geschichtlichen Bühne fegen konnte, so sind doch seine Tage gezählt. So steht es geschrieben. Sūnzǐ Bīngfǎ

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